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Romantik

Meisterpianist fasziniert vom Barock zur Romantik

Biberach / Lesedauer: 3 min

Zum „kleinen“ Jubiläum „Zehn Jahre Klassik in Biberach“ gastierte der Pianist Oliver Kern in der Stadthalle
Veröffentlicht:10.11.2019, 15:13

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Meisterpianist Oliver Kern hat mit Werken vom Barock zur Romantik anlässlich des Jubiläums „Zehn Jahre Klassik in Biberach“ in der Stadthalle begeistert.

Das Konzert begann mit dem italienischen Komponisten und Cembalisten Domenico Scarlatti , dessen große musikhistorische Bedeutung in seinen Cembalo-Sonaten liegt, die mit vielen volkstümlichen Elementen zum Originellsten ihres Genres im 18. Jahrhundert zählen. Er schrieb deren 555, beeinflusste damit auch andere Komponisten. Scarlattis Klavierwerk kann eine Brückenfunktion zwischen Barock und Klassik zugeschrieben werden. Oliver Kern spielte die Sonaten K. 162 mit prickelnder Originalität, K. 87 mit Anklängen an Palestrinas Polyphonie und K.141 „Toccata“, ein virtuoses Paradestück.

Hohe Anforderungen

Die Toccata C-Dur op. 7 ist ein frühes, äußerst virtuoses, einsätziges Klavierwerk von Robert Schumann, uraufgeführt 1834 durch Clara Wieck, seine spätere Ehefrau. Das Werk stellt hohe technische Anforderungen wie etwa bis zu fünfstimmiges polyphones Spiel, lässt immer wieder auch kurz aufblühende lyrische Phrasen hören.

Die „Moments musicaux“ op. 94 von Franz Schubert sind sechs Klavierstücke, die im Frühjahr 1828 erschienen sind. Sie gehören zu den bekanntesten Klavierwerken Schuberts. Kern spielte deren drei. Das erste in C-Dur hat Menuettcharakter mit einem liedhaften Mittelteil. Im zweiten, As-Dur, hört man eine ruhige Siciliana; es endet mit schier religiöser Stille. Im dritten, fis-Moll, klingt ungarische Volksmusik an. Im Gegensatz zur düsteren Stimmung anderer Stücke des Zyklus findet sich hier eher eine Leichtigkeit wie in den vielen kurzen Tänzen von Schubert.

Es war Franz Liszt, der durch seine genialen Klavierfassungen berühmter Schubertlieder den vielfach unterschätzten Wiener Romantiker ins Zentrum der romantischen Ästhetik rückte; diese Fassungen errangen rasch große Bedeutung.

Bei „Gretchen am Spinnrad“ und beim „Erlkönig“ macht Liszt aus Liedern Opern, die der Pianist vielstimmig und mit rasendem Zulauf auf die Kulminationspunkte erhebt. Da ist beim „Gretchen“ der hingebungsvolle Aufschrei „Und ach sein Kuss“, da sind die verführerischen Lyrismen beim „Erlkönig „willst feiner Knabe Du mit mir geh’n?“

Als Höhepunkt dieser kleinen Gruppe spielte Kern Liszts Bearbeitung von „Isoldes Liebestod“ aus Wagners „Tristan“. Wohl kaum ein Werk der Musikgeschichte behandelt die tödliche Konsequenz aus exzessiver Liebe konsequenter als Wagner im Tristan. Franz Liszt und Oliver Kern überreichen das Tristanmotiv unirdisch überhöht auf einem goldenen Klangteller.

Frédéric Chopins Ballade g-Moll op.23 ist das erste Instrumentalwerk in der Musikgeschichte mit diesem Titel. Das Werk fasziniert mit ungewöhnlicher Schönheit der melodischen Themen mit epischen, lyrischen und heroischen Inhalten. Es erzählt eine Geschichte von Liebe und von Dramatik.

Von Sergei Rachmaninoff folgten dessen Préludes D-Dur und g-Moll. Das erstere wirkt wie ein Chopinsches Nocturne, wie ein Lied ohne Worte. Das zweite hier gehörte „alla marcia“ weist heldenhafte Züge auf, assoziiert großes Blech. Mit der charakteristischen, melancholisch-pathetischen Klangsprache, den dynamischen Steigerungen sind diese zehn Préludes einer der Höhepunkte spätromantischer Klaviermusik.

Bei Rachmaninoffs sechs „Moments musicaux“ zeigt jedes einzelne eine musikalische Form, die für eine frühere musikalische Ära charakteristisch ist. Die Formen, die in den von Kern gespielten Stücken auftauchen, sind ein fröhliches Allegretto, ein russisch empfindsamer, bassorientierter Marsch mit tristanscher Harmonik und ein sehr schnelles Presto. Fritz Kreislers „Liebesfreud und Liebesleid“ wurden von dessen Freund Sergei Rachmaninoff 1931virtuos für Klavier transkribiert, führt atmosphärisch nach Wien.

Oliver Kern interpretiert mit tiefem Ausdruck und Leidenschaft, arbeitet das Vorwärtsdrängende wie das Empfindungsreiche der Partituren heraus, artikuliert Lyrik und Kantabilität mit Fantasie und Innigkeit, krönt das Ganze mit absoluter technischer Perfektion.