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Mutmaßlich Kriminelle sollen sich bei Ledertech bedient haben

Bopfingen / Lesedauer: 3 min

Staatsanwaltschaft Ellwangen erhebt Anklage wegen Insolvenzverschleppung und Bankrott gegen vier Männer
Veröffentlicht:22.06.2012, 13:35

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Veruntreute Gelder, Insolvenzverschleppung, ein Kanaren-Urlaub und eine Küche auf Firmenkosten: Anscheinend haben einige mutmaßlich Kriminelle die damals angeschlagene Bopfinger Firma Ledertech im Spätherbst 2010 ausgenommen wie eine Weihnachtsgans. Das geht aus einer aktuellen Mitteilung der Staatsanwaltschaft Ellwangen vor, die Anklage gegen vier Männer erhoben hat. Ehe der Betriebsrat die Reißleine zog und im Januar 2011 Insolvenz beantragte, arbeiteten 55 Beschäftigte bei dem Hersteller für Lederfaserstoffe. Mit neuem Eigentümer und verkleinerter Mannschaft versucht Ledertech derzeit, am alten Standort an alte Geschäftserfolge anzuknüpfen. Verantwortlich: Immer die Anderen

Der Wirtschaftskrimi begann Ende Oktober 2010. Damals verkaufte der Finanzinvestor Mutares das Unternehmen Ledertech, das nach Ansicht einiger Branchenkenner bereits wirtschaftlich am Ende war. Die neuen Eigentümer ließen sich – so die damals offizielle Version – von verschiedenen Beratern vertreten. Den längst fälligen Insolvenzantrag stellte keiner dieser Berater. Stattdessen wurden die Mitarbeiter hingehalten. Lohn gab es keinen mehr. Verantwortlich waren scheinbar immer die anderen: Auch in Interviews mit unserer Zeitung versicherten die jetzt Angeschuldigten stets, im Namen von anderen zu handeln.

Doch das war offenbar nicht so: Die Staatsanwaltschaft legt den beiden Hauptangeschuldigten zur Last, zur Verschleierung ihrer Verantwortlichkeit formal Dritte als Geschäftsführer eingesetzt zu haben. Diese waren willfährige Werkzeuge, die ihre Namen oder Unterschriften hergaben. Bei manchen ist nicht einmal sicher, ob sie überhaupt von der Sache wussten. Der einzige Zweck des Versteckspiels: Dem bereits überschuldeten Unternehmen Vermögen für eigene Zwecke entziehen.

Zum Beispiel für einen privaten Weihnachtsurlaub auf Fuerteventura für 9000 Euro, verbucht als Geschäftsreise. Oder eine neue Küche für Zuhause, die Ledertech mit einem „Beraterhonorar“ bezahlte. Trotz Kenntnis der Überschuldung sei kein Insolvenzantrag gestellt und einem Steuerberater eine manipulierte Bilanz vorgelegt worden, so die Staatsanwaltschaft. Konkret lautet die Anklage beim Schöffengericht am Amtsgericht Ellwangen für die zwei Hauptangeklagten auf vorsätzliche Insolvenzverschleppung sowie Bankrott und Untreue in neun beziehungsweise zehn Fällen. Die beiden anderen müssen sich wegen Beihilfe zum Bankrott und Untreue in mehreren Fällen verantworten. Zwei der Angeschuldigten leben in Bremen, einer in Bielefeld, einer in den neuen Bundesländern. Teilweise sind die Angeschuldigten - auch wegen anderer Vermögensdelikte - bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten. Zwei der Angeschuldigten haben sich zu den Tatvorwürfen nach Abschluss der Ermittlungen nicht mehr geäußert.

Die Staatsanwaltschaft schreibt: „Einer der Angeschuldigten hat sich dahingehend eingelassen, dass erfolgreiche Sanierungsbemühungen zur Rettung der Firma Ledertech wegen der Stellung eines Insolvenzantrags durch einen Gläubiger gescheitert seien. Ein weiterer Angeschuldigter hat eingeräumt, dass er erkannt habe, dass ein Insolvenzantrag hätte gestellt werden müssen, er jedoch auf eine Fortführung der Firma Ledertech vertraut habe.“ Es ist davon auszugehen, dass alle vier Männer bald in Ellwangen vor Gericht stehen.

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Noch am 3. Februar 2011 – das vorläufige Insolvenzverfahren lief bereits – hatte einer der jetzt angeschuldigten Berater seinem Ärger Luft gemacht. In den Internetforen mehrerer Regionalzeitungen beschuldigte er namentlich den Insolvenzverwalter, Ledertech-Mitarbeiter und politisch Verantwortliche übler Machenschaften wie Diebstahl und Korruption. Er muss sich deshalb nun außerdem wegen übler Nachrede in 6 Fällen verantworten.

Auf die Spur dieses mutmaßlichen Verleumders kamen die Ermittler durch einen Zufall. Die IP-Adresse, unter der die Eintragungen vorgenommen wurden, gehörte zu einem Internetcafé in Norddeutschland. Weil das Café aber gleichzeitig eine Spielhalle ist, werden die Besucher dort per Video aufgezeichnet: Pech für den Angeschuldigten, Glück für die Polizei.