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Fürs Sprayen kommen Jugendliche sogar am Wochenende in die Schule

Biberach / Lesedauer: 3 min

Neue Graffiti schmücken eine prominente Mauer in der Stadt – Wie das Werk entstanden ist
Veröffentlicht:24.07.2018, 17:30

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Egal, ob beim Bahnhof, am Jugendhaus oder jetzt auch an einer Schule: Die Graffiti-Kunst erobert immer häufiger die Fassaden von Biberach – und das ganz legal. Einst als Geschmiere verschrien und in der Untergrundszene entstanden, sind die bunten Werke mittlerweile fest im Stadtbild verankert. Blaue Graffiti zieren seit dieser Woche auch das Wieland-Gymnasium. Für den 65 Jahre alten Kunstlehrer Heinz Dress war dies ein Herzensprojekt.

Wer in diesen Tagen beim Wieland-Gymnasium vorbeigeht, dem kriecht ein ungewöhnlicher Geruch in die Nase: Es riecht nach frischer Farbe. Mit der energetischen Sanierung des Gebäudes hat das aber nichts zu tun. Vielmehr geht es um die Wand entlang der Rollinstraße. Diese hat merklich ihr Aussehen verändert – aus dem Betongrau wurde ein blaues Sammelsurium aus Buchstaben und Zeichen. Achtklässlerinnen der Kunstprofilklasse sowie zwei Elftklässlerinnen verewigen sich dort auf insgesamt 26 Metern mit ihren Graffiti. „Eigentlich ist es ja illegal, einfach so drauf los zu sprayen“, sagt die 17-jährige Rosa Adrian. Doch in diesem Fall ist alles erlaubt. Denn es handelt sich um ein ganz offizielles Unterrichtsprojekt.

„Die Idee dazu trage sich seit zwei Jahren mit mir herum“, sagt Lehrer Heinz Dress. Jetzt, wenige Tage vor seiner Pensionierung, wollte er das Vorhaben noch realisieren. „Mir war es wichtig, dass wir ein Werk mit einer gewissen Wildheit, Spontanität und Lebendigkeit gestalten,“ erläutert Dress. Graffiti seien die Sprache der Jugend und für ihn absolut „salonfähig.“ Die Vorbereitungen dafür laufen seit Beginn des Schuljahrs. Entwürfe ausarbeiten, sich mit den Abläufen beim Sprayen vertraut machen – Stück für Stück entwickelten die Schüler ein Gesamtkonzept.

Verbindung zu Südafrika

Unterstützung bekommen sie von zwei erfahrenen Künstlern: Florian Kaiser und Daniel Schuster (Daschu). Sie bringen sich mit ihrer Kreativität gerne ein, auch, weil Florian Kaiser im Jahr 2006 sein Abitur am Wieland-Gymnasium ablegte. Zwölf Jahre später kehrt er für wenige Tage an seine alte Wirkungsstätte zurück. „Wir haben die Farbe Blau vorgegeben, um ein harmonisches Gesamtwerk aus vielen einzelnen Bildern zu erschaffen“, erläutert Florian Kaiser. Darüber hinaus sprayt er gemeinsam mit Daniel Schuster die Gesichter von insgesamt drei Gymnasiasten auf. Diese wurden per Los bestimmt und im Vorfeld von Fotograf Andreas Reiner porträtiert. Von ihm stammen die fotografischen Vorlagen, auf deren Grundlage Florian Kaiser und Daniel Schuster die Gesichter auf die Betonmauer bringen.

Diese Herangehensweise erinnert nicht zufällig an das „Township Art Project“ beziehungsweise das „Manila Art Project“. Die beiden Streetartkünstler reisten in der Vergangenheit nach Südafrika und auf die Philippinen, um unter Einbezug der Einwohner die dortigen Slums zu verschönern. „Wir wollten dieses Konzept gerne auch einmal in Biberach ausprobieren und schauen, wie es ankommt“, sagt Florian Kaiser.

Neugierige Passanten

Gegen Mittwochnachmittag soll das Kunstwerk fertig sein. Bis dahin können Interessierte noch vorbeikommen, um den Entstehungsprozess mitzuverfolgen. Schon jetzt stoppen immer wieder Passanten, um den Künstlern und Schülerinnen über die Schulter zu schauen.

Bei den Jugendlichen kommt das Projekt so gut an, dass sie auch am Samstag und Sonntag freiwillig in die Schule kamen. Denn um das Werk vor den Sommerferien rechtzeitig zu vollenden, wurde auch am zweiten Schützenwochenende Hand angelegt. „Es macht sehr viel Spaß“, sagen Sarah Asmar, Lena Natterer, Samira Alaz und Rosa Adrian unisono. Sie haben wie die anderen sichtlich Freude daran, sich künstlerisch an der Mauer auszutoben. Die 14-jährige Samira Alaz sagt: „Beim Sprayen gibt es kein Richtig und kein Falsch.“