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Terroranschlag

Terroranschlag in Tunesien: Riedlinger hat 18 Jahre in Sousse gelebt

Riedlingen / Lesedauer: 4 min

Terroranschlag in Tunesien: Riedlinger hat 18 Jahre in Sousse gelebt
Veröffentlicht:06.07.2015, 13:14

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Bestürzt, betroffen und beschämt fühlt sich Mourad Ouertani, ein Tunesier, der seit 2011 mit seiner deutschen Frau Evi und seinen zwei Kindern in Riedlingen lebt. Seine Kontakte zu seiner nordafrikanischen Heimat sind nach wie vor intensiv. Der Anschlag in Sousse vor einer Woche hat Mourad Ouertani tief getroffen.

„Ich habe davon bei der Arbeit erfahren, ein Kollege hat mir erzählt, dass etwas Schreckliches in Tunesien passiert ist.“ Den ganzen Nachmittag konnte er nicht mehr konzentriert arbeiten. Nach Feierabend hat er im Internet die Nachrichten des tunesischen Fernsehens verfolgt. „Dann habe ich mitbekommen, dass ich das Hotel gut kenne. Wir haben letztes Jahr dort unseren Sommerurlaub verbracht“, erzählt Ouertani. Er kenne viele Menschen, die dort arbeiten und so hilflos waren, als sie den Mann wahrgenommen haben, der wahllos in die Menge geschossen hat. Die Sicherheitskräfte des Hotels seien nicht bewaffnet gewesen und hätten nichts ausrichten können. „Es hat fast 30 Minuten gedauert bis die Polizei vor Ort war.“

18 Jahre lang hat die Familie Ouertani in Sousse gelebt. Die beiden Kinder Jakob (13 Jahre) und Selma (12 Jahre) sind dort geboren. Kennengelernt hat Ouertani seine deutsche Frau in Tunesien, als sie vor über 20 Jahren dort Urlaub gemacht hat. Schnell war den Beiden klar, dass es eine dauerhafte Beziehung sein sollte. Und so hat das Paar beschlossen, Tunesien als Lebensmittelpunkt zu wählen.

Mourad Ouertani hat sofort am Goethe-Institut Deutsch gelernt. Seine Frau kann arabisch lesen, verstehen und sprechen. Der Tunesier arbeitete in der Tourismus-Branche, denn in Sousse gibt es zahlreiche Hotels und viele Touristen. Er war Reiseleiter bei Tui, seit 2007 als Gebietsleiter, und er weiß, dass Tunesien auf den Tourismus als wichtige Einnahmequelle angewiesen ist. Es sei ein schönes und vielseitiges Land, das nicht „kaputt gehen“ sollte durch schreckliche Anschläge mit terroristischem Hintergrund. Ouertani fühlt sich erinnert an den Anschlag auf die Synagoge in Djerba im Jahr 2003, wo er insofern direkt betroffen war, als dass viele der Verletzten im Krankenhaus in Sousse untergebracht waren und von ihm als Reiseleiter betreut wurden.

Dass die Familie jetzt in Riedlingen lebt – und sich dort richtig wohl fühlt – hängt damit zusammen, dass seine Frau Evi nach 18 Jahren Heimweh nach Deutschland bekommen hat. Für die Kinder sei es wichtig gewesen, „rechtzeitig“ umzuziehen, auch was die schulische Weiterbildung betrifft. In Tunesien fand der Unterricht auf Arabisch statt, und in den tunesischen Grundschulen lernt man auch Französisch. Im Internet hat die Familie ein nettes Haus in Riedlingen entdeckt. Außerdem entsprach die Stadt ihren Vorstellungen: ländlicher Raum, Evi Brendles Heimatort ist in einer knappen Stunde Fahrtzeit zu erreichen, ebenso wie viele Schulen und Vereine.

Die Familie hat sich gut eingelebt in Riedlingen, der Freundeskreis ist groß und die Kinder besuchen beide das Gymnasium. Sonntags ist beim Papa „Arabischkurs“ angesagt. „Ich spreche mit den Kindern überwiegend arabisch, aber sie müssen es auch schreiben und lesen können“, erklärt er. Mourad Ouertani betreut in seiner Freizeit die D-Jugend der Fußballerinnen, in der seine Tochter Selma mitmacht. Der 13-jährige Jakob spielt Handball in Uttenweiler.

In den Sommerferien geht es nach Tunesien, wo zunächst die Großeltern und Verwandten besucht werden, die in der Nähe der Hauptstadt Tunis wohnen. In Sousse leben viele Freunde und Bekannte der Familie und die Ouertanis freuen sich sehr darauf, sie wiederzusehen. Sie wohnen dann im Hotel, ganz in der Nähe des Ortes (Port El Kantaoui), wo der 22-jährige Tunesier am Freitag vor einer Woche 38 Touristen ermordet hat. „Ich finde das so schrecklich, dass unschuldige Menschen, die sich auf einen unbeschwerten Urlaub gefreut hatten, auf eine so barbarische Art und Weise getötet worden sind.“