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Dickenreishausen

Weil die Polizei nicht weiterkam: Fahrradhändler fahndet selbst nach Dieben

Berkheim / Lesedauer: 3 min

Als die Polizei bei ihren Ermittlungen an ihre Grenzen stieß, ergriff ein Memminger selbst die Initiative und suchte nach einem Schweizer Paar. Erfolgreich, wenn auch nicht ganz rechtskonform.
Veröffentlicht:20.03.2019, 17:01

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Richard Wiblishauser betreibt seit vielen Jahren seinen Radl-Stadl im Memminger Ortsteil Dickenreishausen und hatte es in der Vergangenheit auch schon mit Einbrechern zu tun, die es auf die Tageseinnahmen und hochwertige Fahrräder abgesehen hatten. Ein solcher Fall wie im Juli ist ihm bisher aber noch nicht untergekommen. Ein jüngeres Pärchen aus der Schweiz zeigte Interesse für zwei E-Mountainbikes im Wert von 8000 Euro. Beide machten einen vertrauenswürdigen Eindruck und erkundigten sich bereits wegen der Ausstellung einer Ausfuhrbescheinigung zur Rückerstattung der Mehrwertsteuer. Anschließend durften sie eine Probefahrt machen – und kamen nicht mehr zurück.

Sehr schnell alarmierte Wiblishauser die Memminger Polizei . Für die ermittelnden Beamten stellte der Händler eine Videoaufzeichnung aus den Verkaufsräumen zur Verfügung, die zumindest von dem männlichen Dieb ein gestochen scharfes Bild lieferte. Der polizeiliche Abgleich mit bekannten Straftätern führte jedoch zu keinem Treffer. Eine behördliche Öffentlichkeitsfahndung mit dem Foto des Gaunerpärchens war laut Polizei in diesem Fall rechtlich nicht zulässig.

Der entstandene Schaden war beträchtlich, nicht versichert und wurmte den Fachhändler. Nach einiger Überlegung ergriff er die Initiative. Auf der Facebook-Seite seines Geschäfts postete er die Bilder der Langfinger und erklärte den Internetnutzern, was passiert war. Zudem setzte er eine Belohnung von 500 Euro für den entscheidenden Hinweis aus.

Wiblishauser musste nicht lange warten: in kurzer Zeit wurde die Seite mehr als 3000-mal geteilt und erreichte dadurch eine enorme Verbreitung. Nach wenigen Tagen gab es eine Vielzahl eindeutiger namentlicher Hinweise auf das Schweizer Pärchen. Aber damit nicht genug: das Gaunerduo meldete sich reumütig beim Fahrradhändler, sicherte die Rückgabe der Räder zu und bat um Löschung des Facebook-Eintrags. Bekannte der Fahrraddiebe hatten diese auf die ungewöhnliche Fahndung aufmerksam gemacht. Tatsächlich stellten sich die Diebe der Schweizer Polizei und gaben die leicht zerkratzten Räder zurück. Wiblishauser löschte seinen Post, musste jedoch die Räder instandsetzen. Folgerichtig bekamen die Diebe auch die entsprechende Reparaturrechnung.

„Formaljuristisch erhebliche Risiken“

Thomas Hörmann ist Gruppenleiter bei der Memminger Staatsanwaltschaft und kennt die schwierige Rechtslage in diesem Fall. Tatsächlich dürfe eine polizeiliche Öffentlichkeitsfahndung mit einem Foto oder einer Videosequenz von Straftätern nur bei „Straftaten von erheblicher Bedeutung“ angeordnet werden. Zum Beispiel bei Mord oder einem bewaffneten Raubüberfall. Die Straftat muss laut Hörmann zumindest dem mittleren Kriminalitätsbereich zuzuordnen sein.

Dagegen birgt eine privat initiierte Öffentlichkeitsfahndung über die sozialen Medien laut Hörmann „formaljuristisch erhebliche Risiken“, da der Gesuchte einen Verstoß gegen das Kunsturheberrechtsgesetz reklamieren könne, weil seine Persönlichkeitsrechte verletzt wurden.

Im vorliegenden Fall erhielten die beiden Schweizer vom Memminger Amtsgericht zunächst jeweils einen Strafbefehl, gegen den beide jedoch Rechtsmittel einlegten. So kam es nun zu einer Hauptverhandlung, in der Wiblishauser als Zeuge geladen war. Letztlich wurden die beiden gut verdienenden Angeklagten jeweils zu einer Geldstrafe von 9000 Euro verurteilt.

Für Wiblishauser ist der Kriminalfall vorläufig abgeschlossen. Die in seinem Fachgeschäft installierten Videokameras, auf die an allen Eingängen mit einem Schild hingewiesen wird, haben zur erfolgreichen Täterermittlung geführt. Etwas enttäuscht ist er darüber, dass den Behörden in seinem Fall bei der Fahndung rechtlich die Hände gebunden waren und er selbst die Initiative ergreifen musste. Seiner Kundschaft werden er und seine Mannschaft aber weiter offen und freundlich begegnen. Auch gewünschte Probefahrten werde es uneingeschränkt weitergeben.

Allerdings werde man in Einzelfällen etwas vorsichtiger vorgehen und beispielsweise den Personalausweis kopieren. Damit soll ausgeschlossen werden, dass Räder von ihm kostenfrei in der Schweizer Bergwelt unterwegs sind.