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Finanzwesen

70 Tage Urlaub: Mehr Leben, weniger Arbeit in Katar

Biberach / Lesedauer: 4 min

Der Biberacher Gordon Rose arbeitet in dem Emirat am Persischen Golf beim Staatsfonds
Veröffentlicht:27.08.2017, 19:55

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Südafrika, Großbritannien und jetzt Katar: Den 35-jährigen Gordon Rose zieht es wegen seines Berufs im Finanzwesen immer wieder an außergewöhnliche Orte. Seit einem Monat lebt der Biberacher in Doha, einer rasant wachsenden Stadt am Persischen Golf. Vor rund 65 Jahren war Doha, die Hauptstadt Katars, noch ein kleines Fischerdorf mit Lehmhütten. Jetzt dominieren moderne, prachtvolle Hochhäuser das Stadtbild.

Für Gordon Rose beginnt das Wochenende am Freitag. Denn in dem muslimischen Land ist nicht der Sonntag der heilige Tag in der Woche, sondern eben der Freitag. Dementsprechend startet die Arbeitswoche in Katar bereits am Sonntag. Doch das ist nicht der einzige Unterschied. Die Wassertemperatur in den Schwimmbecken muss im Sommer heruntergekühlt werden, Alkohol gibt es nur unter strengen Auflagen und die Sommerferien für Schüler dauern zehn Wochen. Baden im Meer ist während der Sommermonate kaum möglich, liegt die Wassertemperatur doch bei mehr als 30 Grad. Als die „ Schwäbische Zeitung “ mit Gordon Rose telefonierte, zeigte das Thermometer eine Außentemperatur von 41 Grad an.

Bessere Work-Life-Balance

Das Leben in dem Emirat ist anders, aber nicht schlechter. „Die Work-Life-Balance, also die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, ist hier deutlich besser als in Deutschland“, sagt der Auswanderer, der 2002 sein Abitur am Wieland-Gymnasium in Biberach gemacht hat. Sein Arbeitstag in Doha beginnt morgens um sieben Uhr, gegen 15 Uhr ist er wieder zu Hause. „Bei diesen Arbeitszeiten hat man dann auch noch Lust, etwas zu unternehmen“, sagt der 35-Jährige. Im Swimmingpool mit den Kindern toben, Essen gehen oder mit Arbeitskollegen ein Bierchen trinken – all das verstehe er unter einer guten Work-Life-Balance. Als Ausländer könne er sich in dem Land frei bewegen, genieße sogar Vorteile gegenüber den Einheimischen. „Uns ist es erlaubt, Alkohol und Schweinefleisch zu kaufen“, erläutert er. Gegen Vorlage eines entsprechenden Ausweises kann er einen bestimmten Anteil seines Gehalts für die in Katar eigentlich verbotenen Güter ausgeben.

Bedienung am Arbeitsplatz

Gordon Rose ist in der Finanzbranche tätig, zuletzt arbeitete er in Frankfurt. Ein Headhunter warb ihn ab – jetzt ist er beim Staatsfonds angestellt. 70 Tage Urlaub pro Jahr, ein jährlich bezahlter Flug für die ganze Familie nach Deutschland und ein attraktives Gehalt überzeugten den zweifachen Familienvater: „Natürlich spielt das Geld bei so einer Entscheidung auch eine Rolle. Klimatisch oder landschaftlich gesehen stand Katar nicht auf meiner Agenda.“ Im Arbeitsalltag ist so manches anders als in Deutschland. „Etwas gewöhnen muss ich mich noch an die sogenannten ’Office-Boys’ “, sagt Gordon Rose. Diese Angestellten nehmen ihm Dinge wie Kaffee holen oder kopieren ab: „Ich müsste quasi aus meinem Bürostuhl den ganzen Tag nicht aufstehen – außer ich muss auf die Toilette.“

Trotz aller Anreize, der Prozess der Entscheidung für ein Leben in dem etwa 5700 Kilometer entfernten Land war lang. Auch, weil sich seine Frau Natascha wegen der Spannungen zwischen Saudi-Arabien und Katar sorgte: „Sie hat sich das jetzt vor Ort angeschaut und kommt mit unseren beiden Kindern im September nach.“ Die Kinder, Ciara (sieben Jahre alt) und Riano (drei Jahre alt), werden dann auf eine deutsche Schule beziehungsweise in den angegliederten Kindergarten gehen. Leben wird die Familie in einer Siedlung, in der auch andere deutsche Auswanderer wohnen.

Heimatgefühl nie ganz erloschen

Für ihn ist ein Leben im Ausland nichts Neues. Während des Studiums lebte er zwei Jahre lang in Bloemfontein (Südafrika), wenig später zog es ihn nach London. 2012 kehrte er mit der Familie zurück nach Frankfurt, weil die Metropole an der Themse nicht der beste Ort für Kinder sei. „London ist zu teuer, zu groß und zu dreckig“, schildert Gordon Rose. Es sei eine schöne Erfahrung gewesen, aber keine Lösung für die Ewigkeit. In all den Jahren ist seine Verbindung zu Biberach zwar weniger geworden, aber das Heimatgefühl ist nie ganz erloschen. Seine Eltern leben hier und auch das Schützenfest trägt sein Übriges dazu bei, dass er immer mal wieder in die hiesigen Gefilde reist. Wie lange er in Katar bleiben wird, ist noch nicht abzusehen. Aber: „Ich hoffe, es wird ein langer Lebensabschnitt.“