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„Das Smartphone ist Ihr Schaufenster“

Biberach / Lesedauer: 3 min

Experte prophezeit Biberacher Einzelhändlern radikale Veränderungen durch den Onlinehandel und gibt Tipps, wie sich dem stellen können
Veröffentlicht:21.03.2018, 17:48

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Welche Auswirkungen hat der Internethandel von Amazon & Co. auf den stationären Einzelhandel in einer Stadt wie Biberach und wie können sich hiesige Händler ein Stück dieses Kuchens sichern? Damit befasste sich eine Infoveranstaltung, organisiert von der IHK Ulm und der Stadt Biberach am Dienstagabend. Rund 90 Händler aus der Region waren dazu ins Parkhotel Jordanbad gekommen.

Hauptredner war Gerrit Heinemann , Professor für BWL, Management und Handel an der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach, zuvor in verantwortlichen Positionen bei Douglas und Kaufhof tätig und Autor mehrerer Bücher zur Zukunft des Handels. Heinemann, der sich selbst als „Wanderprediger“ in Sachen Onlinehandel bezeichnet, konfrontierte die anwesenden Einzelhändler mit einer Reihe von teils schwierigen Hausaufgaben. „Möglicherweise ist die Handelswelt in Biberach noch in Ordnung, aber auch in Biberach werden bereits beträchtliche Umsätze im Internet gemacht“, so der Referent. Die Digitalisierung stehe ganz am Anfang und es werde in den nächsten Jahren zu radikalen Veränderungen kommen. „Bis 2020 werden zehn Prozent der Geschäfte in Deutschland schließen“, prophezeite er. Gleichzeitig würden in zehn Jahren 60 Prozent aller Kaufentscheidungen im Nicht-Lebensmittel-Bereich im Internet getroffen. Wer als Einzelhändler daran teilhaben wolle, dürfe das Internet nicht als „Teufelswerk“ verdammen, sondern müsse eine digitale Agenda für sein Unternehmen entwickeln.

Der Kunde übertrage seine Erwartungen und Erfahrungen mit dem Internet auf den stationären Handel. „Dazu gehören die schnelle Verfügbarkeit, das einfache Retournieren und eine riesige Auswahl.“ Den Händlern empfahl Heinemann, eine eigene Internetseite anzulegen, die responsiv sei, also über ein Design verfügt, das sich dem jeweiligen Endgerät (PC, Tablet, Smartphone) anpasst: „Das Smartphone ist Ihr Schaufenster.“ Um dem Nutzer eine schnelle Verfügbarkeit des gewünschten Artikels zu ermöglichen, sei die Anbindung eines elektronischen Warenmanagements an die Internetseite notwendig. „Dafür gibt es keine Ausrede, und sie bieten dem Kunden damit verlässliche Verfügbarkeitsinformationen.“

Junge Kunden gewinnen

Händler sollten in ihren Läden den Internetzugang per Smartphone ermöglichen, sagte Heinemann. „Wenn Sie ein Handyverbot aussprechen oder mit Störsendern arbeiten, wird das vom Kunden als Hausverbot empfunden.“ Das Verkaufspersonal müsse für Beratungsgespräche top geschult und freundlich sein, „denn viele Kunden sind der Ansicht, dass sie durch die Internetrecherche bereits besser informiert sind als das Ladenpersonal“. Vor allem um die jungen Kunden müssten sich die Einzelhändler auf digitalem Weg bemühen. „Die diktieren zu Hause die Kaufentscheidungen. Wer diese Zielgruppe nicht hat, wird keine Zukunft haben“, so Heinemann.

Er riet den Händlern auch, über erweiterte Öffnungszeiten am Abend und am Wochenende nachzudenken. Ebenso solle der Handel vor Ort kooperieren und zum Beispiel einen eigenen Lieferdienst oder eine Beratung zu Hause beim Kunden organisieren. „Lösen Sie sich vom Residenzprinzip, dass der Kunde immer zu Ihnen kommen muss“, sagte Heinemann.

Wichtig für einen erfolgreichen stationären Einzelhandel sei auch eine gute Infrastruktur und Erreichbarkeit der Innenstädte. „Dazu gehören günstige Parkplätze in der Nähe, WCs, günstiges Essen und Sauberkeit in der Stadt.“ Ein Lob zollte er der Stadt Biberach dafür, dass sie bislang Fachmarktansiedlungen mit innenstadtrelevanten Sortimenten auf der grünen Wiese verhindert habe. Dagegen halte er es für sinnvoll, Lebensmittelmärkte in die Innenstädte zu holen. Eine Absage erteilte er aber aus Handelssicht einer völlig verkehrsberuhigten Innenstadt: „Wir haben zu viele Fußgängerzonen.“

In Richtung große Politik bewertete Heinemann es kritisch, dass Internetriesen wie Amazon aus kartellrechtlicher Sicht nichts entgegengehalten werde. „Stattdessen beschäftigt man sich lieber jahrelang damit, ob Tengelmann an Edeka verkauft werden darf.“

Im zweiten Teil des Abends stellten fünf regionale Anbieter von Internet-Marktplätzen und Suchmaschinen den Zuhörern ihre Produkte vor und standen für Gespräche zur Verfügung.