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Silvestertag

„Ich würde alles genau so wieder machen“

Hergensweiler / Lesedauer: 6 min

Theo Bihler schaut anlässlich des 90. Geburtstags dankbar zurück und zuversichtlich in die Zukunft
Veröffentlicht:30.12.2018, 18:00

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Am Silvestertag feiert einer der bekanntesten und engagiertesten Bürger sowie einer der verdientesten Kommunalpolitiker des Landkreises einen besonderen Geburtstag: Auf den Tag genau vor 90 Jahren ist Theo Bihler zur Welt gekommen. Er ist gerade noch so ein Silvesterkind. 1928 – kurz vor Mitternacht, begleitet vom Leuchten und Krachen der ersten Raketen und Böller, hat er zum ersten Mal seine Lungen mit Luft gefüllt.

Theo Bihler war Bürgermeister in Hergensweiler und stellvertretender Landrat, er ist der Vater des Kinderfestes seiner Heimatgemeinde, trug 31 Jahre lang Verantwortung für die EGS (Elektrizitätsgenossenschaft Schlachters), die Hergensweiler, Sigmarszell und Weißensberg mit Strom versorgt, war Bezirksleiter des Allgäu-Schwäbischen Musikbunds, Schatzmeister der Lebenshilfe, engagierte sich im Team der Bürgeraktion „Wir helfen“ und vieles mehr. Er war immer den Menschen des Landkreises zugetan.

Theo Bihler sieht blendend aus. Er sitzt wie jeden Morgen auf seinem gemütlichen Sofa und liest die beiden Tageszeitungen seiner Heimat. Hinter ihm an der Wand zeigen Bildergalerien seine sieben Enkel- und zwei Urenkelkinder.

„Mir geht es gut. Ich bin munter, fühle mich wohl und behütet. Meine Familie war immer das Wichtigste in meinem Leben. Familie ist der Ort der Geborgenheit, an dem man sein darf wie man ist. Ich bin dankbar dafür, dass ich bei guter Gesundheit in dem Haus leben darf, das mein Vater 1924 erbaut hat, in dem ich geboren bin. Ich weiß, das ist nicht selbstverständlich“, sagt er zufrieden. Seine Tochter Susi – „sie ist mein Sonnenschein!“ – sei wesentlicher Bestandteil seines heutigen Lebens. Mit ihr und ihrer Familie wohnt er unter einem Dach und sie sorgt dafür, dass es ihm an nichts fehlt. „Ich habe und hatte ein interessantes, bewegtes und erfülltes Leben. Mit Höhen und Tiefen. Aber viel mehr Höhen.“

Seine politische Karriere begann schon in der Schulzeit. Er war Klassenführer „und nicht selten habe ich meine Mitschüler auch zu Streichen verführt“, erinnert er sich, schmunzelt und erzählt: „Wir haben im Chemieunterricht gelernt wie man Schwarzpulver macht. Und wenn man uns das schon gelehrt hat, wollten wir das auch ausprobieren.“ Sie präparierten einen Kanonenofen, der dann explodierte. „Alles war schwarz, aber niemandem ist etwas passiert, wir saßen wie die Unschuldslämmer in den Bänken und sind nie aufgeflogen“, freut er sich heute noch.

Mit 16 Jahren wurde Theo Bihler kurz vor Kriegsende noch eingezogen und in Wolfratshausen an der Loisach stationiert. „Am 30. April, es war ein Sonntag, ist von 16 bis 22 Uhr eine Panzerkolonne aus München in Richtung Garmisch gefahren – es waren Amerikaner. Wir lagen rechts und links im Gebüsch mit Panzerfäusten. Die mussten wir zum Glück nicht zum Einsatz bringen. Sonst würde ich heute wohl nicht hier sitzen“, sinniert das Geburtstagskind. Als die Amerikaner durch waren, „beerdigte“ er seinen Karabiner und seine Panzerfaust im Gebüsch zwischen Loisach und Bundesstraße, zog ziellos durch die Murnauer Wälder und kam schließlich in Gefangenschaft. In Wolfratshausen lebt heute seine Tochter Bärbel. „Das ist interessant. Wo ich einst mit Angst im Gebüsch gelegen bin, besuche ich heute meine Tochter und meine Enkelkinder. Dass wir so lange schon in Frieden leben dürfen, ist großartig. Wir dürfen nie vergessen, dass auch das nicht selbstverständlich ist“, mahnt er.

Ein starkes Team

Nach der Kriegsgefangenschaft beendete er seine schulische Laufbahn und erlernte ein ehrenwertes Handwerk: Theo Bihler wurde Raumausstatter. Und lernte schließlich seine Frau Waltraud kennen. „Meine Frau war ein Hansdampf in allen Gassen. Gemeinsam haben wir viel geschafft“, erinnert er sich. Waltraud Bihler war Metzgerstochter aus Opfenbach. „Mir hat jemand erzählt, dass man beim Stadelmann ein paar hübsche Töchter hat. Die seien unheimlich fleißig. Ich dachte, das passt für mich. Da schau ich, ob mir eine gefällt.“ Waltraud gefiel ihm. Und er ihr. 1958 hat er sie geheiratet. Sie bekamen zusammen drei Kinder: Oskar, Bärbel und Susi. 1960 eröffneten sie in Lindau einen Laden. Aus gesundheitlichen Gründen konnte Bihler seinen Beruf irgendwann nicht mehr ausüben. Außerdem war er mehr und mehr in der Politik gefragt. Gemeinsam überlegten sie, was sie mit ihrem Geschäft auf der Insel anfangen könnten und sahen die Lücke an Babyausstattung in Lindau. Baby Bihler war für 30 Jahre eine Institution im Landkreis. Heute ist in den Räumlichkeiten der Mittelalter- und Fantasy-Shop „Comic Fantasy“ seiner Tochter Susi zu finden.

Bihlers politisch engagierte Zeit ist von außen gesehen natürlich die bedeutendste. „Wir haben viel bewegen können und Grundlagen für heute geschaffen. Es war eine gute Zeit, in der wir viele Weichen für die Zukunft gestellt haben“, sagt er. Schon Anfang der 1960er-Jahre, als der junge Theo Bihler in den Gemeinderat von Hergensweiler gewählt wurde, habe er gesagt, „wir brauchen einen Flächennutzungsplan. Wir müssen für die Zukunft Voraussetzungen schaffen.“ 1972 wurde er in seiner Heimatgemeinde zum Bürgermeister gewählt. Er sorgte dafür, dass die Grundschule erhalten blieb und dass Hergensweiler sein eigenes Kinderfest bekam. 1990 wurde er zum stellvertretenden Landrat ernannt. Dieses Amt füllte Theo Bihler, weil er seine Arbeit so gut machte, unter Klaus Henninger, Manfred Bernhardt und Eduard Leifert ganze 18 Jahre lang aus. Im Frühjahr 2008, knapp 80jährig, verabschiedete er sich aus der Kommunalpolitik.

Familie ist das Wichtigste

Trotz seines politischen Engagements habe er seine Familie nie vernachlässigt. „Familie ist der elementare Kern. Aus ihr habe ich immer Kraft geschöpft. Und ich hatte eine wunderbare Frau an meiner Seite, die alles erst möglich gemacht hat“, sagt er. Dass sie vor 24 Jahren viel zu früh verstorben ist, ist ein Schatten über seinem Leben und macht ihn bis heute traurig. Etwa 40 Jahre – fast die Hälfte seines Lebens hat er mit ihr verbracht. „Dafür bin ich sehr dankbar. Dass sie so früh gehen musste, war Schicksal“, bedauert der Jubilar. „Hätte ich die Wahl, ich würde alles wieder genauso machen. Es hat alles funktioniert – insbesondere die Familie, die ist die Nummer eins. Wenn es in der Familie nicht passt, kannst du machen, was du willst, du wirst kein glücklicher Mensch sein. So wie ich leben darf, würde ich auch gern 100 Jahre alt werden.“

Seinen 90. Geburtstag feiert Theo Bihler heute mit der Familie – seine Enkel und Urenkel leben in der halben Welt verstreut und alle kommen – und mit geladenen Gästen.