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Frauennetzwerk

Kleine Dinge, die das Leben leichter machen

Bodolz / Lesedauer: 7 min

Trotz Corona hat sich beim Netzwerk „Frauen helfen Frauen – gemeinsam sind wir stark“ ganz viel getan
Veröffentlicht:10.03.2021, 11:30

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Vor genau einem Jahr hat sich das Netzwerk „Frauen helfen Frauen – gemeinsam sind wir stark“ gegründet. Seitdem ist viel passiert. Und das trotz der eigentlich alles lahmlegenden Corona-Pandemie.

„Wir haben jetzt ein Jahr hinter uns und es ganz viel passiert“, sagt Ulrike Hartl , die Initiatorin jenes Frauennetzwerkes, das längst schon nicht mehr nur innerhalb der Bodolzer und Wasserburger Grenzen agiert. Hatten vor genau einem Jahr knapp 30 Frauen aus den beiden Dörfern beschlossen sich gegenseitig zu unterstützen, zählt die Gruppe mittlerweile weit über 50 Frauen aus nahezu allen Gemeinden des unteren Landkreises. Frauen, die mit ihren Fähigkeiten und Möglichkeiten helfen, wo Hilfe angesagt ist. „Frauen helfen ist ein Netzwerk, aber ich würde es als moderne Nachbarschaftshilfe bezeichnen“, erklärt Ulrike Hartl und ergänzt: „Es ist halt das, was Frauen früher so über den Gartenzaun gemacht haben.“ Und das bedeutet, dass sich die Frauen vornehmlich untereinander und gegenseitig unter die Arme greifen, aber, und auch das ist eine Entwicklung, die sich mit der Zeit ergeben hat, anderen ebenso.

„Wir hatten eigentlich ein riesiges Programm vor“, erinnert sich Ulrike Hartl an den Start vor genau einem Jahr und erzählt, dass vom Bücherflohmarkt über Kleidertauschbörse und Selbstverteidigungskurs, bis hin zum Besuch des Frauenmuseums in Hittisau etliche Aktionen angedacht gewesen waren. Zudem wollten sich die Frauen natürlich auch regelmäßig treffen, um sich kennenzulernen und mehr voneinander zu erfahren. Treffs als Plattform, auf der sich auch andere Frauen-Organisationen vorstellen sollten. Oder auch die Frauen selbst, denen die Gelegenheit geboten werden sollte, sich in Kurzreferaten zu präsentieren und zu erzählen, was sie können und was sie möchten. Also, was sie den anderen Frauen bieten können und welche Art von Unterstützung sie selbst brauchen.

Doch Corona machte den Frauen mit ihren Plänen einen gehörigen Strich durch die Rechnung. Statt persönlicher Gruppentreffen gab und gibt es bis heute virtuelle Treffen auf dem Computer. Angebote und Hilfegesuche werden in einer geschlossenen WhatsApp-Gruppe gepostet, seit kurzem gibt es zudem eine geschlossene Facebookgruppe und ganz neu, wenngleich noch zur Probe, eine Homepage nur für Mitglieder.

Doch trotz Corona ist gleichzeitig auch ziemlich viel entstanden. „Wir haben viele Aktionen starten können, was nicht immer einfach war, weil eben der persönliche Kontakt fehlt“, freut sich Ulrike Hartl und berichtet über ein virtuelles „Wichteln“, bei dem jede Frau etwas anbieten konnte, was sie gerne geben wollte, etwas, wovon sie sich eben vorstellen konnte, einer anderen Frau eine Freude zu machen. „So ist ein ganz, ganz toller Klangteppich an Ideen entstanden, was die Frauen alles können. Das war phänomenal.“

Angeboten wird alles Erdenkliche, Hilfsleistungen ebenso wie Beratungen oder Gegenstände. Was auch sehr gut laufe, so berichtet Ulrike Hartl, sei jene Gefälligkeit, die die Powerfrau treffend mit „Wer fährt wohin und kann mir was mitbringen?“, beschreibt. Etwa Käse aus einer bestimmten Sennerei irgendwo im oberen Landkreis mitbringen, von jemandem, der dort in der Gegend sowieso gerade zu tun hat. Oder Öl einer speziellen Mühle holen, bei der sich die Online-Bestellung wegen der hohen Portokosten nicht lohnt. „Das funktioniert wunderbar“, versichert Hartl, die immer wieder gerne auf diese Art von Hilfe zurückgreift.

Die Frauen fungieren aber auch als „Ideengeber“. So berichtet Hartel von einer Frau, die eine Marketingsprechstunde aufgemacht hat, nachdem sie immer wieder nach Tipps und Tricks von Frauen gefragt wurde, die Instagram, Facebook, Google und Co. nutzen wollten, um ihre Produkte zu vermarkten.

Zuerst habe die Frau ihr Wissen noch kostenlos an die Frauen weiter gegeben, mittlerweile habe sie die Sprechstunde professionalisiert und verlange einen geringen Beitrag. „Was ja auch völlig okay ist. Man muss ja seine Arbeit nicht umsonst machen“, findet Ulrike Hartel, die Physiotherapeutin ist und auch von ihrer Arbeit leben muss. „Es soll ja niemand draufzahlen. Zumindest muss es null auf null raus kommen. Wenn jemand etwas von A nach B fährt, soll sie bitteschön den Sprit bezahlt bekommen. Das hat auch was mit Respekt zu tun“, betont die Powerfrau und erzählt, dass sich die Frauen in der Gruppe aber nicht nur gegenseitig, sondern auch indirekt unterstützen. Wie etwa Conni Schäle, die Mitglied der Frauengruppe ist, aber gleichzeitig maßgeblich in der Bahnhofsmission involviert und engagiert ist. „Die gibt uns eine Liste, und wir gucken, wie wir das zusammenbringen.“ Beispiel: ein Computerarbeitsplatz, den eine IT-Spezialistin der Gruppe in der Bahnhofsmission mit einem gebrauchten Laptop eingerichtet hat, damit dort Hilfesuchende ins Internet gehen, ihre E-Mails lesen oder Formulare ausfüllen können.

In Zeiten von Corona, in denen alles nur noch über Internet und nichts mehr über Präsenz läuft, sowohl eine hilfreiche Sachspende als auch ein wertvoller Dienst. „Conni sagt uns, sie braucht Schlafsäcke, Reisetaschen und Winterschuhe Größe 44, und ein paar Stunden später steht bei mir vor der Tür ein Sack mit Männerschuhen. Entweder die Conni holt es ab oder wir bringen es hin“, beschreibt Ulrike Hartl den Prozess. Weiteres Beispiel: Ulrike Hartl hat sich eine neue Küche gekauft und die Bahnhofsmission bekommt jetzt ihre alte, aber noch gute Küche. Der Ab- und Aufbau wird wiederum möglich in Zusammenarbeit mit Xomox. Die Firma habe, so weiß Ulrike Hartl, ein Sozialprojekt, bei dem Mitarbeiter vier Stunden im Jahr eine soziale Tätigkeit ausüben. „Da kommen jetzt Leute von Xomox, mit einem Auto von Xomox und holen die Küche, fahren sie zur Bahnhofsmission und bauen sie dort auf. Ist das nicht phänomenal?“ Vermittelt hat das Ganze ein Mitglied des Frauennetzwerkes, das bei der Firma arbeitet.

Oder „Frauen in Not“. Ein geplantes Treffen war im vergangenen Jahr wegen Corona nicht zustande gekommen, aber die zweite Vorsitzende, die wiederum Mitglied des Frauennetzwerkes ist, hat die Gruppe gebeten, für „untergetauchte“ Frauen einkaufen zu gehen.

Lebensmittelbeschaffung, allerdings in anderer Form, hat auch in einem Männerwohnheim in der Nobelstraße stattgefunden, in dem Corona ausgebrochen war und 25 Männer nicht vor die Tür gehen durften. Auch hier war die vermittelnde Person eine Frau aus dem Netzwerk. „Einkaufen für so viele Leute zu gehen, das konnten wir zwar nicht leisten, aber wir haben organisiert, dass Edeka Weißensberg für 25 Leute Lebensmittel bringt“, erklärt Ulrike Hartl und sagt: „Es ist schon so: Frauen helfen Frauen, aber wenn jemand darüber hinaus was braucht, dann helfen wir auch.“

Ein bemerkenswertes Phänomen ist zudem: „Hinter einer Frau stehen im Schnitt zehn weitere Personen“, wie Ulrike Hartl den nicht zu verachtenden Multiplikator beschreibt, der dergestalt funktioniert, als dass jemand etwa ein Fahrrad braucht und das in die Gruppe stellt. Eine Frau aus der Gruppe erzählt das in ihrer Familie. Die Tochter erzählt das der Freundin und die hat zufällig mitgekriegt, dass der Nachbar sein altes loswerden will.

Und das Schöne an dem Netzwerk ist nicht nur, dass sich Frauen gegenseitig helfen, sondern, dass obendrein auch Freundschaften entstehen. Wie etwa in jenem Fall, bei dem eine alleinstehende Frau ins Krankenhaus musste und nicht wusste wohin sie ihren Hund für die Zeit ihres Aufenthaltes geben sollte. Eine andere Frau aus der Gruppe bot dem Hund Asyl. Auch dann noch, als die Frau auf Reha war. Als sich danach herausstellte, dass die Frau den Hund gar nicht mehr nehmen konnte, weil sie ihre alte Mobilität nicht mehr zurückgewinnen würde, blieb der Hund bei der Gastgeberin. Die ehemalige Hundebesitzerin besuchte fortan regelmäßig ihren Hund, freundete sich mit der ganzen Familie an und hat seitdem Familienanschluss.

Und so oder anders sind es einmal mehr „die kleinen Dinge, die das Leben leichter machen“.