Wolkenmasse
3000 Pilger beten für ein friedliches und vereintes Europa
Lindau / Lesedauer: 4 min
Eine grau-gelbe Wolkenmasse braut sich über dem Bodensee zusammen. „Hoffentlich dürfen wir aufs Schiff, bevor das Unwetter losgeht.“ Heike Sabatz aus Dresden schaut besorgt in den Himmel. Sie ist eine von rund 3000 Pilgern, die aus halb Europa an den Bodensee gereist sind.
Es ist der Feiertag Mariä Himmelfahrt und an dem wird seit 38 Jahren für ein vereintes und friedliches Europa über den Bodensee gepilgert. Sie hat Glück. Gleich darauf darf sie auf die MS Austria. Ein paar Minuten später hat Weihbischof Anton Losinger aus dem Bistum Augsburg, er ist der Ehrengast der diesjährigen Schiffsprozession, weniger Glück. Gerade als er ankommt, öffnet der Himmel seine Schleusen und die hohe Geistlichkeit nimmt lachend ihre Röcke in die Hand und legt einen Spurt Richtung Monstranz-Schiff hin, so genannt, weil sich das Allerheiligste darauf befindet. Dort fahren besonders viele Geistliche und Ordensschwestern mit. Und außerdem seit 19 Jahren der Musikverein Merazhofen mit seinem Dirigenten Karl Kurray.
Eine halbe Stunde später lässt der Himmel ein schönes Farbenspiel zwischen Sonne und Wolken sehen. Langsam gleiten fünf Schiffe der weißen Flotte vom Bodensee in den rasch dunkler werdenden Abend. Sie sind gefüllt mit insgesamt mehr als 3000 Gläubigen aus ganz Europa. Jedes Schiff ist geschmückt und festlich beleuchtet. „Meerstern ich dich grüße…! Oh Maria hilf!“, klingt es feierlich und sanft über den See. Lieder und Gebete der Pilger wechseln sich ab. Dazwischen spielen die Musikkapellen, die die Prozession auf den Schiffen begleiten.
Unter den Ministranten auf dem Monstranz-Schiff ist Florian Glaser . Er ist seit drei Jahren Ministrant in der Gebetsstätte in Wigratzbad. „Ich bin sehr gläubig“, sagt der 14-Jährige und lächelt vergnügt. Es sei die zweite Fatima-Schiffsprozession, die er als Ministrant erlebt. Als kleines Kind habe er seine Oma immer in die Kirche begleitet. „Ich fand das schön. Aber der Gottesdienst hat so lange gedauert. Ich wollte immer etwas tun und habe zugeschaut, wie die Ministranten dem Pfarrer helfen. Das wollte ich auch“, erzählt er. „Meine Oma ist leider vor drei Jahren gestorben. Aber ich weiß, dass sie mich im Glauben sehr geprägt hat.“
Währenddessen ist es nach einem fantastischen Sonnenuntergang dämmrig geworden. Die Schiffe haben die gedachte Linie erreicht, an der sich die drei Länder Österreich, Schweiz und Deutschland auf See begegnen. Die Kapitäne positionieren die Schiffe nahe am Monstranz-Schiff zu einer Kirche auf dem See. Die Lautsprecher werden eingeschaltet, die die Predigt über den See zu den anderen Pilgerschiffen tragen. Nikolaus Maier, Direktor der Gebetsstätte, die seit 19 Jahren Veranstalter der Fatima-Schiffsprozession ist, begrüßt die Pilger auf den anderen Schiffen zu diesem „vielleicht größten und aufsehenerregendsten Ereignis des Glaubens in der Region.“ Er begrüßt auch seinen Amtskollegen Pfarrer Georg Alois Oblinger auf der MS Vorarlberg aus Lindau, der bis vor einem Jahr Pfarrer in Reutin war, und nun Rektor der Gebetsstätte Marienfried ist. „Danke dass du mit 80 Pilgern angereist bist!“
Weihbischof Anton Losinger lobt die Idee und Tradition, das christliche Hochfest Mariä Himmelfahrt mit einer so schönen Schiffsprozession zu feiern, die der Gottesmutter viel Aufmerksamkeit beschere. In seiner Ansprache zitiert er unter anderem den Benediktinermönch David Riedl: „Wir haben unseren Besitz vervielfacht, aber unsere Werte reduziert. Wir wissen, wie man seinen Lebensunterhalt verdient, aber nicht mehr, wie man lebt. Wir haben dem Leben Jahre hinzugefügt, aber nicht den Jahren Leben. Wir kommen zum Mond, aber nicht mehr an die Tür des Nachbarn. Wir können Atome spalten, aber nicht unsere Vorurteile.“
Losinger mahnt dass die Menschen gut darauf achten sollten, dass ihnen ihre „ewige Perspektive“ nicht abhandenkäme – sprich der Glaube an eine unsterbliche Seele. Losinger spricht den eucharistischen Segen für die Länder Europas und seine Menschen. Mit einem feierlichen Feuerwerk zur Eurovisionshymne endet der Gottesdienst auf dem Bodensee. „Das war sehr schön“, sagt Florian.