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Elektromobil

Ein Engländer in Oberschwaben

Riedlingen / Lesedauer: 4 min

Wie Joe Feeney nach Riedlingen kam und warum Mr. Jones ihn am Leben hält
Veröffentlicht:22.12.2013, 20:30

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Christopher Feeney ist eine Erscheinung, die auffällt. Sein schlohweißes Jahr lugt unter einem klassischen Fedora hervor und fällt ihm in langen Locken über die Schultern. Dazu trägt er einen Rauschebart und eine abgewetzte braune Lederjacke. Oft sieht man den 66-jährigen gebürtigen Engländer mit seinem Elektromobil durch Riedlingens Straßen fahren – den Berner-Senner-Mischling „Mr. Jones“ immer an seiner Seite.

Feeney wird von allen nur „Joe“ genannt. Der Spitzname wurde ihm bereits in der Schulzeit verliehen. „Alle Kinder, die neu an der Schule waren, nannte man ,die neuen Joes’“, erzählt er. Der Schulrowdy habe sich eines Tages auf ihn gestürzt, ihn geschubst und bedroht. „Ich habe mich gewehrt und ihn geschlagen. Ab da war ich dann DER Joe.“ Die Schule ging zu Ende und der Name blieb.

Auf die Frage, woher er komme, kann Feeney keine Antwort geben: „Mein Vater war ein Marineoffizier und wir sind alle zwei Jahre umgezogen.“ 1996, kurz bevor er nach Deutschland ging, lebte er in Norfolk im Nordosten Endlands. Er litt unter der grassierenden Arbeitslosigkeit, war völlig pleite. Aber warum ausgerechnet Deutschland? Das ist eine Frage, die Feeney leicht beantworten kann: „Meine damalige Freundin war Deutsche und kam aus Stuttgart . Kennengelernt habe ich sie auf einem Pop-Festival“, erinnert er sich. Auf welchem, weiß er nicht mehr, im Laufe seines Lebens hat er einfach zu viele besucht.

Citroen vom Flohmarkt

Mit einem kleinen Citroen und einem Wohnwagen, den Feeney auf einem Flohmarkt erstanden hatte, machte sich das Paar auf den Weg nach Dover, um anschließend mit der Fähre nach Calais überzusetzen. „Wir hatten dieses kleine Auto voll mit Tieren, zwei Hunde und eine 20 Jahre alte Katze, die die ganze Fahrt über miaute. Es war ein Alptraum“, erzählt Feeney und lacht.

Der 66-Jährige spricht ein sehr gepflegtes Englisch. Er blickt einen freundlich an, strahlt große Ruhe aus, bewegt sich behäbig. Letzteres ist vermutlich auch dem Schlaganfall geschuldet, den er drei Tage vor seinem Geburtstag im September erlitten hat. Als er morgens seine übliche Tasse Tee nicht trinken konnte, war ihm klar, dass etwas nicht stimmt. „Aber weil mein Hund keine anderen Menschen mag, hatte ich Angst, jemanden zu rufen.“ Also habe er sich auf den Weg ins Städtle gemacht, obwohl er kaum noch sprechen konnte. „Ein Ladenbesitzer hat mich einigermaßen verstehen können und einen Krankenwagen gerufen“, erklärt Feeney weiter. Über sein Handy habe er dann auch noch einen guten Freund erreicht. „Es war ein Wunder.“

Während er erzählt, holt der Engländer einen Zettel hervor. Es ist eine Liste mit allen Menschen und Einrichtungen, denen er danken möchte: dem Ladenbesitzer, seinem Freund Ulrich Großer, der Kleiderkammer Riedlingen, die ihm Kleidung zur Verfügung gestellt hat, dem Krankenhaus in Biberach, der Schlossklinik Bad Buchau, dem Tierheim und allen Menschen, die ihn im Krankenhaus besucht haben. Am meisten vermisst hat er dort wohl seinen Hund „Mr. Jones“, benannt nach einem Bob-Dylan-Song. Über seinen treuen Begleiter sagt Feeney augenzwinkernd: „Er ist ein Ärgernis und ein wunderbarer Hund. Er beschützt mich sehr.“

Wiedersehen nach 17 Jahren

Unter den Besuchern am Krankenbett war auch die Stuttgarterin, mit der Feeney vor 17 Jahren seine Heimat verlassen hatte. „Vor drei Jahren haben wir uns wiedergetroffen, nachdem ihr Mann gestorben war“, erklärt er. „Jetzt sind wir beste Freunde.“ Die bewegende und auch kuriose Geschichte, die sich dahinter verbirgt, ist eine von vielen, die Feeney in der Zeit zwischen seiner Ankunft in Deutschland und heute erlebt hat: Der ihm fest zugesagte Job 1996 in Stuttgart löste sich in Luft auf. „Da habe ich nicht gewusst, was ich tun soll.“ In England hatte er nichts mehr. „Wir haben dann im Sommerhaus von der Großmutter meiner Freundin in Schelklingen gelebt, oder vielmehr überlebt“, wie der 66-jährige Englänger sagt. Kalt sei es gewesen im Winter, und gefroren hätten sie. Das englische Wort für gefroren – froze – holt er beim Erzählen aus der Tiefe seiner Kehle und versieht es mit einem langen, dunklen o. Man hört ihm gerne zu.

Als seine Freundin dann doch einen anderen heiratete, verschlug es Feeney nach Grüningen. Er versuchte sich als LKW-Fahrer, half bei Ausgrabungen auf der Heuneburg, ließ sich von da nach dort treiben. Seit drei Jahren lebt er in der alten Villa an der B 311 in Riedlingen und muss sein Geschirr in einer Schüssel waschen, weil es in der Küche kein fließendes Wasser gibt. Deshalb ist Feeney auf der Suche nach einem kleinen Haus in einem kleinen Dorf, in dem er in Ruhe leben kann. „Wer ein Haus für mich hätte, für den könnte ich auch den Rasen mähen.“