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Fachkräftemangel

Und freitags gibt’s Massagen im Büro

Bad Schussenried / Lesedauer: 3 min

IHK-Unternehmerforum: Der „Wettbewerbsvorteil Gesundheit“ wird immer wichtiger
Veröffentlicht:12.07.2012, 10:50

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Kleinlaut sitzt der Bewerber vor dem großen Schreibtisch. Schweiß rinnt ihm von der Stirn, während Geschäftsführer und Personalchef ihm gehörig auf den Zahn fühlen. Geht es nach Otto Sälzle , dann gehören Szenen wie diese mittlerweile der Vergangenheit an – und haben sich angesichts des Fachkräftemangels geradezu ins Gegenteil verkehrt. „Das rarste Gut, das wir haben, sind die Menschen“, sagt der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Ulm. Und um bei den wenigen Bewerbern zu punkten, werde ein Faktor immer entscheidender: der „Wettbewerbsvorteil Gesundheit“, so der Titel einer Veranstaltung des IHK-Unternehmerforums im Bibliothekssaal des Schussenrieder Klosters.

Bei einigen Branchen wirkt sich dieser neue Trend besonders deutlich aus. „Im IT-Bereich werden wir von den Bewerbern ausgesucht und nicht andersherum“, berichtete James Johnson vom Ulmer Software-Unternehmen Fritz & Macziol den Gästen der IHK Ulm und Bodensee-Oberschwaben. Für den Personalleiter heißt das: „Ich muss im Bewerbungsgespräch zeigen, was für ein geiles Unternehmen wir sind.“

Und entscheidend sei dabei nicht nur das, was auf der Gehaltsabrechnung steht. Dass weiche Faktoren eine ebenfalls große Rolle spielen, hat Johnson durch eine Mitarbeiterbefragung erfahren: „Geld war nicht das Thema“ – flexible Arbeitszeiten, Urlaub und mehr Zeit für Entspannung dagegen schon. Als Ausgleich zum Büroalltag biete Fritz & Macziol seinen knapp 1000 Angestellten bereits seit einigen Jahren ein Fitnessprogramm an, so Johnson. Dazu zählten nicht nur Sonderkonditionen für Mitarbeiter und Ehepartner in Fitnessstudios, sondern auch ein Nichtraucherprogramm oder die kostenlose Bereitstellung von Obst, Tee und Wasser am Arbeitsplatz. Hinzu kämen wöchentliche Gesundheitsangebote im Betrieb: Dienstags trifft sich die Laufgruppe, mittwochs spielen die Mitarbeiter Fußball, donnerstags ist Power-Yoga – und freitags kommt der Masseur ins Büro.

Noch ist ein solch vielfältiges Gesundheitsprogramm wohl die Ausnahme. Doch der Trend gehe klar in Richtung betriebliche Gesundheitsförderung. „Ganz einfach deshalb: Wir werden in ein paar Jahren alt aussehen“, spielte IHK-Geschäftsführer Sälzle auf den demografischen Wandel an. Schon jetzt kenne er Belegschaften, die zur Hälfte aus Mitarbeitern über 54 Jahren bestehen: „Die, die da sind, werden immer älter – und die, die nachkommen, immer weniger.“

Krank sein kostet

Auch die Politik habe deshalb inzwischen die Zeichen der Zeit erkannt, so Gerhard Segmiller, Ministerialdirigent am baden-württembergischen Arbeitsministerium. Der Bereich Arbeit und Gesundheit sei ein Baustein der Gesundheitsstrategie des Landes und werde auch gefördert. Ziel sei es, ein Netzwerk wie die Fachkräfteallianz aufzubauen.

Und noch ein weiteres Argument scheint für betriebliche Gesundheitsförderung zu sprechen: Krank sein kostet. Fällt der Arbeitnehmer aus, beträgt der Aufwand für das Unternehmen 400 Euro pro Tag, ging Prof. Patrick Da-Cruz von der Hochschule Neu-Ulm in seinem Vortrag auf statistische Erhebungen ein. In vielen Betrieben habe deshalb inzwischen ein Bewusstseinswandel eingesetzt, wenn auch nur sehr zaghaft. Denn ob sich Ausgaben für die Gesundheit der Mitarbeiter wirklich bezahlt machen, ist bislang nur schwer zu messen. Dennoch ist Da-Cruz überzeugt: „Betriebliches Gesundheitsmanagement ist kein Luxusgut, sondern Zukunftsinvestion.“

Das kann auch Personalleiter Johnson bestätigen: Bei Fritz & Macziol seien seit Einführung des Gesundheitsprogramms Fehlzeiten und Fluktuation spürbar zurückgegangen.