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Leitstelle

AOK fordert weniger Leitstellen

Biberach / Lesedauer: 4 min

Laut Rainer Baudermann sind die Leitstellen im Südwesten nicht ausreichend ausgelastet.
Veröffentlicht:16.03.2018, 17:41

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Laut Rainer Baudermann von der AOK Baden-Württemberg sind die Leitstellen im Südwesten nicht ausreichend ausgelastet. Deshalb plädiert er für eine schlankere Struktur. Durch Zusammenlegungen von Leitstellen, im Sinne der Ausfallsicherheit, der Arbeitseffizienz und der Einsatzmittelverfügbarkeit profitierten Patienten, sagt er im Interview mit Andreas Spengler .

Die AOK fordert die Zusammenlegung der Leitstellen. Wäre das wirklich im Sinne der Patienten oder geht es dabei nur um Einsparungen?

Um sicherzustellen, dass die richtige Hilfe so schnell wie möglich vor Ort eintrifft, müssen etliche Abläufe optimiert werden. Einer der Abläufe in der Leitstelle ist, den Notruf ohne schuldhafte Verzögerung anzunehmen, diesen richtig abzufragen, das Ergebnis zu selektieren und dann das entsprechende Rettungsmittel zu entsenden. Danach wird der Anrufer zu weiteren Details beispielsweise zu Vorgeschichte und Örtlichkeit befragt und es werden Erste-Hilfe-Anweisungen gegeben bis hin zur Telefon-Reanimation. Und das an 24 Stunden, sieben Tage die Woche. Um die personelle Ausfallsicherheit zu gewährleisten, müssen Leitstellen mit mindestens zwei Disponenten besetzt sein.

Und wo liegt das Problem, wenn Leitstellen mit mindestens zwei Disponenten besetzt sein sollen?

Diese sind jedoch nur dann bedarfsgerecht besetzt, wenn die Leitstellen auch das entsprechend hohe Aufkommen an Anrufen und Einsätzen haben. In Baden-Württemberg gibt es bis dato noch sehr viele Leitstellen, die nicht über die Auslastung verfügen, um sie mit zwei Disponenten rund um die Uhr zu besetzen.

Was ist dabei noch wichtig?

Weiter ermöglicht die Trennung von Notrufabfrage und Disposition eine kürzere Wartezeit für den Anrufer sowie eine schnellere Dispositions- und Alarmierungszeit. Diese Trennung der Leitstellenarbeit benötigt laut Gutachten fünf Disponenten pro Schicht, und damit die Leitstelle bedarfsgerecht besetzt ist, muss das Aufkommen entsprechend hoch sein, was wiederum nur durch eine Zusammenlegung mehrerer Leitstellen erreicht werden kann. Die technische Ausfallsicherheit wird durch eine Redundanz der Leitstelle sichergestellt.

Was fordert die AOK Baden-Württemberg an dieser Stelle?

Die AOK Baden-Württemberg fordert, wie auch die Landesregierung, das Konzept der Vernetzung. Leitstellen sollen sich im Bedarfsfall gegenseitig vertreten und unterstützen. Es geht primär um die Patienten, die durch Zusammenlegungen von Leitstellen, im Sinne der Ausfallsicherheit, Arbeitseffizienz und der Einsatzmittelverfügbarkeit profitieren.

Gegner dieses Vorschlags betonen, die detaillierten Kenntnisse über die Region seien wichtig für die rasche Notfallversorgung. Überregionale Leitstellen dürften dabei klare Nachteile haben?

Eine Studie der Firma BeraSys und des FZI Forschungszentrums Informatik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hat ergeben, dass Ortskenntnisse der Disponenten keine Auswirkungen auf die Notfallversorgung haben. Im Zuge der Digitalisierung kann auch von größerer Entfernung disponiert werden, durch Unterstützung von Geographischen Informationssystemen, Satellitenbildern und Karten vom Statistischen Landesamt. Bei Polizei und Feuerwehr ist es schon längst umgesetzt, dass immer weniger Leitstellen größere Bereiche abdecken.

Wie kann darüber hinaus sichergestellt werden, dass in Zukunft die Hilfsfristen eingehalten werden können?

Die Hilfsfrist ist nur ein Teil der Rettungskette, die es zu beleuchten gilt. Auch die strukturierte Notrufabfrage gehört dazu. Sie gewährleistet, dass im ganzen Land, nach dem gleichen Schema der Notruf abgefragt und bearbeitet wird. Weiter müssen die technischen Weiterentwicklungen, beispielsweise im Segment der digitalen Alarmierung, ausgenutzt werden, um weitere wichtige Sekunden und Minuten einzusparen. Zudem fordert die AOK Baden-Württemberg ein schnelleres Ausrücken der Einsatzkräfte. Das Innenministerium hat Ausrückzeiten von einer Minute als machbar vorgestellt. In anderen Ländern ist dies schon Standard, ebenso die strukturierte Notrufabfrage.

Was könnte darüber hinaus unternommen werden, um eine rasche Versorgung zu gewährleisten?

Viele weitere Möglichkeiten, um den Rettungsdienst zu verbessern, bestehen darin, die Kompetenzen der Notfallsanitäter endlich gesetzlich zu verankern, klare Strukturen im Bereich der Notfallversorgung zu schaffen und eine Entlastung des Rettungsdienstes von Bagatellen, die der Kassenärztliche-Notdienst versorgen kann, damit die Ressourcen Rettungstransportwagen und Notarzteinsatzfahrzeug wieder ihren originären Aufgaben zur Verfügung stehen.

Rettungssanitäter vor Ort klagen oft über mangelnde finanzielle Ausstattung. Müsste nicht mehr Geld in das System gesteckt werden, statt über Einsparungen nachzudenken?

Die Krankenkassen investieren jedes Jahr Millionen in die Weiterentwicklung des Rettungsdienstes. Von Einsparungen kann nicht die Rede sein. Die Kassen sind aber per Gesetz dazu angehalten, dass die Finanzierung und Investitionen sinnvoll und wirtschaftlich zu sein haben. Dazu müssen Gelder an den richtigen Stellen investiert werden. So finanzieren wir beispielsweise die Ausbildung zum Notfallsanitäter mit 220 Millionen Euro oder statten die Rettungsmittel mit Tablets aus, um die Dokumentation und die Arbeitsabläufe zu verbessern und die hohen Qualitätsstandards der SQR-BW, einer Stelle zur trägerübergreifenden Qualitätssicherung im Rettungsdienst, zu erfüllen.