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Gesprächsabend

Friedvolles Leben will geübt sein

Riedlingen / Lesedauer: 5 min

Mehr als 50 Interessierte besuchten den Gesprächsabend zum Thema Islam
Veröffentlicht:04.02.2018, 16:26

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Herausforderung Islam war der Gesprächsabend der Katholischen Erwachsenenbildung Dekanate Biberach und Saulgau (KEB) überschrieben, zu der sie am Donnerstagabend nach Riedlingen eingeladen hatte. Der Referent Dr. Franz Brendle, unter anderem Lehrbeauftragter an der Universität Stuttgart für Theologie als Wissenschaft und Präsident der deutschen Abteilung der internationalen Organisation von „Religions for Peace“, fügte in seinem einführenden Referat ein Fragezeichen hinzu. KEB-Leiter Wolfgang Preiss-John zeigte sich von der großen Resonanz überrascht. Mehr als 50 Interessierte waren gekommen, darunter eine große Anzahl von Menschen, die in der Flüchtlingsarbeit engagiert sind.

Der Islam sei eine Herausforderung geworden, doch gelte es zu differenzieren, sagte Brendle und zwar die politische mit dem kriegerischen Anspruch des ISIS, einen eigenen Staat zu bilden, eine persönliche, verbunden mit Ängsten vor allem nach dem 11. September 2001, um die Einbürgerung, Diskussionen um das Tragen eines Kopftuches bei der Berufsausübung. Positiv belegt sei die Herausforderung beim Betrachten der gemeinsamen Glaubenswurzeln, wie der Himmelfahrt Jesu oder der Marien-Verehrung in der Gestalt der Miriam und den gleichen Glauben an einen einzigen Gott. Er unterstrich die Intensität, mit der Muslime ihren Glauben leben, durch das tägliche Gebet, das Einhalten des Ramadan. Viele junge Christen dagegen fingen mit der Fastenzeit nichts mehr an.

In Deutschland lebten unter den 80 Millionen Menschen etwa vier Millionen Muslime, das mache ein Verhältnis von 20:1 aus. Zahlenmäßig sei es eine kleine Gruppe, allerdings seien 60 bis 80 Prozent davon praktizierende Muslime. Bei den Christen seien es nur noch zehn Prozent, also stelle sich dieses Verhältnis 2:1 dar. Probleme ergäben sich daraus, wie in Kindergärten und Schulen mit christlichen Festen umgegangen werden solle, wie als Arbeitgeber mit dem Ramadan? Während Kirchen immer leerer würden, seien die Moscheen freitags gut gefüllt.

Als kritische Herausforderung erkannte der Referent die Auslegung von Koran und Bibel. Der Koran muss wörtlich gelehrt werden, als „göttliche Offenbarung“. Es gäbe – im Gegensatz zur Bibel - keine Umsetzung in das Heute. In der Verbindung von Religion und Politik vermerkte Dr. Brendle, der Kampf für den Islam werde als verdienstvolles Werk angesehen. Er zitierte aus dem Testament des New-York-Attentäters, der in Hamburg studiert hat und sich nach seinem Terror-Tod im Paradies bei 70 Jungfrauen wähnte. „Das steht im Koran so nicht drin“. Brendles Frage: Ist ein friedvolles Leben möglich? Seine Antwort: Es muss eingeübt werden.

Zum Thema Fundamentalismus und Extremismus hielt er fest, dies führe zu Gewaltanwendung auch in den eigenen Reihen. In diesem Zusammenhang zu sehen seien unsere Verfassung, die Akzeptanz der Menschenrechte, die Stellung der Frau, Toleranz gegenüber Andersdenkenden. Das Grundgesetz garantiere die freie Ausübung der Religion. Moscheen entstünden, schwierig werde es bei Bestattungsvorschriften, der Sexualethik, bei der Mädchen das gemeinsame Schwimmen mit Mitschülern nicht erlaubt werde oder das Schächten der Tiere. Die Verschleierung von Frauen sei eine Besonderheit, die man zugestehen müsse, sie führe im praktischen Leben jedoch zur Ausgrenzung.

Er beklagte, dass sich – auch die drei islamischen Verbände in Deutschland – sich mit Kritik am Terror begnügten, doch „damit ist es nicht getan“, Hintermänner und –frauen von Selbstmördern zum Beispiel müssten exkommuniziert, ausgeschlossen werden. Er ging der Frage nach, was die Koranschulen wollten: die muslimische Identität oder die Abgrenzung zur westlichen Kultur?

Wenn die Herausforderung nicht zur Konfrontation mit dem Islam werden solle, müssten Christen ihre Identifikation mit dem eigenen Glauben ohne Abstriche leben. Notwendig sei eine authentische Information über den Islam, das gegenseitige Kennenlernen durch Teilhabe und Friedensdialog. Christen sollen Einladungen zum Fastenbrechen annehmen und im Gegenzug in der Weihnachtszeit islamische Gäste empfangen. Der „Lebensdialog ist das Fundament für strukturelle Änderungen“, zeigte er sich überzeugt.

In der anschließenden Diskussion räumte der Referent ein, dass das Interesse der Christen an den Muslimen größer ist als umgekehrt. Er setzt dabei seine Hoffnung in die Zukunft und die nächste Generation. Wo islamischer Unterricht erteilt werde, solle man sich mit dem Lehrer absprechen und austauschen, empfahl er. Er berichtete von den drei muslimischen Fakultäten in Tübingen, Münster und Erlangen, an denen sehr progressive Muslime lehrten, die von einzelnen muslimischen Gruppen wiederum abgelehnt würden. Allein in Stuttgart gebe es zwölf muslimische Gruppen, manche seien politisch ausgerichtet, manche streng religiös, manche liberal, machte er die Vielschichtigkeit der Muslime in Deutschland deutlich. Lediglich 20 Prozent der Muslime seien in den drei Verbänden organisiert, die so täten, als ob sie alle repräsentierten.

Bei dem Verweis auf die Schwierigkeit bei Eheschließungen zwischen Muslimen und Christen – vor allem wenn die Frau eine Muslima ist – wurde auch an die eigene christliche Vergangenheit erinnert, wenn Katholiken Evangelische heiraten wollten. Unverständnis wurde über muslimische Eheschließungen per Handy seitens Flüchtlings-Betreuer geäußert oder auch, dass ein Mann seiner Frau untersagt, an einem Sprachkurs teilzunehmen. Wer hier lebe, müsse das Grundgesetz achten, in der die Gleichheit von Frau und Mann verankert sei, wurde betont. „Das Selbstbewusstsein sollten wir endlich einmal aufbringen“. Ermutigend klang Brendles Feststellung dazu: „Die Generation, die hier aufwächst, wird mit der Tradition brechen“.