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Korruption

Kluft zwischen Arm und Reich ist enorm

Dürmentingen / Lesedauer: 4 min

Einsatz der Alb-Donau-Rumänienhilfe ist im EU-Land Rumänien noch immer bitter nötig
Veröffentlicht:17.12.2018, 12:26

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Rumänien ist seit 2007 Mitglied der Europäischen Union. Doch von dem steigenden Wohlstand profitieren längst nicht alle. Den Kranken, Alten, den Ärmsten der Armen gilt Günther Wiedemanns Hilfe. Seit 19 Jahren fährt der Dürmentinger regelmäßig in den Westen Rumäniens, um die Bedürftigen mit dem Lebensnotwendigen, mit Kleidern, Hygieneartikeln, medizinischen Hilfsgütern zu versorgen – und um als „Weihnachtsmann“ für strahlende Kinderaugen zu sorgen.

Jedes Jahr in der Adventszeit verwandelt sich Günther Wiedemanns Haus in so etwas wie die Zentrale des Weihnachtsmanns, eine Annahmestelle für Geschenkpäckchen. Sie sind in diesem Jahr für die Schulen in Jp, Zauan und Cosnciu de Jos im Westen Rumäniens bestimmt. 300 Schul- und Kindergartenkinder sollen bei einer Weihnachtsfeier am 28. Dezember damit beschert werden. Und Wiedemann weiß, dass ihm diese Überraschung gelingen wird. „Das ist immer ein großes Fest“, erzählt der Finanz- und Versicherungsmakler. „Für die Kinder ist das gigantisch. Bei vielen ist es das einzige Päckchen, das sie zu Weihnachten bekommen.“

Die Dankbarkeit der Menschen in Rumänien geht Wiedemann und seinen Mitstreitern von der Alb-Donau-Rumänienhilfe zu Herzen. Die Kinder etwa lernen eigens für den Besuch der Helfer aus Oberschwaben deutsche Weihnachtslieder und begrüßen Wiedemann auch bei späteren Besuchen mit einem freudigen „Da ist ja unser Weihnachtsmann“. Und regelmäßig erhalten Wiedemann und seine Begleiter bei ihren Hilfstransporten Einladungen. Die Menschen seien zwar arm, doch Gastfreundschaft werde groß geschrieben. „Die sind dort einfach so was von dankbar“, sagt der 62-Jährige und berichtet von einer Seniorin, der die Rumänienhilfe den dringend benötigten Rollstuhl organisieren konnte. „Das ist für sie wie für andere Menschen ein Mercedes.“

Korruption und Misswirtschaft

Mehrmals im Jahr nehmen Wiedemann und seine Mitstreiter die 1250 Kilometer lange Strecke auf sich, um die Bedürftigen zu versorgen. Mit Rollstühlen und Krücken, Hygieneartikeln, medizinischen Gerätschaften, was eben gerade benötigt wird. „Wir fahren dorthin, wo ich weiß, dass die Hilfe funktioniert“, berichtet der Gründer der Alb-Donau-Rumänienhilfe. Negative Erfahrungen blieben in den vergangenen 19 Jahren leider nicht aus. Korruption und Misswirtschaft erlebten die Helfer immer wieder. Selbst ein Pfarrer erwies sich als nicht vertrauenswürdig und habe die Hilfsgüter einfach zu Geld gemacht anstatt sie zu verteilen.

Doch im Laufe der Jahre hat Wiedemann ein festes Hilfsnetzwerk geknüpft und arbeitet etwa mit der Caritas-Sozialstation in Marghita zusammen. So erfährt der Dürmentinger, dass seine Hilfe ankommt, dass sich die Situation der Menschen tatsächlich verbessert.

Überhaupt hat sich einiges verändert, seit Wiedemann 1999 zum ersten Mal das Land besuchte, vermittelt über einen rumänischen Kunden. „Das war, wie wenn man hier ins Auto steigt und dann 50 Jahre in der Zeit zurückreist“, erinnert er sich. Ein wenig sei das noch immer so. Ein Pferdewagen, der sich die Straße mit einem 40-Tonner teilt, sei kein seltener Anblick. Noch immer seien viele Menschen Selbstversorger, kochen wie bei uns früher das Kraut aus ihrem Gärtchen für den Winter ein, pökeln nach der Hausschlachtung ihr Fleisch, um Vorräte zu haben. Kein Wunder bei Monatslöhnen von 180 Euro netto.

Aber zwischenzeitlich gebe es tatsächlich auch schöne, gut ausgebaute Straßen, hat Wiedemann beobachtet. Und Menschen, die in Westeuropa Arbeit gefunden haben, könnten es sich mittlerweile leisten, ihre Häuser in der alten Heimat zur renovieren. Doch auf der anderen Seite leidet das Land trotz EU-Beitritt noch immer an Korruption und unter einer maroden Infrastruktur. Pflegeheime und Krankenhäuser seien noch immer dürftig ausgestattet. In einer Schule, die er besucht habe, sei der Fußboden weggefault und die Kinder litten unter der Kälte. Die Kluft zwischen Armen und Reichen sei wahnsinnig groß. Auf der einen Seite gebe es Netto-Supermärkte, in denen Kunden, die es sich leisten können, überteuerte Waren einkaufen – weil die deutsche Milch für zwei Euro angeblich besser sei. Auf der anderen Seite lebten Arbeitslose „vom Hand in den Mund“, hat Wiedemann beobachtet: „Aber die Armen interessieren die Reichen nicht“.

300 Kinder zu bescheren

Doch Wiedemann interessiert sich für sie. Und deshalb organisiert er derzeit wie jedes Jahr im Advent seine nächste Fahrt, beschafft Hilfsgüter, zählt etwas nervös die Weihnachtspäckchen in seinem Haus. Etwa 100 seien es bislang, 300 müssen es insgesamt werden, um alle Kinder glücklich zu machen. Wiedemann ist froh, dass er sich hier auf feste Unterstützer wie die Riedlinger Realschüler verlassen kann. Und er hofft auf viele weitere Spender, die weiterhin Päckchen in seinem Zuhause in Dürmentingen abgeben können.