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Frühlingssonntagnachmittag

Pater Anselm Grün: Keiner ist ohne Sünde

Tettnang / Lesedauer: 2 min

Bekanter Mönch und Autor sorgt für volle St.-Gallus-Kirche
Veröffentlicht:31.03.2014, 16:20

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Strahlender Sonnenschein am Frühlingssonntagnachmittag und eine volle Kirche? Wenn eine Fastenpredigt des berühmten Paters Anselm Grün OSB angesagt ist, darf es einen dennoch nicht wundern. Und es dürfte keinen in der St. Gallus-Kirche gegeben haben, den seine sehr klaren und deutlichen Worte nicht beeindruckt hätten.

In der Predigtreihe „Heil. Heilung. Versöhnung ... durch die Sakramente“ sprach Pater Anselm Grün über das Bußsakrament. Doch nicht die Beichte an sich stand im Mittelpunkt, sondern der Weg zur Versöhnung: „Versöhnt mit sich selber zu leben und mit anderen Menschen, das ist eine Ursehnsucht der Menschen.“

Ein erster Schritt dazu sei das Aussteigen aus der Opferrolle, das Jasagen zum Leben, wie es ist: „Begabungen und Verletzungen gehören dazu.“ Um sich selbst anzunehmen, müsse man bereit sein, sich selbst seine Fehler zu vergeben, was vielen schwerfalle, doch: „Sündenlos zu leben ist eine naive Illusion.“ Also heiße es Abschied nehmen vom Idealbild und vom unbarmherzig anklagenden inneren Richter und zu erkennen, dass Gott barmherzig ist. Das Aussöhnen mit der eigenen Lebensgeschichte bedeute, nicht im Selbstmitleid stecken zu bleiben, sondern durch Trauer und Schmerz hindurchzugehen.

Wunden in Perlen verwandeln

Auch das Miteinander mit anderen gehe nur mit Versöhnen und Vergeben: „Ohne Vergebung gelingt kein Leben, kein Miteinander.“ Pater Anselm Grün nannte fünf Schritte auf dem Weg zu einer richtig verstandenen Vergebung. Erst nachdem man den Schmerz und die Wut über eine Verletzung zugelassen habe, könne man das Geschehene objektiv wahrnehmen. Die Vergebung sei dann ein therapeutischer Akt der Befreiung von der negativen Energie, die vergiftet, das Loslassen von der Bindung an den anderen: Erst wenn der Verletzende keine Macht mehr über mich hat, wenn er nicht mehr meine Gedanken beherrscht, bin ich frei. Dann könne man in Ruhe entscheiden, ob man den Abstand zum anderen wahren oder wieder in Kontakt treten wolle. Ein fünfter Schritt sei es, wenn es gelinge, „die Wunden in Perlen zu verwandeln“, die gemachte Erfahrung als kostbaren Schatz anzunehmen, der einen weiterbringe.

Auch in der Familie gebe es immer wieder Anlässe zur Vergebung. Manchen würden in Streitfällen bestimmte Rituale helfen. Entscheidend sei, sich nicht über den anderen zu stellen, ihn nicht zu verurteilen, nicht aufzurechnen, sondern loszulassen. Zuletzt kam Pater Anselm Grün auf die Beichte als Ritual der Kirche: „keine disziplinierende Maßnahme der Kirche, sondern ein heilendes Angebot: Ich kann Gott alles hinhalten, Schuld und Verletzungen – seine Liebe kann es heilen.“