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Heimatfest

„Uncle Carl“ eröffnet das Kinder- und Heimatfest

Laupheim / Lesedauer: 4 min

Beim Musical „Makin’ Hollywood“ wird auch hinter den Kulissen gesummt, gesungen und getanzt.
Veröffentlicht:21.06.2018, 00:27

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Welch beglückender Auftakt zum Kinder- und Heimatfest: Schüler, Lehrer und Ehemalige der städtischen Musikschule Gregorianum und des Carl-Laemmle-Gymnasiums haben sieben Monate nach der Premiere erneut das Musical „Makin’ Hollywood“ von Peter Schindler und Ulrich Michael Heissig aufgeführt, zweimal abends und am Mittwochvormittag für Schüler. Drei Worte genügen, das Gesehene und Gehörte zu beschreiben: Es war famos. SZ-Redakteur Roland Ray hat die Show dieses Mal hinter den Kulissen erlebt.

„Freu-eu-eu-eueu-eu-de“ schallt’s aus Dutzenden Kehlen. Im Garderobenraum hinter der Kulturhausbühne hat Dorothea Werner Chor und Solisten zum Einsingen versammelt. Atemübungen und Lautmalereien sollen die Stimmen „aufwecken“.

„Wunderschön seht ihr aus“, lobt die musikalische Leiterin. Zwei Stunden hat sich das Team in der Maske dafür ins Zeug gelegt, Locken gedreht, Schminke aufgetragen, gepudert, falsche Wimpern befestigt. Die Kostüme liegen bereit, kritisch prüfen die Künstler im Spiegel, ob alles sitzt. Die Solisten bekommen ihre Headsets. Ist der Ton gut? Passt!

David Oesch, der den Laemmle im Film über Carl Laemmle spielt, trinkt einen Schluck Salbeitee. „Selbst angebaut“, sagt er und zwinkert Sara Schick zu. Sie tritt unter anderem als Filmdiva Florence Clarence auf und nutzt die verbleibende Zeit, ihr rechtes Bein hochzulegen. Bänderriss im Sprunggelenk. „Ich bin die Treppe hinunter gefallen“, erzählt die junge Frau. Jetzt ist der Fuß getapt – „es tut weh, aber es geht“. Aufs Musical möchte Sara keinesfalls verzichten.

Zweifach ertönt der Gong. Die Regisseure Angelika Geiger und Didier Schniegel bilden mit dem Ensemble hinter der Bühne einen Kreis. „Ganz viel Spaß“ wünschen sie den Akteuren, dann spucken alle einander imaginär über die Schulter. Ein altes Schauspielerritual. Im Orchestergraben stimmen sie die Instrumente.

Der dritte Gong. „Rockt die Bühne“, ruft Dorothea Werner. „Das ist euer Abend.“ Schon hört man Laemmles Stimme. Der Studioboss verhandelt am Telefon über eine Gage. „300 Dollar pro Drehtag?! Bin ich Krösus?“ Das wird wohl nichts.

Dann schneit Rebekka herein, eine junge deutsche Jüdin, die Schauspielerin werden möchte. „Uncle Carl“ schickt sie zu Probeaufnahmen, die sich als geheimes Projekt entpuppen: Die Crew am Set will ihren Chef zum 69. Geburtstag mit einem Musicalfilm überraschen, der seinen Lebensweg beleuchtet. Der Chef findet’s irgendwann heraus und mischt munter mit.

Präzise wie ein Uhrwerk eilen Chor und Solisten zu ihren Einsätzen auf die Bühne. Kaum zurück, machen sie sich routiniert für den nächsten Auftritt bereit. Die Schlagzahl ist hoch. Die Chorsängerinnen streifen eilig Trenchcoats über die Charleston-Kleider, während Carls „Mammale“ ihr „Jingele“ bekniet, bei ihr zu bleiben, solange sie lebt. Schon in der nächsten Szene ist Carl bereit für die Schiffspassage nach Amerika, und der Chor singt und winkt ihm goodbye.

Eben noch hat Lukas Mohl als Quasimodo für Gänsehaut beim Publikum gesorgt; jetzt entledigt er sich seines Buckels und wirft sich in Schale für eine Tanzszene. Es gilt den reichen Onkel aus Amerika zu feiern, der Laupheim besucht. Wieder ein paar Augenblicke später mutiert der Schauspieler zum SA-Mann – die Nazis tilgen die Spuren des „Filmjuden“ Laemmle in seiner Heimatstadt.

Umziehen, husch husch

Apropos Rebekka: Eine Romanze erblüht zwischen ihr und dem Regieassistenten Rob. Er lädt sie zu Chicken Wings ins Schnellrestaurant ein, just in dem Moment, als in der Garderobe neun Tänzerinnen orangefarbene Federkleidchen von der Stange nehmen. Umziehen, husch husch – gleich singen sie als Hühnerballett von ihrer Farm im Stechpalmenwald, auf der Laemmle die Studiostadt Universal City errichten ließ.

Nicht nur dieser Song taugt zum Ohrwurm; Peter Schindler hat einen Reigen eingängiger Melodien komponiert, Ulrich Michael Heissig flotte Sprüche spendiert. Und wahrlich: Alle Ensemble-Mitglieder haben so ziemlich jede Strophe, jede Textzeile parat – in der Garderobe summen, singen und sprechen sie leise mit, was gerade auf der Bühne dargeboten wird, und haben auch die Tanzschritte der anderen drauf. Wer so vor Spielfreude sprüht, muss ja glänzen vor Publikum. Auch Corinna Scheiffele und Anja Daiber, die beim Kleiderwechsel assistieren, hier und da ein wenig nachschminken und mit der Fusselrolle über weiße Hemden streichen, machen temperamentvoll mit. Und dann ist plötzlich ein Moment Luft – für ein Hanuta.

„Ihr wart klasse“, lobt Didier Schniegel in der Pause. „Weiter so.“ Na und ob! Als dann der Hollywoodpionier den Tod seiner geliebten Frau Recha beweint, in Deutschland die Unmenschlichkeit regiert und die Rede auf Laemmles Menschenleben rettende Bürgschaften kommt, von schluchzenden Geigen untermalt, als Rebekka und Rob ein hollywoodreifes Happy-End feiern – da packt und berührt das auch den Beobachter hinter den Kulissen. Erst recht, als zu guter Letzt alle im Saal das Kinderfestlied anstimmen. Wetten, dass auch „Uncle Carl“ ein Tränchen zerdrückt hat, im Himmel?