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Totholz

Das ist ein Alpenbock – aber eigentlich müsste der seltene Käfer Albbock heißen

Zwiefalten / Lesedauer: 3 min

Besorgte Laien verwechseln ihn immer mit dem asiatischen Laubholzbock – Der ist ein gefürchteter Holzschädling
Veröffentlicht:03.08.2020, 12:00

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Isabel Möhrle, Kreisfachberaterin für Obst- und Gartenbau, ist kürzlich auf Streuobstwiesen im Landkreis Reutlingen unterwegs gewesen. Dabei entdeckte sie in einem älteren Streuobstbestand in der Nähe Pfullingens zwischen liegendem und stehendem Totholz einen blau schimmernden Käfer.

„Erst beim zweiten Blick war ich mir sicher, dass es sich um einen Alpenbock handelt, und ich machte einen innerlichen Freudensprung. Ich hatte davor noch nie einen Alpenbock in freier Natur zu Gesicht bekommen. Dass ich ihn auf einer Streuobstwiese entdeckt habe, freut mich in besonderer Weise“, so Isabel Möhrle laut einer Pressemitteilung des Landratsamtes.

Dass sie den Alpenbock in Pfullingen entdecken und fotografieren konnte, ist auf eine lange Tradition in den Wäldern im Kreis Reutlingen zurückzuführen. Die naturräumliche Ausstattung mit Felsen und trockenen Bereichen am Albtrauf mit hohen Totholzanteilen bietet dem Alpenbock seinen Lebensraum.

„Vermutlich ist der Alpenbock eine eiszeitliche Relikt-Art, die unter anderem an den besonnten Felsen am Albtrauf im Kreis Reutlingen überlebt und von dort aus die Alpen wiederbesiedelt hat. In den Wäldern am Albtrauf boten sich für ihn über Jahrtausende hinweg günstige Lebensbedingungen“, erklärt Kreisforstamtsleiter Matthias Kiess.

Das Augenmerk der Förster liegt seit Jahrzehnten auf der Erhaltung dieser imposanten blau-schwarzen Käferart. Dabei wurde vor allem darauf geachtet, dass in besonnten Lagen im Bereich von Bad Urach bis Pfullingen und Reutlingen genügend Totholz im Wald verbleibt. In den Bannwäldern um Urach, die bereits vor dem Ersten Weltkrieg ausgewiesen wurden, und den extensiv bewirtschafteten Flächen bei den Felsen hatte der Alpenbock auch in Zeiten intensiverer Waldbewirtschaftung einen sicheren Lebensraum.

In den ehemaligen Forstämtern Bad Urach und Reutlingen wurden bereits seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts Maßnahmen für den Alpenbock ergriffen. So wurde bereits in den 1960er Jahren beispielsweise im Bereich des Runden Berges Alt- und Totholz gezielt für den Alpenbock im Wald belassen.

Dem Forstamt des Landkreises Reutlingen ist der Erhalt von Lebensstätten des Alpenbocks ein Anliegen. Ein umfangreiches Angebot an Totholz bietet dem besonderen Käfer zahlreiche Brutplätze. Die Ausweisung der Kernzonen im „Biosphärengebiet Schwäbische Alb“, Alt- und Totholzkonzepte im öffentlichen Wald sowie gezielte Fördermaßnahmen zeigen Wirkung.

Bei einer Kartierung der Alpenbock-Lebensstätten ließ sich 2013 ein zusammenhängendes Verbreitungsgebiet am Albtrauf im Kreis Reutlingen nachweisen. Der Kreis hat im Rahmen des „111-Arten-Korbs“ der Landesanstalt für Umwelt besondere Verantwortung für den Alpenbock übernommen. In dem Korb finden sich 111 Arten, die besonders auf naturschützerische Hilfe angewiesen sind und schwerpunktmäßig in Baden-Württemberg vorkommen. Durch die Aufnahme in den Anhang II und IV der Fauna-Flora-Habitat(FFH)-Richtlinie der EU unterliegt er dem besonders strengen europäischen Schutzregime. Im Anhang II der FFH-Richtlinie sind Tier- und Pflanzenarten aufgelistet, für die Schutzgebiete im „Natura-2000“-Netz eingerichtet werden müssen. Anhang IV ist eine Liste von Tier- und Pflanzenarten, die unter dem besonderen Rechtsschutz der EU stehen, weil sie selten und schützenswert sind.

Gelegentlich erreichen das Kreisforstamt Reutlingen Anzeigen besorgter Bürger, der asiatische Laubholzbock habe den Kreis Reutlingen erreicht. Dieser neu einwandernde, gefürchtete Holzschädling unterliegt besonderen Quarantänevorschriften der EU. Die eingereichten Fotos zeigten in der Vergangenheit allerdings immer eindeutig den Alpenbock. Laien verwechseln ihn leicht mit dem asiatischen Laubholzbock.