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Unfallstelle

Blauhelme üben zum zehnten Mal im Allgäuer Krisengebiet

Lindau / Lesedauer: 3 min

Angehende Militärbeobachter trainieren im Bodenseeraum für ihre künftigen Einsätze
Veröffentlicht:02.07.2018, 18:02

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Eigentlich ist es nur eine Übung angehender UN-Militärbeobachter. Offenbar geht es realistisch zu. „Das ist ja schrecklich“, meint eine ältere Fahrradfahrerin betroffen. Sie hat gerade eine Unfallstelle passiert: zwei kollidierte Autos, ein Toter, zwei Schwerverletzte, viel Blut - aber alles nur gestellt. Dies ist der Frau entgangen. Verschreckt radelt sie weiter Richtung Heimenkirch im Westallgäu.

Irgendwo zwischen diesem Ort und dem Tal der Oberen Argen haben UN-Ausbilder der Bundeswehr den Unfall inszeniert. Er ist Teil der siebentägigen Abschlussübung, die Offiziere aus aller Welt nach einer neunwöchigen Ausbildung zu Militärbeobachtern machen soll. Seit 2008 ist dies bereits zum zehnten Mal der Fall. Oberst Werner Klaffus, Kommandeur des „Vereinte Nationen Ausbildungszentrum Bundeswehr“, hat vergangene Woche zum Auftakt gesagt: „Die Teilnehmer werden in zahlreiche Szenarien versetzt, die sich auch bei ihren Einsätzen erleben können.“ Etwa einen Unfall, aber einen komplizierten.

Das Szenario im hügeligen Heimenkircher Hinterland sieht folgendermaßen aus: Krisengebiet, Kriegsfürsten kontrollieren die Region, eine UN-Schutztruppe soll die Gegner auseinanderhalten. In diesem Zusammenhang ist ein Jeep der Blauhelme mit dem Auto dreier Einheimischen kollidiert. Auf diesen Unfall stößt nun ein Team aus UN-Militärbeobachter - üblicherweise vier Offiziere in zwei Geländefahrzeugen. Sie sind unbewaffnet. Dies liegt an der Einsatz-Idee: Militärbeobachter haben im Einsatz eine vermittelnde Position und melden darüber hinaus Entwicklungen im Krisengebiet ans UN-Hauptquartier.

Presseoffizier Sebastian Vogt beschreibt, was das Team zu bewältigen hat: „Stress-Situationen in verschiedenen Zusammensetzungen.“ Drei verletzte Einheimische müssen versorgt werden. Ein Angehöriger verlangt aggressiv die Behandlung seines Bruders. Blauhelm-Soldaten irren unter Schock durch die Unfallstelle. Zwei Übungsjournalisten verlangen von den genervten Militärbeobachtern Infos. Dazu knallt die Sonne erbarmungslos auf die Mini-Kreuzung zwischen zwei Gehöften.

Veteranen als Ausbilder

Bei den Übenden gibt es Licht und Schatten. Problematisch ist, dass Unfall-geschockte Blauhelme weiterhin mit Sturmgewehren herum irrlichtern dürfen. Die Männer sind in Wirklichkeit Rollenspieler aus dem UN-Ausbildungszentrum der Bundeswehr. Sie sollen die angehenden Beobachter an Grenzen bringen. Als ein Offizier während des Versorgens eines Verletzten eine hin und her geschwenkte Gewehrmündung im Rücken hat, erfolgt endlich eine Reaktion. Die Blauhelme werden weggeschickt, sollen auf Distanz gehen.

Nach einer guten Stunde gibt es eine Abschlussbesprechung mit den Ausbildern, Veteranen, die wirkliche Einsätze hinter sich haben. Einer der angehenden Beobachter muss sich sagen lassen, dass seine Notfallbehandlung wohl zum Tod des Verletzten geführt hätte. Aber zum Lernen übt man ja, heißt es anschließend. Die Ausbilder sind am Ende eher zufrieden als unzufrieden. Für das vierköpfigen Beobachterteam geht es weiter zum nächsten Szenario - irgendetwas Überraschendes, vielleicht eine Minen-Explosion, eventuell zu einem Kriegsgefangenenlager oder zu einem Tete-á-Tete mit einem Kriegsfürsten. Auch dieser spielt den Bösewicht natürlich nur und ist ansonsten Bundeswehr-Soldat.

Südsudan und Westsahara sind Einsatzgebiete

Generell ist die Übung grenzüberschreitend ausgelegt: Österreichische UN-Ausbilder sind mit ihren Leuten im Bregenzer Wald aktiv, die Schweizer UN-Trainer haben sich das Appenzell aussucht, die Deutschen das Westallgäu. So sollen Einsatz-Sektoren abgebildet werden. Auf deutschen Seite sind 250 Soldaten aus 18 Nationen aktiv. Davon üben 22 Offiziere. 16 Instruktoren leiten sie an. Rund 200 weitere Soldaten sind als Rollenspieler oder weiteres Unterstützungspersonal mit dabei.

Abschlussappell ist am Donnerstag für alle zusammen im Vorarlberger Gebirgsdorf Hittisau. Die deutschen Beobachter in spe dürfen sich dann schon mal mit Einsatzländern gedanklich anfreunden. In ihrem Fall sind es vor allem der Südsudan und die Westsahara - beides alte Einsatzgebiete für Offiziere der Bundeswehr.