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Naturkatastrophe

Gutes tun in der „Hölle auf Erden“

Laupheim / Lesedauer: 4 min

Steyler Missionsschwestern wirken in griechischen Flüchtlingscamps.
Veröffentlicht:08.12.2018, 00:19

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Es gibt Orte, die scheinen von der Welt vergessen. Orte, an denen Menschen unter Bedingungen leben, die nicht menschenwürdig sind. Orte, von denen sich selbst Hilfsorganisationen zurückziehen. Flüchtlingslager gehören teilweise dazu. Die Steyler Missionsschwestern hingegen gehen genau dorthin, um den Menschen zu helfen, ihnen wieder ein Stück Hoffnung zu schenken – und den Glauben zurückzugeben, an Gott und die Menschlichkeit.

Die Steyler Missionsschwestern wirken in vielen Ländern dieser Welt, die durch Kriege, Naturkatastrophen oder andere Krisen gebeutelt sind. Seit rund zwei Jahren sind vier Schwestern auch in Griechenland tätig. In Zusammenarbeit mit dem Jesuiten-Flüchtlingsdienst (JRS) wollen sie in den Camps nahe Athen Geflüchteten nahe sein und etwas Licht ins Leben dieser Menschen bringen. Aktuell planen die Schwestern, eine weitere Kommunität auf einer der griechischen Inseln – Lesbos oder Samos – zu eröffnen, wo die Lebensumstände noch schwieriger seien als auf dem Festland. Da ist die finanzielle Unterstützung durch die SZ-Weihnachtsspendenaktion „Helfen bringt Freude“ natürlich sehr willkommen.

„Gott weint“

Einen Einblick in das Leben der Flüchtlinge in den Camps geben die Ordensfrauen, die vor Ort sind. So berichtet Schwester Maria José da Silva Rebelo, Regionaloberin der Region Spanien/Portugal und als solche auch Mitglied im „Eurorat“, von einem Besuch in Moria (Lesbos) im Juni sehr eindrücklich über das Gesehene: „Einige sprechen von 7000 Menschen, andere sagen 8000. Welche Zahl auch immer, wir können einfach sagen, dass das, was wir gesehen und gehört haben, wie die Hölle auf Erden war.“ Die Besucherinnen erfuhren von Frauen, die Windeln tragen, um nachts nicht auf die Toilette gehen und damit das Risiko einer Vergewaltigung auf sich nehmen zu müssen. Von jungen Menschen, die sich selbst verletzen, weil die seelischen Schmerzen zu groß werden. „Gott weint im Schrei der Tausenden von Flüchtlingen, die auf Lesbos gestrandet sind.“

„In den Flüchtlingscamps leben viele Menschen auf engem Raum“, schreibt Anna-Maria Kofler. Die Steyler Missionsschwester, die die ersten Jahre ihrer Ordensausbildung in Laupheim verbrachte, ist als Provinzoberin ebenfalls im „Eurorat“. Dabei stellten sich die hygienischen Verhältnisse sehr unterschiedlich dar – „von katastrophal bis erträglich“. Das europäische Essen sei ungewohnt für die Bewohner. Rund 70 000 Menschen leben nach Angaben der Schwester derzeit in mindestens sechs offiziellen Lagern bei Athen. „Die einheimische Bevölkerung in Athen hat sich soweit mit der Situation der Flüchtlinge arrangiert.“ Die Kinder gingen zur Schule und lernten Griechisch.

Doch nicht überall stellt sich die Situation gleich dar. Sehr plastisch schildert Schwester Thao Nguyen die Situation in den Flüchtlingscamps bei Athen, die sie im Rahmen ihres Noviziatspraktikums über mehrere Monate kennengelernt hat. „Dort verbrachte ich die intensivste Zeit meines bisherigen Lebens“, schreibt sie in einem Brief an ihre Mitschwestern und fasst die erspürten Emotionen zusammen: „Jugendliche Lebensfreude, Enthusiasmus, Engagement, Hoffnung, unerwarteter Abschied, Gottesbegegnung in Menschen und Freundschaften, Leiderfahrungen, fremder und eigener Ohnmacht und Hilflosigkeit ausgesetzt zu sein.“

In einem der Camps erlebt sie, dass die Kinder nicht zur Schule gehen, weder sie noch die Erwachsenen Beschäftigung haben, unter enormer Unsicherheit im Blick auf ihre Zukunft leiden. „Junge Männer begehen Selbstmord oder werden sehr aggressiv, weil sie diese Lebensbedingungen über einen längeren Zeitraum nicht ertragen.“ Die Schwestern boten bis Oktober noch Hilfestellung in Form von Kinder-aktivitäten und Gesprächen an, doch nicht immer ist es einfach für die Helfer, in die Camps zu kommen: Der Eintritt erfolgt unter strengen Auflagen der Behörden.

Krank an Leib und Seele: So nehmen die Steyler Schwestern die Bewohner der Flüchtlingscamps wahr. Der oben erwähnte „Schrei“ veranlasst sie wie auch den JRS dazu, sich nicht von dem erlebten Elend ab-, sondern den Menschen dort zuzuwenden. Sie wollen ein Zeichen der Hoffnung setzen. Wollen bei ihrem nun geplanten neuen Engagement auf den griechischen Inseln vor allem etwas für die in den Lagern lebenden Frauen und Kinder tun. „Sie sind am verletzlichsten“, schreibt Schwester Anna-Maria.

Verletzlich sind jedoch nicht nur die Geflüchteten, sondern auch die Helferinnen, die angesichts der Not und Perspektivlosigkeit der Campbewohner durchaus psychischen Druck spüren. „Es ist sehr, sehr anstrengend“, weiß Schwester Anna-Maria. „Man benötigt immer wieder eine Auszeit.“ Und den Zusammenhalt: „Gemeinschaft hilft.“