StartseiteRegionalRegion LindauLindauBerufsschule rückt in Lindau dem Rainhaus auf die Pelle

Rainhaus

Berufsschule rückt in Lindau dem Rainhaus auf die Pelle

Lindau / Lesedauer: 6 min

Werner Berschneider ist entsetzt über die Pläne für einen Schulneubau direkt neben dem Denkmal
Veröffentlicht:09.07.2018, 16:28

Von:
Artikel teilen:

Dass Kreistag und Landratsamt die neue Berufsschule direkt neben dem Rainhaus neu bauen wollen, entsetzt Werner Berschneider. Der Vorsitzende der Lebenshilfe, der die Sanierung des Denkmals angestoßen hat und mit einer großen Spende möglich gemacht hat, sieht die Statik des Rainhauses gefährdet. Das Landratsamt wiegelt ab.

Eigentlich könnte für Berschneider die Welt derzeit völlig in Ordnung sein. Denn nach jahrelangem Kampf und sehr viel Arbeit steht das Rainhaus wie neu da. Nach der Einweihung am Samstag können die Bewohner jetzt einziehen. Für das Projekt gibt es Lob von allen Seiten. Doch Berschneider kann das gar nicht richtig genießen.

Denn mitten in die Feierlaune kam die Nachricht, dass der Landkreis auf dem Sportplatz direkt neben dem Rainhaus die Berufsschule neu bauen will. Wenn das früher klar gewesen wäre, hätte man sich die ganze Arbeit sparen und das Denkmal verfallen lassen können, antwortet Berschneider auf eine Anfrage der Lindauer Zeitung: „Wären die derzeit vom Kreis diskutierten Baumaßnahmen auf dem Gelände des Sportplatzes vorauszusehen gewesen, dann hätten meine verstorbene Frau und ich das Sanierungsprojekt Rainhaus nicht für sinnvoll erachtet, deswegen auch nicht in die Wege geleitet, und wir hätten es nicht finanziell unterstützt“, schreibt Berschneider in seiner Antwort an die LZ.

Ohne ihn wäre das Rainhaus möglicherweise schon abgerissen. Denn die Stadt sah keine Chance, das fast 500 Jahre alte, aber statisch fragwürdige Gebäude zu erhalten. Dann kam das Ehepaar Berschneider, sammelte in einer Bürgerinitiative Gleichgesinnte, die den Erhalt des Rainhauses wollten, und überzeugte die Lebenshilfe von der Idee, dort behinderte und nicht-behinderte Menschen unter einem Dach wohnen zu lassen.

Die Idee war so gut, Berschneiders Überzeugungskraft so groß, dass die Lebenshilfe mitmachte. Zusätzlich hat Berschneider nicht nur viel Arbeit eingebracht, sondern auch eine halbe Million Euro für die Sanierung gespendet. Inzwischen ist Berschneider sogar Vorsitzender des Vereins, der behinderten Menschen im Landkreis Lindau Arbeit und Wohnraum gibt. Er überzeugte auch die Verantwortlichen der Stadt, des Landkreises und fand weitere Zuschussgeber.

Froh war Berschneider, als sich herausstellte, dass die Statik des Rainhauses nicht vom Bau her beschädigt war. Vielmehr waren die Probleme eine Spätfolge des Baus der Berufsschule: Denn dafür hatte man vor Jahrzehnten den Wasserspiegel gesenkt. Damit lagen plötzlich Hunderte von Eichenmasten im Trockenen, auf denen die Lindauer vor Jahrhunderten das Rainhaus gegründet hatten. Diese Masten halten in Nässe sehr lange, auch trocken. Bei einem Wechsel aber beginnt die Fäulnis, die letztlich das Fundament des Rainhauses brüchig gemacht hatte.

Schulneubau könnte den Untergrund des Rainhauses zu Pudding machen

Etwas Ähnliches fürchtet Berschneider nun, wenn erneut eine Berufsschule gebaut wird, und diesmal nur weniger Meter neben dem Rainhaus. Er berichtet von Baugrundstudien, die dem Sedimentuntergrund des Rainhauses sehr viel Tragkraft zutrauen. „Wenn allerdings in der Umgebung Baumaßnahmen stattfinden, die diesen Untergrund irritieren, dann wird er ,wie Pudding’.“ Die Wahrscheinlichkeit sei hoch, dass genau das während eines Neubaus der Berufsschule beim Rainhaus passieren wird.

Das Rainhaus ist für Berschneider etwas Besonderes, weil es eines der wenigen Baudenkmäler auf dem Lindauer Festland ist. Als Rain- und Pesthaus, das die Stadt Lindau vor allem für Bürger gebaut hat, deren Angehörige an Pest erkrankt waren, ist es auch stadtgeschichtlich von großer Bedeutung. Berschneider weist außerdem darauf hin, dass der Schulneubau auf dem heutigen Sportplatz erneut das Freiflächenkonzept der Stadt missachten würde.

Berschneider fordert vom Landkreis, andere Möglichkeiten zu prüfen. Dazu gehören seiner Meinung nach neben der Sanierung auch ein Neubau auf dem Gelände des Parkplatzes oder ein Abriss und Neubau, wobei die Schüler zwischenzeitlich in einem Provisorium unterkommen müssten. „Es gibt mehrere Schulsanierungen oder Neubauten, die mit solchen Zwischenlösungen realisiert werden.“ Berschneider klingt kämpferisch, wenn er zum Schulneubau auf dem Sportplatz feststellt: „Die geplante Maßnahme wird niemals meine Zustimmung bekommen.“

Laut Landratsamt ist noch nichts entschieden

Dem hält Sibylle Ehreiser, Pressesprecherin des Landramtsamts, entgegen, dass noch nichts entschieden sei. Denn Verwaltung und Kreistag prüften derzeit verschiedene Varianten. Dazu dient eine Infofahrt des Kreisausschusses am Donnerstag: Die Räte schauen sich zwei neue Schulgebäude im Landkreis Augsburg an. Ehreiser räumt ein, dass für den Fall eines Neubaus die Kreisverwaltung bisher nur den Sportplatz neben dem Rainhaus im Blick hat. Grundsätzlich sei aber auch ein Neubau auf dem Parkplatz nicht ausgeschlossen. Im Fall eines Teilneubaus mit Erhalt der Werkstätten sei das aber nicht möglich, weil die Wege zu weit wären.

Ehreiser versichert, dass die Verantwortlichen in jedem Fall die Gründung „genauestens“ prüfen werden. Immerhin ist der Landkreis vorgeschädigt, weil es um die Gründung der alten Berufsschule einen über viele Jahre dauernden Rechtsstreit gab. Andererseits habe man bei dem Schülerwohnheim die Lage so gut im Griff gehabt, dass es zu keinen Schäden an umliegenden Gebäuden kam.

Der Landkreis steht zum Rainhaus, dessen Umbau er mit 120 000 Euro gefördert hat. Zudem habe der Landkreis für die Sanierung „sogar Abstandsflächen auf seinem eigenen Grundstück übernommen“.

Stadt und Landkreis wollen den Baugrund genau prüfen lassen

Ehreiser fügt hinzu, dass die Stadt Lindau als Baugenehmigungsbehörde bereits grundsätzlich positive Signale zu einem Neubauprojekt gegeben habe. Das bestätigt Lindaus Pressesprecher Jürgen Widmer, der darauf verweist, dass dieses Grundstück im Flächennutzungsplan bereits als Schulerweiterungsfläche eingetragen sei. Wenn das Landratsamt mit einem Bodengrundgutachten Befürchtungen aus dem Weg räume und einen Grünflächenplan vorlege, sei der Neubau grundsätzlich möglich. Widmer verweist allerdings auf das nötige Genehmigungsverfahren: Ziel solcher Verfahren sei es nämlich, die verschiedenen Bedenken anderer Beteiligter zu prüfen und wenn möglich auszuräumen. Wenn man sie nicht ausräumen könne, sei es in diesem Fall Aufgabe der Stadt zu entscheiden.

So sieht das auch Ehreiser, die mehrfach betont, dass Landratsamt und Kreistag die wichtige Entscheidung über die Berufsschule in aller Ruhe treffen wollen. Dazu gehören auch die Prüfung der Folgen für das Rainhaus, auch wenn man dafür bisher keine unlösbaren Probleme sehe: „Es darf alles diskutiert werden. Es muss auch alles diskutiert werden.“