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„Unmittelbar und unverfälscht“

Riedlingen / Lesedauer: 4 min

Kunstfahrt zu den Künstlern der „Brücke“ – Barbara Honecker führt Kunstkreis-Mitglieder ein
Veröffentlicht:02.12.2018, 14:58

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Die Maler der Künstlergruppe „Die Brücke“ haben im Mittelpunkt des Vortrags von Kunsthistorikerin Barbara Honecker am Donnerstagabend im Kaplaneihaus gestanden. In Zusammenarbeit mit der Volkshochschule Donau-Bussen hat der Kunstkreis 84 Riedlingen die Veranstaltung organisiert. Sie bildete auch die Ein- und Hinführung zur Kunstausfahrt nach Baden-Baden am Samstag; dort ist im Museum Frieder Burda der Künstlergruppe eine Ausstellung gewidmet. Diese beschäftigt sich mit den Jahren der „Brücke“ von 1905 bis 1914. Und Barbara Honecker machte Lust zum Besuch dort mit den Worten: „Das sind die schönsten Jahre.“

Sehr beliebt sind die Referate von Barbara Honecker aus Kirchheim/Teck in Riedlingen. Ihre Art, sich in die Kunst und die Künstler einzuleben, beides ihren Zuhörern mit Verve und Gefühl, mit umfassendem Wissen und Humor nahezubringen, war zum wiederholten Male in Riedlingen ein Erfolg. Kurzweilig und interessant füllte sie die 90 Minuten. Sie erzählte und schilderte, machte auf Kleinigkeiten aufmerksam, wies auf den Lebensstil der Künstler und ihrer diversen Partnerinnen und Modelle hin. Das unkonventionelle Wohnen – sehr gewöhnungsbedürftig zu Beginn des 20. Jahrhunderts – zeigte sie an Fotos, fand die Details auf den dazu passenden Gemälden wieder, konnte die Stimmung der Zeit einfangen.

Barbara Honecker beginnt ihre Ausführungen mit den Vorläufern der „Brücke“-Maler, dem für die Gruppe wichtigen Vincent van Gogh, aber auch Max Liebermann, Franz von Stuck oder Franz von Lenbach: „Das war die herrschende Malkunst.“

Mit Ernst Ludwig Kirchner (1880 bis 1938) und seiner Vita steigt Barbara Honecker in das eigentliche Thema ein. Von der Architektur kommend, wurde er freier Künstler. Erich Heckel (1883 bis 1970), Karl Schmidt-Rottluff (1884 bis 1976) und – für kurze Zeit auch – Fritz Bleyl (1880 bis 1966) kamen hinzu, später wenige weitere Maler wie Max Pechstein oder Emil Nolde. „Und 1905 haben die vier die ,Brücke’ gegründet“, so Honecker. Auf dieses Jahr datiert die Kunstgeschichte inzwischen den Beginn des deutschen Expressionismus. „Jeder gehört zu uns, der unmittelbar und unverfälscht das wiedergibt, was ihn zum Schaffen drängt“, zitiert Barbara Honecker das Programm der „Brücke“-Maler.

Ablehnung des Akademischen

„Die Brücke“ als Synonym für einen „Aufbruch zu Neuem“ oder einfach als die zu überquerende Brücke von Dresdens Alt- in die Neustadt? In Dresden waren die Mitglieder eine „geschlossene Gruppe“. Als eines ihrer frühen Merkmale nennt Honecker ihre Ablehnung der akademischen Ausbildung, die Betonung von einer unverfälschten Unverbrauchtheit – und die damals entstandenen Holzschnitte.

Holzschnitte enthielten die einmal pro Jahr zwischen 1906 und 1912 herausgegebenen Künstlermappen in geringer Auflage. Die standen den passiven Mitgliedern der „Brücke“ zu, als Anerkennung für ihren Jahresbeitrag. Von dem bestritten die aktiven Mitglieder ihre Existenz als noch „unbekannte Jungspunde“, so Honecker. Die vier eigentlichen Gründungskünstler arbeiteten und lebten zusammen, weiß Honecker anschaulich zu berichten, zuerst in Dresden. Dort hatten sie eine ehemalige Fabrikhalle gemietet: Das Modell saß, stand, lag in der Mitte und in jeder Ecke arbeitete einer der vier Maler. Aber: „Es dauerte fünf Jahre, bis sie ihren eigenen Stil gefunden haben.“

Bei den ausgeführten Themen habe der Tanz eine wichtige Rolle gespielt und eine „andere Auffassung des Frauenkörpers“. Malen sollte zu einem Ausdruck von Empfindungen werden. Auch die Sommeraufenthalte an den Moritzburger Seen mit dem Leben in aller Natürlichkeit gehörten in diese Zeit – ehe die Gruppe 1911 nach Berlin zog.

Ab 1912, so Honecker, habe sich das Ende der Vereinigung bemerkbar gemacht. Und 1913 habe Kirchner „Die Brücke“ eigenmächtig aufgelöst. Jedes Mitglied hatte seinen Weg gefunden, der Erfolg sich eingestellt: Sie brauchten die Gruppe nicht mehr. Ihre Karrieren hätten sich etabliert, aber „ohne das Revoluzzerhafte, ohne das Bissige“ der ersten Jahre, sagt die Kunsthistorikerin schmunzelnd – und endet mit der Fotografie des „Brücke“-Museums in Berlin. „Seien Sie gespannt“, stimmt sie auf die Ausstellungsfahrt nach Baden-Baden ein.