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Unvorhergesehenes kommt oft

Bodolz / Lesedauer: 5 min

Frauen gründen ein Frauennetzwerk
Veröffentlicht:28.01.2020, 15:32

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Bis jetzt sind es fast 30 Frauen, vor allem aus Bodolz und Wasserburg. Aber es sollen noch viel mehr werden und überall in und um Lindau herum agieren. Das ist der Traum jener Frauen, die sich zusammengetan haben um eines zu tun: anderen Frauen zu helfen. Dazu haben sie ein neues, informelles und in gewisser Weise bis jetzt auch noch eher im Verborgenen tätiges Frauennetzwerk gegründet, das den Namen „Frauen helfen“ trägt.

„Ich hatte vor nicht allzu langer Zeit einen Unfall und habe ganz viel Hilfe von anderen Frauen erfahren“, sagt Ulrike Hartl und erzählt, wie Freundinnen, Bekannte und Nachbarinnen von selbst auf sie zu gekommen seien, um ihre Hilfe anzubieten. Ob es die Fahrt zum Arzt war oder um die Kinder irgendwohin zu bringen oder von irgendwoher abzuholen oder ob es einfach nur darum ging die eine oder andere Besorgung zu machen. „Ich habe erfahren, wie schön es ist, Hilfe zu bekommen“, sagt Ulrike Hartl und erklärt, dass daraus die Idee entstanden sei, diese Erfahrung weiterzugeben und sie ein Stück weit zu professionalisieren.

27 Mitstreiterinnen, die ebenfalls ihren Willen zum Helfen teilen, vor allem aus Bodolz, wo Ulrike Hartl wohnt, und aus der Nachbargemeinde Wasserburg, hat die engagierte Powerfrau bereits für ihre Idee begeistert. Und wenn es nach ihr ginge, dann sollen es noch viel mehr Frauen werden, die, überall in und um Lindau herum helfen und lokale Gruppen bilden. Am liebsten unentgeltlich, aber nicht zwangsläufig ohne Entlohnung. Das hänge, so findet die selbstständige Physiotherapeutin, von der erbrachten Hilfe ab. Aber eigentlich seien es oftmals nur Kleinigkeiten, die das Leben von Frauen ungemein erleichtern und die nicht im Angebotskatalog von professionellen Hilfsdiensten enthalten sind. Und außerdem, auch das weiß Ulrike Hartl aus eigener Erfahrung: „Frauen helfen lieber als dass sie um Hilfe fragen. Aber genau das müssen wir Frauen lernen.“

Es ist das erste Treffen, zu dem Ulrike Hartl unter dem Motto „gemeinsam sind wir stark und können viel erreichen“ eingeladen hat. Elf Frauen sind es, die an diesem Tag und um 17 Uhr nachmittags Zeit hatten, ins „Café live“ in der Friedrichshafener Straße zu kommen. Sie wisse sehr wohl, dass es ein Ding der Unmöglichkeit sei, einen bestimmten Tag in der Woche und eine Uhrzeit zu finden, wo alle können. Aber, so erklärt Hartl den Frauen, sie habe vor, die Treffen immer an unterschiedlichen Tagen und zu unterschiedlichen Uhrzeiten anzusetzen. Von dieser Methode erhofft sie sich, dass sich irgendwann einmal alle kennengelernt haben und voneinander wissen. Denn genau hierfür sind die elf Frauen bei diesem ersten Treffen da. Um sich kennenzulernen, um zu sagen, was sie brauchen und um zu sagen, was sie anbieten.

Während der Vorstellungsrunde wird klar, dass alle Frauen mit beiden Beinen voll im Leben stehen. Die einen mit Partner, die anderen sind entweder alleinstehend oder alleinerziehend und damit auf sich gestellt, wenn etwas ist. Gerade sie sind es, die Unvorhergesehens am härtesten trifft. Doch ungeachtet dessen und das wird ebenso ganz schnell deutlich, geht es den meisten auch schlichtweg nur ums gegenseitige Helfen, um Frauensolidarität und Wohlwollen und darum, das zurückzugeben, was man selbst einmal erhalten hat. Da ist zum Beispiel Edith Reisacher, die Tanztherapeutin ist und leidenschaftlich gerne kocht. „Ich kann im Haushalt helfen und zum Einkaufen gehen“, schlägt sie vor, während die Atemtherapeutin Sieglinde Münch sich als Fahrerin anbietet und ganz generell dazu bereit ist, überall dort einzuspringen, wo Hilfe vonnöten ist.

Da ist aber auch Elvira Flögel, die als 79-Jährige in einem Haus in Motzach wohnt, in dem lauter ältere Menschen leben, die sich sowieso schon gegenseitig helfen. Auch sie benötigt eigentlich aktuell keine Hilfe. Allerdings betrieb sie früher ein Schreib- und Übersetzungsbüro und spricht besonders gut Englisch und Französisch. Was wiederum Dagmar Heib mit Interesse hört. Sucht sie doch jemanden, der ab und zu mit ihrer zwölfjährigen Tochter französisch spricht. Sie selbst, die als Gesundheitsredakteurin weiß, dass viele gesundheitliche Probleme oftmals ganz einfach zu lösen sind, gibt anderen Frauen gerne Tipps zu Gesundheitsfragen und Ernährungsthemen. Spontan bietet sie an, einer Frau, die es sich gerade nicht leisten kann, kostenlos an einem ihrer Workshops für Frauen ab 40 in der Inselhalle teilnehmen zu lassen: „Sie soll sich einfach bei mir melden.“ Dieses Angebot wiederum animiert die Frauen, bei Café-Besitzerin Monika Hellwig einen „Kaffeetopf“ einzurichten, für Frauen, die Lust haben einen Kaffee trinken zu gehen, es sich aber nicht leisten können. Darüber hinaus sind die Angebote so vielfältig, wie es die Frauen mit ihren Berufen, Fähigkeiten und Interessen sind. Das beginnt beim Haare schneiden und geht über Schreibarbeiten erledigen und Mitfahrgelegenheiten bieten, bis hin zum einfach nur mal zuhören.

„Fährt jemand morgen zufällig rüber zum Fesslerhof und kann mir etwas mitbringen. Es ist bestellt und bezahlt“, fragt Ulrike Hartl beim Zusammenpacken in die Runde. Letztendlich sind es eben doch oft nur die kleinen Hilfen, die das Leben ungemein erleichtern.