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Psyche des Opfers soll untersucht werden

Bad Schussenried / Lesedauer: 4 min

Prozess gegen 40-Jährigen wegen versuchten Mordes und Vergewaltigung geht weiter
Veröffentlicht:14.12.2018, 14:40

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Der Prozess am Landgericht Ravensburg gegen einen 40-Jährigen aus dem Landkreis Biberach hat am Donnerstag eine überraschende Wendung genommen. Der Mann ist wegen versuchten Mordes und Vergewaltigung angeklagt. Bisher hatte er sich weder zu seiner Person noch zur Tat geäußert. Am Donnerstag nun ließ er gleich zu Beginn der Verhandlung den Richtern einen Antrag zukommen. Damit überraschte er selbst sein ambitioniertes Anwaltsgespann.

Er bitte um die Nachstellung im Gerichtssaal des „schlicht und einfach unmöglichen“ Handykabelangriffs, dessen der 40-jährige Angeklagte unter anderem angeklagt wird. Und zwar eine Nachstellung unter den Augen des geladenen rechtsmedizinischen Gutachters – das ist das Ansinnen, das dem Vorsitzenden Richter Maier und seinen Beisitzern auf das Richterpult flatterte, kaum, dass der neue Prozesstag begonnen hat. Und das ganz offensichtlich ohne Wissen seiner beiden Strafverteidiger.

Pflichtverteidiger bittet um Unterbrechung

Er habe Sorge, das Gericht sei „nicht in der Lage, Wahrheit von Lüge zu trennen“ und dass das Urteil schon geschrieben sei, las Maier weiter aus dem Papier des ansonsten nicht auskunftsfreudigen Angeklagten vor. Mit dem Aufruf „Ich bitte Sie, Justitia in den Vordergrund zu stellen“ endete der Schrieb des Angeklagten. Woraufhin Pflichtverteidiger Ziegler um „fünf handgestoppte Minuten“ mit seinem Mandanten bat. Das Resultat: Der Angeklagte nahm den Antrag zurück.

Im Laufe des vierten Verhandlungstags gab es noch weitere, gut vorbereitete und offizielle Beweisanträge: So bat der Verteidiger darum, man möge ein unabhängiges psychologisches Gutachten von einem weiteren Sachverständigen anfertigen lassen. Begutachtet werden soll laut seines Antrags das als Nebenklägerin auftretende Opfer. Die Frau habe offensichtlich „heftige Stimmungsschwankungen“. Und sie leide an einer „tiefgreifenden Instabilität in zwischenmenschlichen Beziehungen“, wie verschiedene Vorstrafen nahe legten.

Psychiaterin soll aussagen

Die Wahlverteidigerin aus Karlsruhe stellte davor bereits den Antrag, die Chefärztin der Forensischen Psychiatrie in Bad Saulgau zur Vernehmung zu laden. Dort war der Angeklagte zuletzt im Dezember 2017 in Behandlung. „Ich benötigte Unterstützung“, wie der Angeklagte in einer seiner seltenen Wortmeldungen bekundete.

Der rechtsmedizinische Gutachter, als erster Zeuge des Tags, rückte indes einiges zurecht: Die als „Platzwunde“ des Opfers aktenkundig gewordene Verletzung am Hinterkopf der 39-Jährigen hielt er ebenso wie die anderen Stichwunden auch für eine „schneidende Verletzung“.

Eine einwandfreie Drosselmarke, die von der im Raum stehenden Attacke mit einem Handyladekabel stammen könnte, konnte der Gutachter indes nicht bestätigen. „Wenn ich an einem Kabel ziehe, dann gibt es eine zirkuläre Marke und beidseitige Einblutungen“, sagte der Gutachter. Die dokumentierte Rötung am Hals der Geschädigten könne jedoch von einem „Kleidungszug“ herrühren, alles sei denkbar.

Zu den Kopfverletzungen des Angeklagten – die Frau schlug ihm mit mehreren Bierflaschen auf den Kopf – beschied der Gutachter: Die Quetsch-Risswunden hätten „keinen medizinisch-relevanten Blutverlust“ nach sich gezogen, ein Schädel-Hirn-Trauma könne aus einem derartigen Schlag nicht resultieren.

Ist die Tat wirklich so passiert?

Und wieder einmal stellte sich die Frage, ob nicht womöglich die Tatgeschehnisse in umgekehrter Reihenfolge stattgefunden haben können. Die Notärztin, die in der Tatnacht die 39-Jährige Frau am Tatort erstversorgte, sagte nämlich bereits bei der polizeilichen Vernehmung aus, die Patientin habe ihr geschildert, dass sie sich nach einem brutalen Übergriff ihres Sex-Partners „mit Bierflaschen gewehrt“ habe.

Daraufhin habe er auf sie eingestochen. Die Menge an Blutspuren und deren Auswertung jedoch lassen nicht einwandfrei darauf schließen, dass der Mann bei seiner Attacke mit der Schere bereits verletzt gewesen sei – so viel konnte eine Sachverständige für molekular-genetische Spuren des Landeskriminalamtes sagen: „Die Blutspuren im Kinderzimmer passen zu den Verletzungen an der Geschädigten, die im Wohnzimmer zu denen am Angeklagten“.

Fortsetzung am Montag

Am Montag wird die Verhandlung um 10 Uhr in öffentlicher Sitzung fortgesetzt. Dann wird das Gericht darüber entscheiden, ob den Beweisanträgen der Verteidigung stattgegeben und die Verhandlung deutlich ausgedehnt werden muss. Ein Gutachten zur Nebenklägerin zu erstellen zu lassen, würde nämlich Monate dauern.

Das psychiatrische Gutachten über den 40-jährigen Angeklagten wird für Montag erwartet. Ursprünglich sollte dann am Mittwoch, 19. Dezember das Urteil gefällt werden. Da jedoch eine lebenslange Sicherheitsverwahrung im Raum steht, werden die Verteidiger alle juristischen Möglichkeiten ausschöpfen.