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Galvanikanlage

900-Meter-Abstand um Galvanikanlage der Bundeswehr ist eine Vorsichtsmaßnahme

Ummendorf / Lesedauer: 5 min

Fragen und Antworten aus der Einwohnerversammlung in Ummendorf – 300 Meter würden auch ausreichen, meint der Feuerwehrkommandant
Veröffentlicht:01.10.2018, 19:30

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Rund 150 Bürger haben sich in einer Einwohnerversammlung über die Galvanikanlage des Instandsetzungszentrums 12 der Luftwaffe in Ummendorf informiert. Die Gemeinde bot das Forum; für den Betreiber gaben der Kommandeur des Standorts, Oberstleutnant Michael Friedlein, sowie drei Vertreter des Kompetenzzentrums Baumanagement Auskunft: Michael Bublat leitet diesen Bereich des Bundesamts für Infrastruktur, Umweltschutz und Infrastruktur der Bundeswehr; Holger Götz ist dort in der Bauplanung tätig und Reinhold Magerl in der öffentlichen-rechtlichen Aufsicht, vergleichbar mit der Gewerbeaufsicht.

Wie sicher ist die Anlage?

Bereits heute sehr sicher, betonten die Referenten, sie entspreche allen Vorschriften. Im laufenden Betrieb gebe es so gut wie keinen Ausstoß von Luftschadstoffen, belegt durch Messungen an Schornsteinen und Abluftanlagen. Auch andere Emissionen würden durch die öffentlich-rechtliche Aufsicht oder das Regierungspräsidium regelmäßig überwacht – ohne Beanstandungen. Beschwerden über Lärm seien nicht bekannt. Friedlein berichtete von Zugangskontrollen, einer Teileinheit Anlagensicherheit und 24-Stunden-Einsatzbereitschaft, obwohl die Galvanik nur unter der Woche von 6.30 bis 17 Uhr und freitags bis 14 Uhr in Betrieb sei. Eine Abriegelung zur Kanalisation diene dem Schutz des Grundwassers. Mit örtlichen Einsatzkräften wie dem Chemiezug von Boehringer Ingelheim und der Ummendorfer Feuerwehr werde regelmäßig geübt. Ein Bürger fragte, ob die Anlage der „besten verfügbaren Technik“ entspreche; das könne er nicht beantworten, sagte Magerl , da zu diesem rechtlich definierten Begriff „die Schlussfolgerungen fehlen“.

Warum ist, wenn die Anlage sicher ist, trotzdem ein Achtungsabstand von 900 Metern für Neubaugebiete nötig?

Es gibt ein „minimales“ Restrisiko im Störfall. Das Problem seien weniger Chemieunfälle mit dem Austritt giftiger Gase: Dies sei selten, Barrieren unter jedem galvanischen Bad minimierten die Wahrscheinlichkeit unerwünschter Reaktionen und die eingesetzten Mengen erforderten keinen so großen Abstand. Den Ausschlag für die 900 Meter gebe, dass im Fall eines Feuers die Wannen und Kabelisolierungen aus Polypropylen und PVC giftige Verbrennungsprodukte freisetzen. Die Wannen müssen aus Materialien sein, die keine Elektrizität leiten und den chemischen Lösungen in den galvanischen Bädern standhalten.

Wer legt den 900-Meter-Radius fest?

Für die Gemeinde ist der Abstand eminent wichtig, denn er schränkt ihre Baulandentwicklung erheblich ein – gerade am südöstlichen Ortsrand, der unter städtebaulichen Gesichtspunkten favorisiert würde. Die Zahl stammt aus einem Gutachten, das 2013 im Hinblick auf konkrete Planungen für ein Wohngebiet Schleifweg II erstellt wurde – streng genommen gilt es nur für dieses. Die Expertise ließ die Bundeswehr fürs Regierungspräsidium erstellen. Dieser Behörde und den Verantwortlichen für die Bauleitplanung „obliegt die Bewertung des empfohlenen Achtungsabstands“, sagte Bublat: „Wir erheben keine Forderungen, wir erfüllen nur Vorgaben.“ Verschiedene Äußerungen lassen darauf schließen, dass es Ermessensspielräume in der Auslegung der Richtlinien und ihrer Anwendung auf den Einzelfall gibt. „Die Gemeinde oder wer auch immer könnte ein eigenes Gutachten in Auftrag geben“, sagte Bublat. Der Ummendorfer Feuerwehrkommandant Simon Legnaro sagte, die Auswirkungen seien immer wind- und wetterabhängig, aber „300 Meter würden meines Erachtens ausreichen“. Bürgermeister Klaus Bernd Reichert ließ erkennen, dass die richtige Zeit für ein neues Gutachten der Abschluss der Brandschutzertüchtigung sei.

Warum verzögert sich der Einbau einer Sprinkleranlage?

Obwohl jetzt schon sicher, will die Bundeswehr die Anlage aus eigenem Antrieb brandschutztechnisch weiter aufrüsten. Eigentlich sollte das schon 2017 passieren; der Gemeinderat Simon Özkeles äußerte großen Ärger über die Verzögerung. Götz und Bublat begründeten diese mit dem Umschwenken von draußen stationierten Wasserkanonen auf eine Sprinkleranlage im Gebäudeinnern. Sie verwiesen jedoch auf den Qualitätsgewinn (weniger Löschwasser, Schadstoffe werden an Ort und Stelle gebunden) und Bublat warb sinngemäß: Lieber etwas später den besten Brandschutz als sofort die zweitbeste Lösung. Wegen der höheren Investitionskosten für den Sprinkler sei zudem eine zeitraubende Freigabe durchs Finanzministerium nötig. Den Fertigstellungstermin März 2021 mochte er nicht garantieren, „aber sobald das Geld da ist, können wir starten“. Ob die neue Löschanlage den 900-Meter-Radius verringert, ist offen: „Das kann nur ein neues Gutachten zeigen“, wiederholte Magerl.

Warum gilt der Radius nur für Neubaugebiete, nicht für bestehende Wohnhäuser?

Mehrere Bürger äußerten blankes Unverständnis. Denn mehr als die Hälfte des Orts liegt innerhalb dieses Radius und für die Bewohner dort gilt das Risiko als vertretbar – selbst fürs Wohngebiet Schleifweg in direkter Nachbarschaft der Kaserne, aber für Schleifweg II dann plötzlich nicht mehr. Und auch nach dem Gutachten wurden Einzelvorhaben wie die Seniorenwohnanlage genehmigt. Diese liege deutlich näher an der Galvanikanlage als der Wettenberger Weg, wo kein Neubaugebiet möglich sein solle, sagte der Rat und Landtagsabgeordnete Thomas Dörflinger (CDU): „Da komme ich von der Logik her nicht mit.“ Bublat erklärte dies mit ständig steigenden Sicherheitsvorschriften; auch neu zugelassene Autos müssten schärfere Standards erfüllen, die alten dürften trotzdem weiterhin fahren. Die reale Gefahr habe sich nicht verändert, die Galvanikanlage sei nicht erweitert worden. Die Bundeswehr könne nichts dafür, wenn der Gesetzgeber heute ein Mehr an Prävention und Vorsicht verlange.

Warum gilt für andere Betriebe kein so großer Achtungsabstand?

Es gibt in Deutschland Galvanikanlagen, die 70 Meter von Wohngebieten entfernt sind, und viele Industriebetriebe, die Chemikalien, PVC und Kunststoffe einsetzen. Für die rechtliche Beurteilung ist laut Magerl jedoch wichtig, ob ein Betrieb der Störfallverordnung unterliegt; da gelten mengenmäßige Schwellenwerte. Die Bundeswehr ist zwar davon ausgenommen, wendet die Störfallverordnung aber inhaltlich voll an. Die Verordnung erlegt dem Betreiber Maßnahmen auf, um Störfälle zu vermeiden oder, wenn sie doch vorkommen, die Auswirkungen zu minimieren.

Wie wird die Bevölkerung im Störfall gewarnt?

Dies obliege der örtlichen Einsatzleitung. Die Bewohner könnten mit Lautsprecherdurchsagen aufgefordert werden, Fenster und Türen zu schließen; bei schlimmeren Vorfällen seien Evakuierungen denkbar. Selbst bei Bränden bestehe aber für die Anwohner meist keine Gefahr, hieß es unter Verweis auf das Beispiel Iserlohn, wo eine Woche zuvor eine Galvanikanlage brannte.

Kommen andere, schonendere galvanische Verfahren in Betracht?

Nein, sagt die Bundeswehr. Verfahren mit nur einem chemischen Bad mögen für den Alltagseinsatz taugen, für die Luftfahrt gälten jedoch allerhöchste Ansprüche.