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Hochwassergefahrenkarte

Hochwassergefahr schränkt Mittelbiberach nicht ein

Mittelbiberach / Lesedauer: 4 min

In gekennzeichneten Überschwemmungsflächen darf künftig nicht mehr gebaut werden
Veröffentlicht:30.01.2014, 11:35

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Die im Entstehen begriffene Hochwassergefahrenkarte des Landes schränkt Mittelbiberach und Reute nicht in ihrer baulichen Entwicklung ein. In der Gefahrenzone liegen vor allem das Sportgelände des FC Mittelbiberach und einige landwirtschaftliche Betriebe in Reute. „Diese Probleme sind bekannt“, sagte Bürgermeister Hans Berg im Gemeinderat und bestätigte damit, dass die Entwürfe plausibel sind. Aber die Folgen halten sich in Grenzen, wie Jürgen Nagler, der Leiter des Wasserwirtschaftsamts im Landratsamt Biberach, sagte: „Bebauung ist so gut wie nicht betroffen.“

Das ist insofern bedeutend, als die Hochwassergefahrenkarte, wenn sie erst einmal rechtskräftig geworden sein wird, handfeste Folgen hat: In Gebieten, die laut Karte bei hundertjährlichen Hochwässern überflutet sind, „herrscht automatisch Bauverbot“, sagte Nagler. Neue Baugebiete sind dort nicht zulässig. Wo bereits rechtskräftige Bebauungspläne existieren, darf gemäß einer Übergangsregelung zwar noch gebaut werden; aber es sind Auflagen einzuhalten und die Gemeinden müssen dann an anderer Stelle Stauraum für Wasser schaffen.

„Das kann die Entwicklung massiv einschränken, manche sind davon existenziell betroffen“, sagte Berg . Er verwies darauf, dass zum Beispiel der Tübinger Oberbürgermeister nicht zufällig massiv protestiert habe. In der Stadt am Neckar könnte dann womöglich in der Tallage gar nicht mehr neu gebaut werden. Aber in Mittelbiberach und Reute sind keine aktuellen oder geplanten Baugebiete von Hochwässern bedroht, wie sie statistisch gesehen alle 100 Jahre vorkommen.

Nagler erläuterte dem Gemeinderat die Hintergründe und das Verfahren, das auf einer EU-Richtlinie fußt. Lange habe man gedacht, man könne den Hochwässern mit Rückhaltebecken und Deichen bekommen. Dann habe man gemerkt, dass man Hunderte von Milliarden Euro investieren müsste und trotzdem nicht nachkommen würde. Als Folge von begradigten Flüssen und immer mehr versiegelten Flächen, auf denen kein Wasser mehr versickern kann, kämen die Hochwässer immer schneller und häufiger.

Darum der Kurswechsel: Anstelle des oft vergeblichen Versuchs, das Wasser zurückzuhalten, sollen bekannte Überschwemmungsgebiete von Bebauung frei gehalten werden beziehungsweise Eigentümer von bereits bestehenden Häusern und Betrieben wenigstens gewarnt werden. Bis Ende dieses Jahres sollen die Entwürfe anhand der Rückmeldungen aus den Gemeinden überprüft werden. Nachdem sie öffentlich ausgelegt wurden, erlangen sie Rechtskraft. In der Folge müssen sie um Hochwasserrisikokarten ergänzt werden, in denen die Gefahren für Menschen, große Betriebe und Kulturgüter dargestellt sind. Am Ende stehen Managementpläne: Hier sind Schutzmaßnahmen festzulegen. Das könnten nicht nur bauliche sein, sagte Nagler, sondern beispielsweise auch Alarmpläne für die Einsatzkräfte.

In Mittelbiberach dürfte sich die Situation künftig sogar noch entspannen. Denn die Stadt Biberach plane zu ihrem eigenen Schutz Rückhalteraum, der mittelbar auch die Gemeinde entlastet. Die Hochwassergefahrenkarten würden künftig alle sechs Jahre aktualisiert, sagte Nagler auf eine Frage von Dieter Schwab. Auf eine Frage von Georg Trittler sagte der Leiter des Wasserwirtschaftsamts außerdem, als ein Punkt könnte in die Managementpläne aufgenommen werden, dass zum Beispiel der Ayweiher in Stafflangen intelligent bewirtschaftet werden muss – so dass er die Spitze des Hochwassers abfängt und nicht auf dem Höhepunkt die Schleusen öffnet.

Zusatzinformationen 1:

Um das Risiko einer Überflutung einzuschätzen, hat die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) die Pegel von 12500 Kilometer Gewässern im Land über einen gewissen Zeitraum aufgezeichnet, die Querschnitte gemessen und mit diesen Daten ein Abfluss-Simulation für Hochwasser errechnet. Berücksichtigt wurden alle Gewässer mit einem Einzugsbereich von mehr als zehn Quadratkilometern.

Zudem wurde das gesamte Land per Laser gescannt und ein Höhenprofil erstellt. Legt man die Abflusskarte über die Karte mit dem Höhenprofil, sind die Hochwasserrisiken erkennbar. Die Gefahrenkarte stellt in unterschiedlichen Blautönen dar, welche Gebiete bei einem zehnjährlichen, fünfzigjährlichen, hundertjährlichen (HQ 100) und extremen Hochwasser voraussichtlich unter Wasser stehen werden. Ziel ist, natürliche Überschwemmungsgebiete freizuhalten: Hochwässer, wie sie alle 100 Jahre wahrscheinlich sind, sollen abfließen können. Informationen unter www.lubw.de .

Zusatzinformationen 2:

Für bereits bestehende Gebäude ändert sich die Rechtslage nicht. Allerdings können sich unter Umständen die Versicherungsbeiträge erhöhen, wenn ein Haus oder ein Betrieb in einem Gebiet liegt, das bei einem hundertjährlichen Hochwasser überflutet ist. Schon bisher haben Versicherungen die Überschwemmungsgefahr berücksichtigt. Aber künftig können sie auf die genaueren Hochwassergefahrenkarten des Landes zurückgreifen.