Mauerfall

Keine neue Mauern bauen

Zwiefalten / Lesedauer: 3 min

Gemeinsame Gedenk- und Feierstunde mit ostdeutschen Gästen in Zwiefalten
Veröffentlicht:10.11.2019, 17:14

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Ein Besuch in Zwiefalten : Was mit dem Mauerfall vor 30 Jahren erst problemlos möglich wurde, ist für die ehemaligen DDR-Bewohner aus Brünn und Ohorn bis heute etwas Besonderes – nicht wegen der Reisefreiheit, sondern aufgrund der Freundschaft, die sie mit den Zwiefaltern verbindet. Den Beweis lieferten Worte und Gesten, die bei einer Gedenk- und Feierstunde am vergangenen Wochenende ausgetauscht wurden. Gemeinsam mit den Gästen aus Thüringen und Sachsen wurde im La Tessoualler Park an den Mauerfall erinnert; heutige Auswirkungen und Herausforderungen wurden ebenso aufgezeigt. Eingeladen hatten der Geschichtsverein, die Gemeinde sowie die beiden Kirchengemeinden.

Ein Symbol der deutschen Einheit stellt in Zwiefalten das Denkmal dar, um das sich zur Gedenkstunde die Besucher im La Tessoualler Park versammelten. „Dieses Denkmal ist auch dazu da, uns Orientierung zu geben, dass wir weiter darin fortfahren und uns nicht beirren lassen, weiter auf bürgerschaftlicher Ebene zusammenzuwachsen“, meinte Hubertus-Jörg Riedlinger, Vorstand des Geschichtsvereins und Hauptinitiator.

Als ehemaliger Zwiefalter Bürgermeister ist er eine Schlüsselfigur für die Beziehungen ins thüringische Brünn und ins sächsische Ohorn . Entsprechend deutlich fiel sein Appell aus, diese Verbindungen zu stärken. Er machte zudem klar: „Noch sind wir nicht fertig“, es werde heute viel Erreichtes zerredet und es gebe Nachholbedarf bei gegenseitigen Besuchen in den neuen oder umgekehrt in den alten Bundesländern.

Passend forderte Ursula Nollau später auf: „Besuchen Sie mal den Osten, ich lade Sie herzlich ein!“ Nollau lebte mit ihrem Ehemann Christoph Nollau zu dessen Zeiten als Seelsorger und Pfarrer in Zwiefalten und entwarf in den 90er-Jahren das Denkmal. „Für mich war der Mauerfall das größte politische Ereignis in meiner Zeit“, bekundete sie. Als Erinnerung an die Demonstrationen vor dem Mauerfall verteilte sie Kerzen, welche damals als Zeichen des friedlichen Protests mitgetragen wurden.

Auch Pfarrer Bodo Dungs aus Brünn beschäftigte sich in seiner Rede mit den Demonstrationen, er sprach von Mosaiksteinen, die zusammengesetzt zum Einsturz der Mauer führten. Er brachte seine Dankbarkeit dafür zum Ausdruck, verlas die Präambel des Grundgesetzes und erinnerte an die erste Fahrt nach Zwiefalten. Mit der Partnerschaft und späteren Begegnungen setze man dem immer gefährdeteren friedlichen Zusammenleben etwas entgegen: „Wir haben nicht vor 30 Jahren die Mauer eingerissen, um heute neue zu bauen.“

Persönliche Erinnerungen und Emotionen beschrieb Dieter Schölzel aus Ohorn. Lebendige Erzählungen aus dem DDR-Alltag machten die Zeit vor der Wende greifbar. Trotz der Unzufriedenheit habe er nicht an eine Wiedervereinigung geglaubt. Es komme ihm vor „wie ein Wunder und dieses Wunder wollen wir feiern“, verkündete er.

Einen Bogen zur Weltpolitik schlug Klaus Käppeler, der stellvertretend für die Gemeinde Zwiefalten sprach. Wie damals müsse man auch heute immer wieder kämpfen gegen den Aufbau neuer Mauern, die er beispielsweise im Hinblick auf Staatschefs wie Trump oder Putin und auf Pegida befürchte. Außerdem lies er vergangene Besuche in Ohorn Revue passieren.

Feierlichen Charakter verlieh der Veranstaltung auch die musikalische Umrahmung durch Alexander Ott, insbesondere als die rund 60 Besucher zur deutschen Nationalhymne miteinstimmten. Gelegenheit zum Gedankenaustausch gab es bei weiteren Programmpunkten.