StartseiteRegionalRegion BiberachLaupheimVersuchter „Ehrenmord“ an 17-Jähriger kommt vor Gericht

Ehrenmord

Versuchter „Ehrenmord“ an 17-Jähriger kommt vor Gericht

Laupheim / Lesedauer: 3 min

Eine junge Muslimin wird brutal niedergestochen. Die mutmaßlichen Täter: Ihr Mann und ihr Bruder. Nun stehen beide Männer vor Gericht. Angeklagt sind auch die Eltern.
Veröffentlicht:22.09.2018, 18:25

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Für einen blutigen Mordanschlag auf eine 17-jährige Muslimin müssen sich vom 24. September an deren syrischer Ehemann und ihr aus dem Libanon stammender Bruder verantworten (24.9./13.00 Uhr). Die beiden Männer sind vor dem Landgericht Ravensburg wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung angeklagt. Den aus dem Libanon nach Deutschland gekommenen palästinensischen Eltern wirft die Staatsanwaltschaft Stuttgart gefährliche Körperverletzung vor. Sie sollen die mutmaßlichen Haupttäter zur Tötung ihrer Tochter aufgefordert haben, dann aber Hilfe für die Schwerverletzte geholt haben.

Laut Anklagebehörde war eine angeblich „beschmutzte Familienehre“ das Motiv für die Bluttat in Laupheim (Landkreis Biberach); das Gericht spricht von einem „Strafverfahren wegen eines Ehrenmordversuches“ (Aktenzeichen 2 KLs 242 Js 20969/18 jug). Das Mädchen sollte demnach für einen mutmaßlichen Ehebruch mit dem Tod bestraft werden.

Junge Frau wollte Ehemann verlassen

Den Angaben zufolge hatte sich die junge Frau in einen 26-jährigen Flüchtling verliebt, der in Biberach wohnte, und wollte ihren 35 Jahre alten Mann verlassen. Mit ihm war sie von einem Imam nach islamischem Recht verheiratet worden, als sie 15 Jahre alt war. Mit 16 bekam sie ihr erstes Kind — der Junge befindet sich in der Obhut des Jugendamtes an einem geheim gehaltenen Ort. Zum Verbleib des zweiten Kindes der Frau machten die Behörden keine Angaben.

Am Abend des 27. Februar 2018 sollen der Ehemann und der 20-jährige Bruder laut Gerichtsmitteilung in der elterlichen Wohnung in Laupheim „versucht haben, die schwangere, in einen anderen Mann verliebte Frau mittels eines Messerangriffs gegen Hals und Oberkörper zu töten“. Die flüchtigen Tatverdächtigen wurden wenig später in einem Zug am Bahnhof Schweinfurt festgenommen.

Überlebt haben die schwer verletzte Frau und ihr Baby nach Darstellung der Behörden womöglich nur, weil die 61 Jahre und 64 Jahre alten Eltern im letzten Moment Mitleid hatten und nach der Flucht der beiden Männer die Rettung ihrer Tochter einleiteten. Daher sind der Vater und die Mutter allein wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt, jedoch nicht wegen Mordversuchs.

Bruder des Opfers galt als Islamist

Der Bruder des Opfers galt als ein islamistischer Gefährder. Er war erst kurz vor der Messerattacke aus der Untersuchungshaft in Stuttgart-Stammheim entlassen worden. Die Staatsanwaltschaft hatte gegen ihn wegen mutmaßlicher Beihilfe zu einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat ermittelt. Er soll 2016 zusammen mit einem Syrer einen Terroranschlag in Kopenhagen geplant haben. Beide waren bei der Ausreise nach Dänemark festgenommen worden. Wegen des Terrorverdachts gegen den Bruder hatte die dafür zuständige Staatsanwaltschaft Stuttgart auch den Fall des Mordanschlags auf dessen 17-jährige Schwester übernommen.

Eine mutmaßlich verletzte Familienehre gilt nach UN-Angaben weltweit bei jährlich mindestens 5000 Morden an Frauen als Motiv. Auch in Deutschland werden derartige Verbrechen immer wieder begangen. Allerdings gibt es dazu keine amtlich bestätigten Zahlen, da eine solche Motivlage von der Polizeilichen Kriminalstatistik nicht erfasst wird.

Zählungen humanitärer Hilfsorganisationen stützen sich auf Auswertungen von Gerichtsverfahren und von Medienberichten. Die Frauenrechtsorganisation Terres des Femmes weist in ihrer jüngsten Statistik anhand strenger Kriterien für den Zeitraum von Februar 2017 bis Februar 2018 insgesamt 14 derartige Morde und Mordversuche in Deutschland aus. Experten gehen von einer möglicherweise weit höheren Dunkelziffer aus.