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Wallfahrtskirche

„Von der Pfarrkirche zur Wallfahrtskirche und zurück“

Sießen im Wald / Lesedauer: 6 min

200 Jahre Kirchengemeinde Sießen: Rückblick auf eine wechselvolle Geschichte
Veröffentlicht:08.11.2018, 16:33

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Neben der nun abgeschlossenen Innenrenovierung und auch in Teilen Neugestaltung sowie der Weihe des neuen Altares in der Wallfahrtskirche St. Maria Magdalena Sießen gibt es in diesem Jahr in der Kirchengemeinde noch ein weiteres bedeutendes Jubiläum zu feiern, das in Anbetracht der seltenen Ereignisse fast in den Hintergrund gedrängt wurde. Die Kirchengemeinde kann auf 200 Jahre interessante Geschichte zurückblicken.

„Von der Pfarrkirche zur Wallfahrtskirche und zurück“ überschrieb der stellvertretende Kirchengemeinderatsvorsitzende Anton Thanner seinen Vortrag über dieses Thema vor interessierten Gästen im Katholischen Gemeindehaus in Sießen.

Im Jahre 1353 wird eine Kirche in Sießen bereits zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Sie mag also durchaus schon eine Weile gestanden haben – Sießen selbst gab es schon über 300 Jahre vorher, mindestens seit dem Jahr 1028. Während Sießen 1353 noch Pfarrei war – es standen immerhin fünf Wohnhäuser dort – ist im 15. und 16. Jahrhundert die Kirche als Marienwallfahrtsort bekannt. Anlass dafür war die in der Umgebung grassierende Pest. Ein sogenannter „Waldbruder“ betreute die Kirche und lebte von den Almosen aus umliegenden Ortschaften und der Wallfahrer. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts war die Kirche verfallen. Der damalige Stadthauptmann von Salzburg, ein gebürtiger Dietenheimer, gründete 1617 eine Stiftung für den Neubau.

Es dauerte aber über 90 Jahre, bis der Konstanzer Weihbischof von Sirgenstein die Einweihung der Barockkirche vornehmen konnte. Grund dafür war sicherlich der Dreißigjährige Krieg (1618–1648) mit seinen Folgen. In den am härtesten betroffenen Gebieten, wozu auch die hiesige Gegend gehörte, überlebte nur rund ein Drittel der Bevölkerung. Weihungszell soll im „Dreißigjährigen Krieg“ sogar vollkommen entvölkert worden sein. Der Ort wurde dann hauptsächlich von Einwanderern, etwa aus Tirol und Kärnten, wieder besiedelt. Dies geschah üblicherweise auf Initiative der Landesherren, die, ähnlich wie bei uns in den 60-er und 70-er Jahren, Gastarbeiter anwarben. So gesehen, sind zumindest die alteingesessenen Weihungszeller auch Kinder von Gastarbeitern.

Im Jahr der Einweihung – 1709 – ließ sich auch der erste namentlich bekannte Wallfahrtsgeistliche in Sießen nieder, der ehemalige Pfarrer von Achstetten, Anton Gedeon Reheis. Dass die Sießener Einsamkeit nicht ungefährlich war, zeigt der Tod dieses Priesters. Er starb 1725 an den Folgen eines räuberischen Überfalls. Weitere 14 Wallfahrtsgeistliche folgten, die seit einer Stiftung von 1760 nicht nur für die Gottesdienste sorgten, sondern auch die „Christenlehre“ hielten, die zu jener Zeit für die Menschen vielfach die einzige Bildungseinrichtung war.

Gründung durch den Zusammenschluss im Jahr 1818

Eine große Veränderung gab es im Jahre 1818, also genau vor 200 Jahren: Hörenhausen, Jetzhöfe und Weihungszell wurden von der Mutterpfarrei Dietenheim, Grubach von der Pfarrei Rot getrennt und der neuen Pfarrei Sießen zugeteilt. Infolge des durch die Aufklärung geprägten Zeitgeistes wurde an die Selbständigkeit eine Bedingung geknüpft: Die letzten Reste der Wallfahrt mussten beseitigt werden.

Die Aufklärer hatten wenig Verständnis für volksfrommes Brauchtum, wozu die Wallfahrten gehörten. Von daher ist auch die Tatsache zu verstehen, dass die Sießener Muttergottes, das Ziel der Wallfahrer also, ihren Platz am Hochaltar verlor. Stattdessen sollte sie in eine Nische gestellt werden, die für die ganze Statue aber zu klein war. So sägte man sie kurzerhand unter der Brust einfach ab. Aus der Wallfahrtskirche war also wieder eine Pfarrkirche geworden. Elf Pfarrer wirkten von 1818 bis 1905 in Sießen. Erwähnenswert ist, dass 1890 durch einen heftigen Sturm der obere Teil des Turmes abgehoben und in die nahen Kornfelder geschleudert wurde. 1905 tritt dann ein Pfarrer seine Stelle in Sießen an, dessen Namen vermutlich die meisten kennen: Pfarrer Josef Kley . Ihm ist der Kirchenneu- beziehungsweise -anbau zu verdanken.

Um die alte Kirche weitgehend zu erhalten, ließ man Turm und Schiff stehen und benützte den Teil als Chor der neuen Kirche. Man kehrte also die Kirche gleichsam um und baute gegen Osten ein größeres Quer- und ein Langschiff an. Pfarrer Kley ist als einer der Apostel beim Abendmahl an der Decke der Kirche verewigt.

Auch bei diesem Kirchenbau stand vermutlich wieder ein Krieg der raschen Einweihung im Wege. Erst nach dem Ersten Weltkrieg, im Jahr 1920, weihte der bekannte Rottenburger Weihbischof Johannes Baptista Sproll die Kirche ein. Nachfolger von Pfarrer Kley war Pfarrer Franz Krämer, der Pfarrer mit der längsten Amtszeit. Von 1924 bis 1968, also 44 Jahre lang, „prägte“ er das Gemeindeleben. Er war entschiedener Gegner der Nazi-Diktatur. Andererseits hielt er von innerkirchlicher Demokratie nicht viel, sodass sich die Auswirkungen des 2. Vatikanischen Konzils in Sießen während seiner Amtszeit in Grenzen hielten.

So kam der seit dem Konzil eigentlich obligatorische Volksaltar erst unter Pfarrer Frank: von 1968 bis 1970. So richtig Einzug hielt das Konzil in die Kirchengemeinde mit Pater Anton Lipp (1970–1972). Es gab hitzige Diskussionen.

Ruhiger wurde es mit Pfarrer Josef Reutlinger von 1973 bis 1978. Aber auch er wusste um die zunehmende Verantwortung der Laien und ließ innerhalb der Messe den Wortgottesdienst von einem Laien gestalten. Der zunehmende Priestermangel bescherte der Sießener Pfarrei einen Spanier als Pfarrer: Pfarrer Lorenzo. 1981 kam mit Pfarrer Heinz Baier frischer Wind in die Gemeinde. Er hat viele Dinge angestoßen, die heute noch bestehen, zum Beispiel den Frauenkreis. Gleichzeitig musste Sießen den Pfarrer mit Orsenhausen und Bußmannshausen im Pfarrverbund teilen. In Pfarrer Baiers Amtszeit fällt auch die erste Innenrenovierung der Pfarrkirche, abgeschlossen 1983.

„Unserer lieben Frau von Sießen“ kehrt zurück

Im gleichen Jahr hielten die ersten professionellen Laien Einzug in die Kirchengemeinde: Die Gemeindereferenten Elfi und Thomas Weiß, die sich in ihren Aufgaben abwechselten und ohne die das Kirchengemeindeleben schwer vorstellbar ist. Die nichtprofessionellen Laien traten ab 1984 auch im Gottesdienst in Erscheinung als Eucharistiehelfer und Lektoren. Seit 1986 gibt es Wort-Gottes-Feiern unter der Leitung von Laien. Nach Pfarrer Baier war von 1996 bis 1998 Pfarrer Fliege im Amt. Nach einer kurzen Vakanz kam der jetzige Pfarrer Martin Ziellenbach in die Kirchengemeinde.

2000/2001 fand die nächste größere strukturelle Veränderung statt: Die Zusammenfassung von sechs Gemeinden zur Seelsorgeeinheit Schwendi. Leitender Pfarrer bis 2005 war Pfarrer Karl Zink, danach Pfarrer Ziellenbach, der ab 2009 von Pfarrer Jens Uwe Schwab unterstützt wurde. Nach dem Weggang von Pfarrer Schwab arbeitet die Pastoralreferentin Claudia Holm im Pastoralteam mit. Seit 2005 wird eine alte Tradition wieder fortgeführt: Auf Initiative von Hilde Arzt wurde die Sießener Wallfahrt zu „Unserer lieben Frau von Sießen“ wieder eingeführt und seither von Gemeindereferentin Elfi Weiß größtenteils gestaltet und durchgeführt.