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Der andere Luxus - Statussymbole von heute

Lindau / Lesedauer: 8 min

Menschen wollen dazugehören, gleichzeitig als Individuum anerkannt werden. Dafür nutzen sie Statussymbole – diese sind heute so viel mehr als nur die Klassiker wie Haus, Auto und Boot.
Veröffentlicht:31.10.2019, 17:00

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Denken Sie einen Moment an Statussymbole, was kommt Ihnen in den Sinn? Vermutlich unwillkürlich die Bilder von teuren Autos, einem feinen Anzug, einer glänzenden Uhr oder einer Yacht auf tiefblauem Wasser. Viele von Ihnen werden sich jetzt denken: „Was gehen mich solche Statussymbole an? Ich brauche keinen Ferrari oder eine teure Uhr, um mich zu definieren“ – doch inwieweit sind Luxusartikel als Statussymbole überhaupt noch relevant?

Ist nicht eher Allgemeinwissen ein Statussymbol, das Wissen, das wir in Konversationen immer wieder einstreuen? Die Urlaubsfotos, die wir zu Dutzenden an unsere WhatsApp-Kontakte schicken. Oder ist es vielleicht der besonders faire Kaffee, den wir unseren Gästen servieren? Jeder von uns profiliert sich jeden Tag.

Protzig oder subtil - Statussymbole sind Vieles

Statussymbole sind gar nicht so offensichtlich, wie man meinen mag. Je nach Milieu, Generation und Herkunft fallen Statussymbole protzig oder subtil, materiell oder immateriell aus. Grund genug herauszufinden, was Menschen unterschiedlichen Alters über Statussymbole denken. Wie schätzen Laura Thalheim und Nicolas Galagodaa vom Ulmer Stadtmagazin Vibezz ihren Umgang mit Statussymbolen ein? Und was sagt Werner Mang , Schönheitschirurg aus Lindau, dazu?

Außerdem erklärt der Kulturwissenschaftler Wolfgang Ullrich im Interview, auf was es bei Statussymbolen ankommt. Eine Gegenüberstellung der Generationen, die Kontroversen dokumentiert, aber auch überraschende Einigkeit aufzeigt.

Statussymbole heute

Es geht immer um Kommunikation – auch Statussymbole demonstrieren, erzählen, verkünden. Thalheim und Galagoda kommunizieren meistens über das Internet. Sie schreiben, posten und drehen auf Plattformen wie Instagram und YouTube. Ihre Zielgruppe ist jung – und drückt Statusgewinn, so ihr Eindruck, immer seltener durch teure Käufe aus. „Es geht vor allem um Sachen, die einen nach außen darstellen sollen, so wie die Person gesehen werden will“, findet Thalheim.

Dabei kann es auch Statussymbol sein, wenn sich junge Menschen auf einem alten Vintage-Fahrrad abstrampeln oder in einer restaurierten Ente herum klappern. „Das beste Beispiel für moderne Statussymbole sind doch zerrissene Jeans, die ein Schweinegeld kosten“, findet der 26-jährige Galagoda. Das Produkt sei offensichtlich beschädigt, das scheine den symbolischen Wert für die junge Generation jedoch erst zu steigern.

Werner Mang, Jahrgang 1949, sieht das anders. Für ihn sind die Statussymbole von früher immer noch verbreitet, vor allem hier in der Region.

Mang ist aus seiner Kindheit anderes gewohnt, merkt aber selbst, dass sich der Umgang mit Statussymbolen wandelt. Protz allein wirkt in keiner Generation. Statussymbol ist für Mang außerdem, mit sich im Reinen und glücklich zu sein, egal welches Auto man fährt. Natürlich gehe es aber auch immer um Selbstdarstellung – und darum, sich von anderen abzuheben.

Man bestaunt sie oder findet sie peinlich. Den Porsche, die Designerjacke oder die teure Marken-Sonnenbrille. Die Klassiker unter den Statussymbolen sind vor allem eines: teuer und offenbar unerschütterlich. Doch selbst Mang, der sich gerne mit Reichen und Superreichen umgibt, spürt, dass diese protzigen Symbole verblassen.

„Ich sage immer, ich habe alles selbstverdient. Deshalb fahre ich gerne mit dem Rolls-Royce rum und liebe meine Oldtimer“, sagt Mang. „Aber mittlerweile verstecke ich diesen lieber. Mit anderen Worten, diese Statussymbole sind heute, auch für meine zwei Kinder, nicht mehr so wichtig, wie sie früher einmal waren.“

Dennoch liebe der Mensch gewisse Symbole, meint der Chirurg. Teure Dinge kommunizieren laut Mang immer noch Macht und bringen Anerkennung. Obwohl die Bedeutung nachlasse und die Symbole differenzierter werden, haben die klassischen Symbole, wie der Rolls-Royce, eine Anziehungskraft – auch bei der jüngeren Generation, findet Mang.

Wer mit 16 kein Revoluzzer ist, hat kein Herz, wer es mit 40 noch ist, hat kein Hirn,

soll Winston Churchill einmal gesagt haben

Thalheim und Galagoda vom Stadtmagazin erleben in ihrem Umfeld einen krassen Bedeutungsverlust der luxuriösen Statussymbole. Ihnen wäre es peinlich, mit einem großspurigen Auto durch Ulm zu heizen. Doch gilt das für die ganze Gesellschaft?

Eine Generation hat also nicht nur eine einzige Palette an Statussymbolen. Neben der Champagnerflasche in der Disko gibt es Klamotten aus Biobaumwolle, Do-it-Yourself Stereoanlagen oder den heimischen Gemüsegarten – so ausdifferenziert die Jugend ist, so vielfältig auch die Mittel, mit denen sie versucht, sich in Szene zu setzen.

Eine Frage der Generation

Winston Churchill soll einmal gesagt haben: „Wer mit 16 kein Revoluzzer ist, hat kein Herz, wer es mit 40 noch ist, hat kein Hirn.“ Dass sich mit dem Alter die Wahrnehmung und Prioritäten auf die ein oder andere Art verändern, wird wohl kaum jemand bezweifeln. Dass die junge Generation deshalb im Alter plötzlich der Maxime des Wirtschaftswunders, „Haste was biste was“, hinterherläuft, bezweifeln Thalheim und Galagoda. Materielles werde ihnen im Alter nicht wichtiger.

Was wichtig ist, verschiebt sich demnach nicht mit dem Alter, sondern ist vielmehr abhängig von der Generation, denn in jeder werden bestimmte Werte vermittelt. Während die derzeitige Elterngeneration mit dem Glauben aufwuchs, Karriere bringt Anerkennung, sind es in der jungen Generation oft außergewöhnliche Freizeitaktivitäten, die Ansehen garantieren. Cross-Fit, Bouldern, Backpacker-Reisen sind nur einige Beispiele, die diese Denkweise zum Ausdruck bringen.

Was bestimmt dann in der jungen Generation, wer bedeutend in der Gesellschaft ist? Galagoda zufolge hängt es davon ab, ob jemand etwas erreicht hat. Für Thalheim ist es derjenige, der seine Träume verwirklicht.

Schluss mit Luxus – ein deutsches Phänomen?

Werner Mang kennt die Welt, sagt Werner Mang. Wollen Patienten aus Fernost, Arabien oder den USA von ihm operiert werden, ist er schon auf dem Weg. Dort gelte laut dem Schönheitschirurgen immer noch: umso teurer, größer, höher und weiter – umso besser. Vor allem in Deutschland sieht Mang, dass Einkommen und Besitz allein keine Anerkennung bringen.

Das aber auch, weil wir alles so schwermütig sehen – wie zum Beispiel den Klimaschutz.

Werner Mang, Schönheitschirurg aus Lindau

„Deutschland ist da ein bisschen Vorreiter“, sagt Mang und legt die Stirn in Falten. „Das aber auch, weil wir alles so schwermütig sehen – wie zum Beispiel den Klimaschutz.“ Der Deutsche mache sich das Leben zu oft schwer, findet der 70-Jährige. Ob das der richtige Weg für die Gesellschaft ist, bezweifelt er.

Es kommt mir so vor, als haben dort die klassischen Statussymbole noch schneller an Bedeutung verloren.

Laura Thalheim, Vibezz

Ist der Gegentrend zu klassischen Symbolen ein deutsches Phänomen? Laura Thalheim von Vibezz fällt diese Einschätzung schwerer als Mang, war sie doch meistens nur innerhalb Europas auf Reisen. Sie kommt jedoch zu einer ähnlichen Überlegung: „Ich würde behaupten, dass die klassischen Statussymbole in den südlichen und östlichen Ländern noch mehr Bedeutung haben als bei uns in Deutschland“.

Thalheim glaubt aber den echten Vorreiter zu kennen: die skandinavischen Länder. „Es kommt mir so vor, als haben dort die klassischen Statussymbole noch schneller an Bedeutung verloren.“

Zwei Generationen sind sich einig – Das Internet bestimmt

Jung und Alt finden immer wieder zueinander, auch bei so strittigen Themen, was als Statussymbol funktioniert und was nicht. Ausgerechnet bei der Skepsis gegenüber dem Internet und den Sozialen Medien sind sich die zwei Generationen einig.

Thalheim und Galagoda arbeiten mit und im Internet, trotzdem sehen sie nicht jede Entwicklung positiv. „Es ist ja heutzutage auch Statussymbol, wenn man viele Fans und Follower hat“, sagt Thalheim besorgt.

Die ganzen Mädels sehen die Frauen im Internet, fühlen sich zu dick, zu dünn, zu klein, zu groß.

Laura Thalheim, Vibezz

Ob junge Menschen durch die autarke Darstellung in ihren Social-Media-Kanälen nicht an Selbstvertrauen gewinnen können? Die 29-Jährige winkt ab: „Das macht es nur noch schlimmer, die ganzen Mädels sehen die Frauen im Internet, fühlen sich zu dick, zu dünn, zu klein, zu groß.“

Bilder hochzuladen, auf denen man sich hübsch findet, habe keinen positiven Einfluss auf die Selbstwahrnehmung in der Realität. Viele junge Menschen würden einem Idealbild hinterherlaufen, ohne die Ideale für sich selbst zu bestimmen.

Weil Schönheit aber auch Sportlichkeit zur jeder Zeit an jedem Ort in das Licht der Öffentlichkeit gerückt werden können, sind es mittlerweile mächtige Statussymbole. Das findet auch Mang. Die Vorstellung von Schönheit nehme durch das Internet abenteuerliche Ausmaße an, sagt er.

Ausdifferenzierte Statussymbole sind laut dem Chirurgen ein Problem der heutigen Jugend. Wäre es wirklich leichter, wenn die Gesellschaft also vor allem teure Statussymbole kennen würde? Eine breite Palette an Symbolen hat auf jeden Fall Vorteile: Der Druck, Statussymbole zu erfüllen ist geringer – das verspricht mehr Freiheit für den Einzelnen.

Das meint zumindest Wolfgang Ullrich, Kulturwissenschaftler und Autor aus Leipzig. Lesen Sie mehr dazu im Interview.