StartseiteRegionalRegion BiberachLangenenslingenVolkszählung für Schmetterlinge

Volkszählung

Volkszählung für Schmetterlinge

Langenenslingen / Lesedauer: 4 min

Helga und Wilhelm Elser sind im Friedinger Tal fürs Tagfalter-Monitoring zuständig
Veröffentlicht:24.05.2018, 14:11

Von:
Artikel teilen:

Das Friedinger Tal kann als sehr ertragreich bezeichnet werden – wenn es um Schmetterlinge geht. Bei schönem Wetter flattern dort Falter in den unterschiedlichsten Farben und Mustern auf den Flügeln. Darunter sind auch ganz seltene Schmetterlinge wie der Silberfleck-Perlmutt-Falter, die Mohrenfalter oder gar der Schwarze Apollo, der sogar für ein bisschen Aufregung unter den Schmetterlingskennern sorgte. Er ist so eine Rarität, dass sein Vorkommen im Friedinger Tal bis nach Brüssel bekannt wurde. Entdeckt haben ihn Helga und Wilhelm Elser, die im Tal Tagfalter-Monitoring machen. Und das seit über 14 Jahren.

Wenn Helga Elser zum Zählen der Tagfalter ausrückt, ist sie mit Kescher, Kamera, Schreibbrett und einem verschließbaren Glas ausgestattet. Das macht sie von Anfang April bis Ende September, einmal in der Woche. Dabei soll es möglichst wenig winden, mindestens 13 Grad haben, der Himmel darf nicht mehr als 85 Prozent Bewölkung zeigen. Denn Schmetterlinge lieben blauen Himmel und Wärme. Dann sind sie quirlig und aktiv. Bis vor zwei Jahren wurde Helga Elser beim Monitoring von ihrem Mann Wilhelm begleitet, der sie nun allerdings gesundheitsbedingt alleine los ziehen lassen muss.

Auf die Idee, Schmetterlinge zu zählen, kamen die beiden als sie in Pension gingen. „Wir lieben die Natur und interessieren uns für Flora und Fauna“, sagt Helga Elser. Einmal in der Woche rückt sie aus, um im Friedinger Tal die Schmetterlinge zu zählen. Das Hauptziel des Monitorings besteht darin, einen Überblick über die Bestandsentwicklung der Tagfalterarten in Deutschland zu bekommen. Von 146 der in Deutschland regelmäßig nachgewiesenen Tagfalterarten (außer der alpinen Tagfalterarten) wurden 78 Arten in den vergangenen 13 Jahren im Transsekt-Elser gesichtet. Bei den tagaktiven Nachtfaltern waren es 97 Arten.

Durch die Mitarbeit vieler Freiwilliger entstehen Datensätze, mit denen die Situation zahlreicher Arten fundiert beurteilt werden kann und es ergeben sich neue Erkenntnisse. Innerhalb der Gruppe der Insekten eignen sich Tagfalter sehr gut als Indikatoren für Veränderungen von Lebensgemeinschaften, den Zustand der Artenvielfalt und den Einfluss der Klimaerwärmung. Über die vielen Jahre, die Elsers im Friedinger Tal schon zählen, ist auch ihnen aufgefallen, dass sich das Artenvorkommen ändert. „Der Mauerfuchs, zum Beispiel kommt seit 2013 im Tal vor“, so Elser. Davor kannte sie ihn nur vom warmen Kaiserstuhl. Andere wiederum, die viele Jahre in Massen durchs Tal flatterten, haben sich in ihrem Bestand halbiert oder sind gar ganz verschwunden.

Auch von Bundesland zu Bundesland unterscheiden sich die Vorkommen. Bundesweit sehr selten sind die Mohrenfalter. Im Friedinger Tal haben Elsers drei davon entdeckt: den Weißbindigen, den Grauenbindigen und den Rund-Augen-Mohrenfalter. Bundesweit eher rar ist auch der Silberfleck-Perlmutt-Falter, dessen Name fast länger ist als er selbst. Schmetterlinge gibt es in Größen von wenigen Millimetern bis zu 8,5 Zentimeter – so viel kann der Nagelfleck messen. Ähnlich groß sei der Schillerfalter, weiß Elser.

Im langsamen Tempo unterwegs

Elsers Zählgebiet sind 700 Meter im Friedinger Tal, in der Nähe des Rappenfelsens, wo momentan der Wanderfalke vier Junge hat. Das Gebiet haben sie und ihr Mann selbst ausgesucht. Die Strecke ist in 50 Meter-Abschnitte unterteilt. Das sogenannte Transekt wird in langsamem Tempo abgeschritten. Alles, was zwei Meter rechts und links des Weges, vor den Augen des Zählers fliegt, wird registriert. Über die Jahre hat Helga Elser ein großes Wissen angehäuft und kennt viele ihrer Schützlinge. Da fliegt ein Grün-Ader-Weißling, dort ein Zitronenfalter, hier ein Kleiner Fuchs, zeigt Helga Elser mit der Hand mal rechts, mal links. Ihre Augen hat sie überall.

Entdeckt sie einen unbekannten Falter auf einem Blatt oder auf dem Weg sitzend, fotografiert sie ihn, um ihn dann zu Hause zu bestimmen. So ging es ihr und ihrem Mann 2009, als sie auf den Schwarzen Apollo trafen. Der Schmetterling ist solch eine Rarität, dass die Naturschutzbehörde aus Tübingen bei Elsers anrief und der Fund bis Brüssel gemeldet wurde. Unbekannte Falter, die vor ihr herflattern, muss sie dann auch mal mit dem Kescher einfangen, ins Glas sperren, um sie zu fotografieren. Und da gibt es ganz komplizierte Falter. Bei manchen sind Männchen und Weibchen nicht nur auf der Flügeloberseite verschieden, sondern auch die Flügelunterseiten sehen völlig anders aus.

Alles, was bei der Zählung entdeckt wird, wird notiert und das Ergebnis an das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig gemeldet, dessen Projekt das Tagfalter Monitoring Deutschland ist. Seit dem Frühjahr 2005 werden Schmetterlinge in ganz Deutschland systematisch erfasst. Bis 2013 hatten sich 17 europäische Länder der Zählmethode angeschlossen.

Helga Elser kann das Tagfalter Monitoring Neu-Rentnern oder Pensionären nur empfehlen. Man komme an die frische Luft und habe eine Aufgabe. Zeit, Geduld und etwas Computerkenntnisse sollten vorhanden sein. Wer sich für eine eventuelle Übernahme ihres Transekts interessiert, dürfe sie gerne anrufen, sagt die Schmetterlingsfachfrau.