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Mittäterschaft

Eltern des Laupheimer Messerstecher-Opfers festgenommen

Laupheim / Lesedauer: 4 min

Die Eltern des 17-jährigen Mädchens, das in Laupheim mutmaßlich von ihrem Bruder und ihrem Ehemann niedergestochen wurde, sind festgenommen worden. Die Vorwürfe exklusiv hier.
Veröffentlicht:23.03.2018, 14:08

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Die Eltern des 17-jährigen Mädchens, das am 27. Februar in Laupheim vermutlich von ihrem Bruder und ihrem Ehemann niedergestochen worden ist, sind wegen des dringenden Verdachts der Mittäterschaft verhaftet worden. Wie die Staatsanwaltschaft Stuttgart der „Schwäbischen Zeitung“ auf Anfrage mitteilte, wurden der Vater und die Mutter am Freitagnachmittag dem Haftrichter vorgeführt.

„Wir gehen mittlerweile nicht mehr nur von unterlassener Hilfeleistung aus, sondern davon, dass die Eltern an der Tat beteiligt waren“, erklärte Erster Staatsanwalt Jan Holzner der „Schwäbischen Zeitung“. Der Vorwurf laute aktuell aber „nur“ auf gefährliche Körperverletzung. Denn nach jetzigem Ermittlungsstand sehe es so aus, dass die Eltern nach dem Messerangriff auf ihre Tochter den Rettungsdienst gerufen haben und damit aus juristischer Sicht „von der Tötungsabsicht zurückgetreten“ sind. Gegen den 21-jährigen Bruder des Mädchens und ihren 34 Jahre alten Ehemann nach islamischem Recht wird weiterhin wegen versuchten Mordes ermittelt.

Welche konkreten Anhaltspunkte zum neuen, nochmals schwerwiegenderen Verdacht gegen die Eltern geführt haben, wollte die Staatsanwaltschaft nicht sagen. „Wir machen keine Aussagen dazu, welche der an dem Abend anwesenden Personen welche Tathandlung begangen hat“, stellte Holzner klar. Das Mädchen indes soll bei den polizeilichen Vernehmungen schwere Anschuldigungen gegen ihre Eltern erhoben haben. In einem der SZ vorliegenden Beschluss des Amtsgerichts Biberach, in dem der 61-jährigen Mutter und dem 64 Jahre alten Vater der sofortige Entzug der elterlichen Sorge für die Tochter mitgeteilt und begründet wird, heißt es unter anderem: „Aus den Angaben der Jugendlichen ergeben sich belastbare Anhaltspunkte dafür, dass die Eltern den Schwiegersohn noch zur Tatvollendung ermuntert haben sollen. Offenbar erst nachdem ihre Tochter lebensgefährliche verletzt worden war, die Tatausführung aber noch nicht vollendet wurde, alarmierte der beteiligte Vater den Notarzt. Die beteiligte Mutter blieb untätig.“

Motiv der Tat soll nach den gegenwärtigen Ermittlungen die angebliche Untreue der Jugendlichen gegenüber ihrem Ehemann gewesen sein, wodurch die 17-Jährige die Ehre der Familie beschädigt haben soll. Obwohl neben den beiden Haupttatverdächtigen nun auch die Eltern verhaftet sind, besteht für das Mädchen nach Auffassung des Gerichts nach wie vor Lebensgefahr. Denn es könne nicht ausgeschlossen werden, dass weitere männliche Abkömmlinge der Familie mit Billigung der Eltern einen weiteren Versuch unternehmen werden, das Mädchen umzubringen.

Nach SZ-Informationen ist geplant, das Mädchen, das im Mai 18 Jahre alt wird, in das Personen- und Zeugenschutzprogramm der Polizei aufzunehmen. Das Polizeipräsidium in Ulm wollte dazu gegenüber der SZ keinerlei Auskunft geben. Fest steht, dass mit dem Gerichtsbeschluss zum Entzug der elterlichen Sorge die vorläufige Pflegschaft für das Mädchen an das Kreisjugendamt übertragen wird.

Bekannt wurde mittlerweile auch, dass es schon vor dem Messerangriff, nämlich im Januar dieses Jahres, ein Verfahren gegen den Vater des Mädchens wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Kindern gab. Die Staatsanwaltschaft Ravensburg erklärte dazu, dass sie vor dem Biberacher Amtsgericht Anklage erhoben habe. „Das ist richtig“, bestätigte Amtsgerichtsdirektor Gerhard Bayer auf SZ-Nachfrage. Die Taten, die nichts mit den eigenen Kindern des Mannes zu tun gehabt hätten, hätten sich letztlich als nicht so gravierend herausgestellt, wie es in der Anklage den Anschein gehabt habe. Das Verfahren sei daher gegen Auflagen eingestellt worden, sagte Bayer.

Asylantrag war abgelehnt

Darüber hinaus erfuhr die SZ, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) den Asylantrag der Familie ebenfalls schon vor dem Messerangriff abgelehnt hat. Das Ehepaar wehrt sich derzeit in einem Asylklageverfahren vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen gegen die Entscheidung. Zu der Familie, die vor rund vier Jahren aus Libyen geflohen und schließlich in Deutschland gelandet ist, gehören insgesamt acht Kinder, wobei das niedergestochene Mädchen das jüngste ist. Zwei Töchter sind in der Heimat geblieben, ein Sohn ist in Schweden, die fünf weiteren Söhne leben in Deutschland.