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Horrorfahrt

Keine Beweise für angebliche Horrorfahrt

Laupheim / Lesedauer: 3 min

Gericht lässt Hauptvorwurf gegen 35-Jährigen fallen – Urteil wegen Körperverletzung
Veröffentlicht:01.03.2013, 11:55

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Wegen vorsätzlicher Körperverletzung hat das Biberacher Amtsgericht einen 35-Jährigen aus Laupheim zu drei Monaten Haft auf Bewährung verurteilt, mit 80 gemeinnützigen Arbeitsstunden als Auflage. Nach Überzeugung von Richter Bürglen und des Staatsanwalts, der für eine viermonatige Bewährungsstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung in einem minder schweren Fall plädiert hatte, hat der türkischstämmige Mann vor etwa einem Jahr seine Frau im Streit geschlagen, kurzzeitig gewürgt und ihr den Arm verdreht. Der Angeklagte räumte eine Ohrfeige ein, bestritt aber die übrigen Gewaltvorwürfe. Sein Verteidiger sprach daher lediglich von einer einfachen Körperverletzung und beantragte eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen à 10 Euro.

Fallen gelassen hat das Gericht am gestrigen zweiten Verhandlungstag freilich einen weitaus schwerwiegenderen Anklagepunkt: Die heute 23-jährige Ehefrau kurdischer Herkunft, die durch eine Anwältin eine Nebenklage auf Schmerzensgeld erhob, hatte ihrem Mann vorgeworfen, ihr bei einer erzwungenen Autofahrt unter Verwendung eines Messers gedroht zu haben, sie umbringen zu wollen ( die SZ berichtete ). In diesem Punkt, den der Angeklagte gänzlich bestritt, stünde Aussage gegen Aussage. „Es bestehen Zweifel sowohl an den Aussagen des Angeklagten als auch der Geschädigten“, sagte der Staatsanwalt.

Verteidiger sieht Belastungseifer

Gar von „blankem Unfug“ sprach der Verteidiger. Die Geschichte von der angeblichen „Horrorfahrt“ sei völlig unglaubwürdig und von großem Belastungseifer hervorgerufen, weil die Frau über die Ehe unglücklich gewesen sei – „und mein Mandant wohl auch“. „Der Beweiswert der Frau tendiert gegen null“, sagte der Verteidiger. Sie habe das typische Bild einer geprügelten türkischen Ehefrau gezeichnet, die wie eine Sklavin gehalten worden sei. „Das ist sie nicht“, so der Anwalt.

Die als Zeugen vernommenen Nachbarn hatten indes von lautstarken Streitigkeiten und Schlägen in der Wohnung des Ehepaars berichtet, und als sie die Schwester des Angeklagten einmal darauf angesprochen hätten, habe diese geantwortet: „Sie ( die Ehefrau, Anmerkung der Redaktion ) verweigert den Gehorsam.“ Der Verteidiger warf einer der Zeuginnen jedoch ebenfalls großen Belastungseifer vor, weil sie den Angeklagten nicht leiden könne.

Das Gericht vernahm gestern auch eine Hebamme, welche die Frau vor und nach der Geburt des Sohnes im November 2011 betreut hatte. Aus den Gesprächen mit der allerdings nur bruchstückhaft deutsch sprechenden Frau habe sie entnommen, dass die 23-Jährige nicht glücklich sei und von ihrem Mann auch bedroht worden sei. „Aber nichts Konkretes“ habe sie erfahren. Für den Staatsanwalt und die Nebenklägerin entstand dennoch das Bild eines aggressiven Ehemanns. „Ich hoffe, dass dem Angeklagten die Verurteilung eine Mahnung ist“, meinte der Staatsanwalt.

Grundlage für das Urteil bildete schließlich der Streit vor einem Jahr, über den beide Ehepartner unterschiedliche Angaben machten. Zweifelsfrei fest steht die Ohrfeige, die der Angeklagte einräumte. Richter Bürglen ging aber auch davon aus, dass der Mann die Frau zumindest „unsanft am Hals angefasst“, ihren Arm verdreht und ihr einen weiteren Schlag gegen den Kopf – möglicherweise mit einem Telefon – verpasst hat. Dafür sprächen die Aussage der Polizistin, welche die Frau nach dem Hilferuf abgeholt hatte, und das ärztliche Attest nach der anschließenden Untersuchung.

Rätselhafter Fahrradsturz

Wenig Beweiskraft gaben Richter und Staatsanwalt einem von der Verteidigung aufgerufenen Zeugen, der am Tag vor dem Vorfall die Ehefrau nach einem Fahrradunfall nach Hause begleitet haben will. Nach Angaben des Angeklagten rührten daher die Verletzungen seiner Gattin. Sowohl die Frau als auch Zeugen bestritten, dass sie überhaupt im Besitz eines Fahrrads gewesen sei.