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Falscher Fürst erobert echte Gräfin

Biberach / Lesedauer: 3 min

Theater Pforzheim zeigt grandios umgesetzte Millöcker-Operette „Der Bettelstudent“
Veröffentlicht:11.01.2018, 16:05

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Seit Jahren gibt es vom Theater Pforzheim in Biberach musikalische Gastspiele, zumeist in ausgezeichneter künstlerischer Qualität. Man erinnert sich an eine großartige „Bohéme“ und der jetzt gezeigte „Bettelstudent“ setzt die Reihe sehr guter Inszenierungen fort. Ein peinlicher regielicher Ausrutscher mit „Nabucco“ im März 2016 war die große Ausnahme.

Die Pforzheimer hatten ein respektables Orchester mit 35 Musikern in die Stadthalle mitgebracht, das unter der temperamentvollen Leitung des Generalmusikdirektors Markus Huber mit Verve die unsterblichen Melodien dieses Operettenklassikers interpretierte und stilvoll die musikalischen Nuancen erarbeitete. Ein eindrucksvolles musikalisches Erlebnis der Finesse und der Raffinesse, inszeniert von Wolfgang Lachnitt.

Man ist im Jahre 1704. Revolution in der polnischen Stadt Krakau. Halb Polen ist von Sachsen besetzt. Der grobschlächtig virile sächsische Gouverneur Oberst Ollendorf stellt der verarmten polnischen Grafentochter Laura nach, küsst sie auf einem Ball auf die Schulter, erhält dafür eine Ohrfeige. Sein Auftrittslied bringt sofort die richtige operettige Stimmung: „Ach ich hab Sie ja nur auf die Schulter geküsst...“ Und seine Rache ist durchaus exquisit. Den gefangen gehaltenen armen Studenten Symon stattet er mit Geld und falschem Fürstentitel aus. Der soll Lauras Herz gewinnen und sie auch heiraten. Aber Laura und Symon verlieben sich ernsthaft, sie nimmt ihn auch ohne Adelstitel. Es gibt noch ein zweites Liebespaar. Symons ebenfalls einsitzender Begleiter Jan, den Ollendorf zu Symons Adjudanten macht, der aber ein polnischer Offizier ist, verliebt sich in Lauras Schwester Bronislawa; sie liebt zurück. Alles das ist begleitet, umkränzt, veredelt durch wunderbare und schmissige Musik. Und das Happy End lässt nicht auf sich warten. Herzog Adam Kasimir befreit Polen von der sächsischen Herrschaft. Er macht Symon zum Grafen, damit zum ebenbürtigen Ehemann von Laura.

Seit der Uraufführung im Jahre 1882 gehört „Der Bettelstudent“ von Carl Millöcker zu den beliebtesten Operetten überhaupt. Der Grund ist die umwerfende Musik, die den Charme der Wiener Operette mit dem satirischen Witz des Urvaters der Operette, Jacques Offenbach, verbindet.

Kaum ein Wunsch offen

Die Pforzheimer Besetzung lässt – fast – keinen Wunsch offen. Die beiden jungen Frauen sind Stamatica Geronthonasi (Laura) und Natasha Sallès (Bronislawa), zwei klangschöne, ästhetisch singende Soprane. Dazu Mutter Palmatica in der tieferen Stimmlage (Gabriela Zamfirescu). Und die Männer: Symon (Bennis Marr) war heiser, konnte nur spielen und sprechen. Gesungen hat für ihn von der Seitenrampe Sebastian Fuchsberger vom Theater Freiberg. Philipp Werner ließ wunderschönem Tenorklang hören (Jan), Lukas Schmid grollte mit großem Bass (Ollendorf). Er hatte seine vier Ordonanz-Offiziere um sich (Lothar Helm, Aleksandar Stefanoski, Paul Jadach, dabei wie üblich eine Frau: Danielle Rohr). Und als das komische Element der fast sächsisch-sichere Klaus Geber (Enterich). Exzellente Personenführung und gut bewegte Chöre brachten Spieltempo und spannungsreiches Geschehen. Die Musik reiht einen Ohrwurm an den anderen, als da sind: Symons Lied „Ich knüpfte manche zarte Bande“, das Duett Bronislawa/Jan: „Durch diesen Kuss ist unser Bund geweiht“, Duett Laura/Symon „Ich setz den Fall“ und viele andere mehr.

Wunderschöne Kostüme, die besonders den Damen mehrere Kleiderwechsel erlaubten, setzten optische Reizpunkte, gekrönt von Bildern des Mailänder Manieristen Guiseppe Arcimboldo auf großen Abhängern. Das war ein wunderschöner Theaterabend, der zu recht einen nicht enden wollenden Schlussapplaus erhielt.