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Die Störche und der Fürstbischof

Riedlingen / Lesedauer: 4 min

Andreas von Jerins Grabmal in Breslau ist restauriert
Veröffentlicht:07.03.2020, 17:00

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Im Auftrag der Landesregierung und im Rahmen des Artenschutzprogramms „Rettet den Weißstorch“ wurde der Verfasser dieser Zeilen in Begleitung eines Zivis und einer Dolmetscherin nach Oberschlesien geschickt, um im storchenreichen Polen 20 Jungstörche auszuhorsten und zur Bestandsstärkung nach Baden-Württemberg zu bringen. Die Polen erhielten dafür mehrere Computer vom Land Baden-Württemberg. Das war 1985 und die Reise mit einem etwas heiklen Auftrag zu Zeiten des eisernen Vorhangs alles andere als einfach. Vor allem die Durchquerung der damaligen DDR und deren Grenzstellen.

Nach Abschluss dieses Unternehmens, bei dem der damalige Riedlinger Naturschutzbeauftragte und Verfasser dieses Berichts von zwei polnischen Ornithologen begleitet wurde, stand der Wunsch, das Grabmal des aus Riedlingen gebürtigen, späteren Fürstbischofs Andreas von Jerin im Dom St. Johannes Bapt. in Breslau zu besuchen. Auch das gestaltete sich nicht ganz einfach, denn es lag im Presbyterium des Domes und war nicht frei nicht zugänglich. Die polnischen Freunde hatten den Riedlinger Besucher angekündigt und so öffneten sich auch Türen und Tore durch den Kustos des Diözesanmuseums Breslau.

Jerin, als Sohn des Rotgerbers Ludwig Jerin und der Katharina Dietterlin im Jahre 1540/1541 in der Riedlinger Mühlvorstadt 12 geboren, besuchte sehr wahrscheinlich zunächst die Riedlinger Lateinschule. Mit diesem Abschluss durfte er an einer Universität studieren. Jerin ging 1559 nach Dillingen, wo er an der Jesuitenuniversität 1563 zum Magister der Philosophie promovierte.

1566 nahm Jerin das Studium am Collegium Germanicum in Rom auf und wurde 1571 zum Priester geweiht. Im gleichen Jahr erfolgte die theologische Promotion an der Universität Bologna. Bereits ein Jahr später erhielt Jerin Sitz und Stimme im Breslauer Domkapitel. Ihm wurden die Ämter des Dompredigers und Rektors des Priesterseminars übertragen. 1578 wurde er von Papst Gregor XIII. zum Dompropst ernannt. Kaiser Rudolph II. erhob ihn in den Adelsstand. Am 1. Juli 1585 wurde von Jerin zum Bischof geweiht.

Für Bischof Jerin begann keine leichte Amtszeit. Seine Regierungszeit stand unter den Beschlüssen des Trienter Konzils zur Rückgewinnung verloren gegangenen Terrains. Er starb 1596 in Neisse und wurde im Dom zu Breslau bestattet. Bischof Jerin war ein Förderer der Wissenschaften und Künste. Für den Breslauer Dom ließ er 1590 von Goldschmied Paul Nitsch (1548–1609) einen kostbaren silbernen Hochaltar anfertigen. Die Riedlinger kath. Kirchengemeinde besitzt einen Messkelch mit seinem Wappen aus der Zeit um 1592.

Beim oben erwähnten Besuch befand sich das Grabmal in erbärmlichen Zustand, die Schäden durch Bombardierung des sakralen Bauwerks im Zweiten Weltkrieg waren noch zu sehen.

Fotos und Literatur wurde zwischen Riedlingen und Breslau ausgetauscht, erste Beziehungen waren geknüpft. Diese Kontakte blieben auch dem Haus der Heimat Baden-Württemberg in Stuttgart nicht verborgen, das eine Ausstellung zum Thema „Historische Beziehungen zwischen Südwestdeutschland und Schlesien“ plante. Tatsächlich wurde die Eröffnung 2000 nach Riedlingen verlegt und Kostbarkeiten aus Jerins Zeit in der Städtischen Galerie präsentiert.

So entstand die Idee, mit einer Geldspende die Renovation des Denkmals anzustoßen. Der damalige Stadtpfarrer Gerhard Neudecker konnte sich dafür begeistern und begab sich mit einer großen Reisegruppe 2001 auf den Weg nach Breslau, im Handgepäck einen Umschlag mit 2000 Mark, die vor Ort übergeben wurden. Mit großer Zuversicht wurde die Heimreise angetreten, doch in Breslau tat sich nichts, wie immer wieder von Besuchern berichtet wurde. Es gab wohl wichtigere „Baustellen“ zur Verwendung des Barbeitrags aus Riedlingen.

Umso überraschender war vor einiger Zeit die Nachricht aus Breslau an die Stadtverwaltung, dass der Silberaltar und das Grabmal des Fürstbischofs restauriert worden seien und Pfarrei und Kommune zur Einweihung eingeladen wurden.

Doch die neue Rathausbesatzung konnte das Geschehen nicht so richtig einordnen und bat um Aufklärung, die sich dann in einem Gratulations- und Dankesschreiben seitens des Bürgermeisters Marcus Schafft an die Breslauer Adressaten, den Dompfarrer von St. Johannes Bapt. und den Leiter des Nationalmuseums in Breslau, niederschlug.

Nunmehr können Besucher des Breslauer Domes das bestens wiederhergestellte Grabmal des Riedlinger – Breslauer Fürstbischofs und den für die Renaissancezeit bedeutenden, von ihm gestifteten Silberaltar an den Originalplätzen bestaunen.

Für die Tourismusabteilung Riedlingens könnte es eine durchaus reizvolle Idee sein, 424 Jahre nach Errichtung des Grabmals einen Besuch zu den historischen Denkmalen zu organisieren. Wahrscheinlich würden die Plätze in einem Bus dafür nicht ausreichen.