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Fastnacht

Geschichte der schwäbisch-alemannischen Fasnet

Zwiefalten / Lesedauer: 4 min

Geschichte – Theologie – und der eigentliche Sinn der Fastnacht
Veröffentlicht:18.01.2015, 17:07

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Das Haus Adolph Kolping in Zwiefalten konnte fast gar nicht alle Besucher fassen, die den Festvortrag von Professor Dr. Werner Mezger hören wollten. „Mezger stellte klar: Fastnacht hat nichts mit der Geschichte Germaniens und heidnischen Bräuchen zum Austreiben des Winters zu tun!“ Vielmehr erklärte er: „Die Prägung der Fastnacht erfolgte über das Kirchenjahr – kurz vor der Fastenzeit bestand noch einmal die Möglichkeit sich auszuleben und das wurde ausgenutzt!“

Beim Forum der Kreissparkasse Zwiefalten präsentierte der Referent ein Feuerwerk aus Wort und Bild und zeigte vom Spätmittelalter bis in die Neuzeit die Entwicklung der Fastnacht auf. In faszinierenden Bildern zeigte Dr. Werner Mezger auf der Reise in die Vergangenheit bezaubernde Masken und Larven und erklärte die Besonderheiten der jeweiligen Epoche an vielen ausgewählten Bildern. Die Fastnachtszeit in den vier Wochen vor Aschermittwoch war auch Wirtschaftsbrauch. Beim Essen und Trinken wurde auch Musik dazu gemacht, hinzu kamen Theater und eine Reihe von Spielformen. Die Kirche verhielt sich liberal; für sie war wichtig die Einhaltung der Fastenzeit.

Als älteste Figur aus der Zeit des 15. Jahrhunderts gilt die Teufelsfratze. Diese war nicht primär gemacht für Fastnacht, sondern für Prozessionen. Mit der Zeit löste der Narr die Figur des Teufels in der Fastnacht ab. Der Narr wurde dann mit Eselsohren und Narrenszepter gezeichnet, oft mit „Saubloder“ als Symbol für „Hülle ohne Inhalt“. Farben, Schellen, ein Hahnenkamm und Marotten kamen hinzu. In vielen Zeiten waren die Narren nicht nur lustig, sondern unvollkommen, oft sogar ein Krüppel.

Im 15. bis 16. Jahrhundert geschahen erste Brüche mit der Reformation. In evangelischen Gebieten wurde damals Fastnacht verboten mit der Begründung: wenn es keine Fastenzeit mehr gibt, braucht man auch keine Fastnacht. Im Barock wurde auch in Klöstern die Fastnacht sehr ernst genommen. Teilweise kamen italienische Elemente hinzu wie Masken, Larven und „Carneval“. Fastnacht wurde nicht immer verstanden und kam dadurch durch Aufklärung und Reformen unter Druck. Ende des 18. Jahrhunderts wurden alte Bräuche verboten. In Baden und Württemberg wurden übereinstimmend 1809 die Narrenzünfte und Narrengerichte verboten. Doch die Narren hielten sich nicht immer daran. In der Zeit der Romantik lebten die Bräuche wieder auf. 1824 war die Geburtsstunde des Kölner Karnevals und auch im südwestdeutschen Raum wurde vorübergehend nach karnevalesken Regeln gefeiert. Doch zum Ende des 19. Jahrhunderts folgte die Abwendung im Südwesten zur alten traditionellen Fasnet .

Das Oberamt Münsingen verbot mit Erlass vom 8. Februar 1928 einen Umzug und Fastnachtstreiben als „mit der Not der Landwirtschaft und den bevorstehenden Kundgebungen in der Landwirtschaft unvereinbar“. Nachweislich eines vorliegenden Plakates wurde jedoch in Zwiefalten trotzdem ein Umzug und Fastnachtstreiben abgehalten. 25 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg kam es zu einem Aufschwung in der Fastnachtsbewegung mit einer phantastischen Vielfalt. Fastnacht hat heute unzählig viele Gesichter und wurde mit neueren Figuren weiterentwickelt.

Jochen Fundel, Zunftmeister der Zwiefalter Narrenzunft bedankte sich herzlich bei Professor Dr. Werner Mezger für die umfangreichen Erklärungen zur Geschichte der schwäbisch-alemannischen Fastnacht. Unter anhaltendem Applaus der Besucher überreichte er einen Geschenkkorb mit regionalen Produkten. Für das Freundschaftstreffen „250 Jahre Fasnet in Zwiefalten“ sprach er eine herzlich Einladung an die Bevölkerung im ganzen Südwesten aus. Zum großen Narrensprung am Sonntag, 1. Februar, werden über 6000 Narren erwartet. Die Liveübertragung des SWR wird in bewährter Weise Professor Dr. Mezger leiten. Im Anschluss an die Forumsveranstaltung lud die Kreissparkasse zu Besucher zu einem Umtrunk ein, der mit vielen Gesprächen noch einige Stunden andauerte.

Auf einen Blick:

Professor Dr. Werner Mezger und die Fastnacht

Der Referent ist bekannt durch zahlreiche Buchveröffentlichungen, Rundfunk- und Fernsehsendungen. Dr. Mezger ist Professor für europäische Ethnologie an der Universität Freiburg und Direktor des Freiburger Instituts für Volkskunde der Deutschen des östlichen Europa. Er zählt zu den international führenden Experten auf dem Gebiet der Brauch- und Festforschung in Europa. Für seine wissenschaftlichen Arbeiten und sein Medienschaffen wurde er vielfach ausgezeichnet. (th)

Programm zum Freundschaftstreffen „250 Jahre Fasnet in Zwiefalten“:

Samstag, 31. Januar 2015

15 Uhr: Eröffnung der Ausstellung „250 Blicke auf 250 Jahre“ mit befreundeten Narrenzünften im La Tessoualler Park.

Stellen des Narrenbaums, anschließend närrisches Treiben im Ortskern Zwiefalten

18 Uhr: Narrenmesse im Münster Zwiefalten

19 Uhr: Kleiner Umzug zur Rentalhalle, Sektempfang und Abendessen

20 Uhr: Jubiläumsball mit anschließendem Tanz in der Rentalhalle

20 Uhr: Zwiefalter Klosterbräu-Partynacht im großen Festzelt bei der Rentalhalle