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Schmerzlich für die Männerwelt: Autowerkstatt schließt

Obersulmetingen / Lesedauer: 5 min

„Theos Werkstatt“ schließt nach 33 Jahren und hinterlässt in Obersulmetingen eine schmerzhafte Lücke
Veröffentlicht:29.06.2018, 19:08

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Erst das Lädele, dann die letzte Kneipe, die Raiba und jetzt auch noch Theos Autowerkstatt: Obersulmetingen verliert eine weitere Institution. Der Entschluss von Theo Werz, zum 30. Juni im Alter von 65 Jahren und sieben Monaten den Schraubenzieher an den Nagel zu hängen, ist vor allem für Sulmetingens Männerwelt ein schmerzlicher.

Nicht zu übersehen ist die große Halle mit der Aufschrift „KFZ ELEKTRIK WERZ“ in der Sattlergasse 6. Drinnen hat Theo Werz bereits das Licht gelöscht und, wie es aussieht, schon ein wenig aufgeräumt. Im hinteren Bereich steht ein schmucker alter VW Käfer , Baujahr 1972. „Den habe ich gestern Abend für einen Kunden aus Stuttgart noch TÜV-fertig gemacht. Das war’s“, berichtet er dem Pressevertreter am Donnerstagnachmittag und fügt an: „Am Montag gehe ich mit meiner Frau in Urlaub. Dann isch’s Loch zua – und es ka komma, wer will.“

Recht nüchtern klingt er für einen, der nach 33 Jahren leidenschaftlichem Werkeln seinen Betrieb aufgibt. Packt ihn nicht die Wehmut? „Im Moment nicht. Vielleicht kommt sie noch. Aber irgendwann ist halt mal Schluss.“

Schluss. Für Theo Werz war das bislang eher ein Fremdwort. Der gelernte Elektriker hat 20 Jahre lang beim Bosch-Dienst Eble in Laupheim geschafft, bis er 1984 sein Meisterjahr in Mannheim gemacht hat. Danach meldete er eine Kfz-Werkstatt als Nebengewerbe an. „Aus Spaß an der Freud’, weil ma gära g’schraubet hat“, sagt er und grinst. Und wie gerne er das gemacht haben muss. Noch bis vor gut fünf Jahren, bis er 60 war, arbeitete Theo Werz im BMW-Autohaus Braig an der Biberacher Straße und später bei Munding im Gewerbegebiet „Neue Welt“. „Mein Arbeitstag ging von morgens halb acht bis abends halb sieben“, erzählt er. Mindestens an zwei Wochentagen – dienstags und mittwochs – suchte er direkt im Anschluss seine eigene Werkstatt auf, um dort bis Mitternacht zu schrauben. „Öffnungszeiten: Dienstag + Mittwoch, 20 - 23 Uhr“ steht auf einer Tafel an der Halle.

„So ein Tag war dann schon lang“, sagt Theo Werz. Hätte er nicht montags und donnerstags Musikprobe beim örtlichen MVO und freitags Feuerwehrprobe gehabt, hätte er wohl auch diese drei Abende in der Sattlergasse verbracht. Wie begeistert seine Frau davon war? „Ich hab’ spät geheiratet, erst vor 20 Jahren“, antwortet er verschmitzt. „Und sie wusste ja immer, wo ich bin.“

Ach ja: Auch die Samstage waren für seine Leidenschaft reserviert. „Das war sogar mein Haupttag“, erzählt Theo Werz. Von morgens um 7 bis in die späten Nachmittagsstunden widmete er sich seinen geliebten Kraftfahrzeugen. Nach und nach sei seine Begeisterung gestiegen: „Als die ersten elektronischen Zündanlagen gekommen sind, war ich als gelernter Elektriker natürlich besonders fasziniert. Es hat mir großen Spaß gemacht, die Kisten zum Laufen zu bringen.“ Bald sprach es sich bis weit über Obersulmetingen hinaus herum, dass da einer nicht bloß mit Freude bei der Arbeit war, sondern sein Handwerk auch noch verstand.

Immer mehr Oldtimer

Und so wuchs das Einzugsgebiet seiner Kundschaft, zu der auch mancher Motorbootbesitzer zählte. „Ich war der Einzige zwischen Stuttgart und dem Bodensee, der die Genehmigung für Abgasuntersuchungen an Motorbooten hatte.“ Auch immer mehr Oldtimer-Liebhaber gaben ihr Heilig’s Blechle vertrauensvoll in Theos geschickte Hände. „Ich könnte heute Oldtimer machen ohne Ende. Bei den alten Böcken kennt sich ja kaum noch jemand aus“, sagt er nicht ohne Stolz. Hinzu kommt, dass freie Werkstätten immer rarer werden. „Es wird ja auch immer schwieriger, mit der Technik klarzukommen“, sagt Werz. Heute, ist er überzeugt, werden die Autos so gebaut, dass man fast immer auf den Service des Herstellers angewiesen ist.

Doch die Schließung einer Kfz-Werkstatt wäre vielleicht gar nicht so viele Zeitungszeilen wert, wenn es nicht mehr gewesen wäre als bloß ein Ort für Autoreparaturen. Gerhard Jud , ein weiteres Obersulmetinger Original, beweinte Theos nahenden Ruhestand in seiner jüngsten Fasnets-Bütt so: „I derf do gar it dra denka, die letzte Tankstell zum a Bierle trenka.“ Vier Wirtschaften hatte der Laupheimer Teilort einst, nacheinander schlossen Hecht, Traube, Löwen und zuletzt die Rose ihre Pforten. So wurde Theos Werkstatt zu einem Stammtischersatz, zur Kunkelstube für die Obersulmetinger Männerwelt. „Manch einer ist vorbeigefahren und hat geschaut, ob jemand da ist, mit dem er vielleicht ein Bierchen trinken und ne Runde schwätzen kann“, erzählt Theo Werz. Gut möglich auch, dass sich der eine oder andere „Kunde“ unter dem Vorwand, sein Auto schlucke derzeit etwas viel, am Abend von zu Hause verabschiedet hat. Auch mancher „Schwaaze“ – Asbach mit Cola – war bisweilen im Angebot. „Vor allem, wenn Theos Bruder da war“, berichtet Gerhard Jud. „Wenn du da gekommen bist, um dein Auto abzuholen, hieß es immer: ,Komm, trenksch no oin mit.“

Wehe, der Pfarrer kam

In der Bütt regte Jud mehrfach an, Theo Werz möge seine Werkstatt mit einer Wirtschaft samt Bardame ergänzen. „Da ging er nie drauf ein.“ Apropos Dame: Zum Interieur zählten natürlich auch „die entsprechenden Kalender“, wie Gerhard Jud es ausdrückt. „Und wenn der Pfarrer kam, hat man die Kalender umgedreht.“ Unverzichtbar, so Jud, war Theos technisches Geschick beim Riß-na-Fahra. „Er war von der ersten Stunde an dabei und hat dabei etliche Preise gewonnen.“

Unbekannte haben sich im jüngsten Mitteilungsblatt mit einem 14-zeiligen Gedicht von Theo und seiner Crew – er beschäftigte zwei Mitarbeiter auf 400-Euro Basis – verabschiedet. Doch so ganz verzichten müssen die Semadenger Männer auf ihren Theo und seine gastronomischen Ersatzdienste vielleicht gar nicht. „Dort hinten“, sagt er dem Pressevertreter und zeigt auf eine Halle in der Nähe, „stehen drei alte Bulldogs von meinem Vater. Die will ich herrichten.“