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Kernbotschaft

Wersch gibt zum Abschied den Mahner

Biberach / Lesedauer: 5 min

Finanzbürgermeister regt für die Zukunft Steuer- und Gebührenerhöhungen an
Veröffentlicht:20.11.2018, 18:59

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Das Erreichte absichern und bei künftigen Wünschen stärker die finanziellen Risiken im Blick behalten. Mit dieser Kernbotschaft hat Finanzbürgermeister Roland Wersch am Montagabend im Gemeinderat die Beratungen des städtischen Haushalts für 2019 eröffnet. Für ihn ist es der letzte, den er auf den Weg bringt. Wersch geht Ende Januar in Ruhestand.

Nicht die üppig sprudelnden Steuereinnahmen wie in den vergangenen Jahren waren das Hauptthema der ersten Haushaltslesung. Am Montag überwog eher die Ernüchterung. Erstmals nämlich wurde der Haushaltsplan nach dem Rechnungswesen der kommunalen Doppik erstellt. Das bedeutet, dass Ressourcenaufkommen (Erträge) und Ressourcenverbrauch (Aufwand) der Stadt systematisch erfasst werden. Damit kann die Veränderung des Vermögens der Stadt dargestellt werden, wenn eigentlich keine Zahlungen anfallen. So berücksichtigt die Doppik zum Beispiel den Wertverlust von Gebäuden durch Zeitablauf und Nutzung (Abschreibungen) genauso wie künftige Belastungen, die beispielsweise durch Pensionsverpflichtungen entstehen (Rückstellungen).

Demzufolge kalkuliert die Verwaltung 2019 für die Stadt mit einem Werteverzehr von 238 Millionen Euro. Im Idealfall stehen dagegen Erträge, die höher sind und als zusätzliche Gewinne für Investitionen genutzt werden können. Trotz hoher Erträge, gerade im Gewerbesteuerbereich, schafft es Biberach 2019 aber „nur“, diesen Ressourcenverbrauch auszugleichen. Der Haushalt erzielt damit eine „schwarze Null“ und ist genehmigungsfähig. „Die schwarze Null ist zwar rechtskonform, aber nicht erstrebenswert“, sagte Wersch. Sie reiche nicht aus, um die Ziele anzugehen, die die Stadt angehen wolle.

Der Finanzbürgermeister verwies in diesem Zusammenhang auf die Hebesätze für Grund- und Gewerbesteuer. „Biberach hat inzwischen mit die niedrigsten Hebesätze in ganz Deutschland.“ Das passe zusammen mit der guten wirtschaftlichen Situation der Stadt. Über die niedrigen Steuersätze beteilige man die Bürger am Wohlstand. Gegenüber der Kostenentwicklung seien die Mehreinnahmen aber zu gering. Deshalb solle der Rat darüber nachdenken, die Grundsteuerhebesätze in den nächsten Jahren zu erhöhen. Die Gewerbesteuererträge veranschlagt die Verwaltung bis 2022 mit jährlich 115 Millionen Euro brutto. „Das ist ein hoher Wert, den man erst einmal erwirtschaften muss“, so Wersch. Man hänge hier aber stark von einem Unternehmen ab, sagte Wersch mit Blick auf Boehringer Ingelheim als größtem Gewerbesteuerzahler der Stadt. Auch hier ließen sich durch eine Erhöhung des Gewerbesteuersatzes von 300 auf 330 Prozentpunkte rund zehn Millionen Euro brutto zusätzlich erzielen. Wersch warnte aber mit Blick auf politische und wirtschaftliche Entwicklungen in der Welt auch: „Es gibt keine Systematik der Glückseligkeit für Biberach.“

Mit Blick auf die Vielzahl der Gebühren für Musik- oder VHS-Kurse, für Parken, Kindergärten oder behördliche Genehmigungen, meinte Wersch: „Sie sind insgesamt unter dem vertretbaren Niveau.“ Das werde man so auf Dauer nicht halten können. „Es wird ein Heulen und Zähneknirschen geben, wenn Sie hier anpassen müssen“, sagte der Finanzbürgermeister zu den Stadträten.

Auch die Personalkosten seien mit 32,85 Millionen Euro für 525 Stellen auf einem hohen Wert. Schaffe es die Stadt, den Altersdurchschnitt ihrer Beschäftigten zu senken, „sinken auch die Personalkosten etwas“, so Wersch. Das sei aber schwierig, weil junge Fachkräfte zunehmend schwieriger zu finden seien.

Erspartes wird weniger

Hohe Investitionssummen hat die Stadt auch für den Erwerb von Grundstücken (10,2 Millionen Euro) sowie für Baumaßnahmen (32 Millionen Euro) geplant. Um dies finanzieren zu können, muss die Stadt an ihr Erspartes gehen. Die liquiden Eigenmittel betragen Ende 2018 voraussichtlich rund 227 Millionen Euro. Bis 2022 werden davon rund 58 Millionen Euro abfließen, so Wersch.

Einen besonderen Blick warf Wersch auf den Stellenzuwachs bei der Stadtverwaltung, der seit 2009 rund 30 Prozent betrug, „verbunden mit einem noch deutlicheren Lohnzuwachs“. Im Betreuungsbereich sei die Stellenzahl seit 2009 sogar um 240 Prozent gestiegen. In dieser Zeit habe aber die Anzahl der Kinder nicht im gleichen Verhältnis zugenommen. Hier sei vor allem in die Qualität investiert worden, was Wersch kritisch beurteilte: „Waren wir 2008 oder 2010 wirklich so schlecht im Betreuungsbereich.“ Einmal innezuhalten sei aus seiner Sicht keine Katastrophe.

Auf Sicherheit steuern

Die schwarze Null, so Werschs Fazit, sei auch in den nächsten Jahren erreichbar. Dies werde aber zunehmend schwieriger, weil die notwendigen Überschüsse zur Finanzierung der geplanten Investitionen, die sehr hoch sind, nicht erreicht werden. „Eine ausgewogene Stadt- und Finanzpolitik muss neben den Möglichkeiten auch zwingend die Risiken in den Blick nehmen“, so Wersch. Der Gemeinderat habe auch die Pflicht, auf die nachhaltige Finanzierbarkeit der Wünsche und Ideen zu achten. „Wir sollten nicht 50 Maßnahmen umsetzen, wenn wir nicht wissen, ob für mehr als 40 Geld da ist. Wo könnte das leichter fallen als bei uns in Biberach. Einer Stadt, in der es in den vergangenen zehn Jahren an nichts gefehlt hat außer an ausreichend Zeit für alles.“ Die Stadt solle über das bereits beschlossene gewaltige Qualitätspaket der nächsten Jahre hinaus nichts weiter erzwingen, sondern souverän und geduldig auf Sicherheit steuern.

Wichtige Kennzahlen des Haushaltsplans 2019

Ordentl. Erträge 238,02 Mio. Euro

Ordentl. Aufwendungen 238,02 Mio. Euro

Überschuss 0 Euro

Schulden (Kernhaushalt) 0 Euro

Schulden Eigenbetrieb Stadtentwässerung 36,2 Mio Euro

Schulden EB Wohnungswirtschaft noch nicht bekannt

Gewerbesteuereinnahmen 115 Mio. Euro

Grundsteuer A & B 3,4 Mio. Euro

Einkommen-/Umsatzsteuer 28,7 Mio. Euro

Personalaufwendungen 32,9 Mio. Euro

Baumaßnahmen 31,9 Mio. Euro

Grundstückserwerb 10,2 Mio. Euro

Finanzausgleichsumlage 30,6 Mio. Euro

Kreisumlage 27 Mio. Euro

Gewerbesteuerumlage 26 Mio. Euro

Änderung des Finanzierungsmittelbestands -20,9 Mio. Euro

Steuerhebesätze:

Grundsteuer A und B: 200 v. H.

Gewerbesteuer: 300 v. H.