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Sensationsfund

Sensationsfund: Seltene Käferart am Federsee entdeckt

Bad Buchau / Lesedauer: 3 min

Der Dünen-Blattkäfer galt in Baden-Württemberg als ausgestorben oder verschollen – Erstmals seit 1973 gesichtet
Veröffentlicht:25.07.2019, 21:00

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Ein Käferspezialist des Regierungspräsidiums Tübingen hat im Federseemoor einen sehr seltenen Käfer gefunden. Chrysomela collaris, der Dünen-Blattkäfer, wurde in Baden-Württemberg das letzte Mal 1973 nachgewiesen.

Das teilt der Naturschutzbund Nabu mit, der das Naturschutzzentrum am Federsee betreibt. Er bezeichnet die Sichtung als „Sensationsfund“, denn in der baden-württembergischen Roten Liste bedrohter Arten war er als „ausgestorben/verschollen“ vermerkt. Das ist der seltenste Status „0“.

Ein kleiner kugeliger schwarzer Käfer mit roten seitlichen Streifen am Halsschild macht sich an der Knospe einer Kriechweide zu schaffen. Von oben ist leider alles durch weiße Weidenkätzchenhaare versperrt. Darum versucht er es von unten. Mit seinen Mundwerkzeugen nagt er ein Loch in die stabile Kätzchenhülle. Chrysomela collaris, so heißt der clevere Bursche, hat sein Ziel erreicht: die Nektarquelle am Grund der Knospe liegt offen.

Der Dünen-Blattkäfer ist ein Feinschmecker und auf Kriechweide und andere niederwüchsige Weidenarten spezialisiert. Er gehört zur Familie der Blatthornkäfer, deren auffälliges Merkmal die wie die Zinken eines Metallbesens aufgefächerten Fühlerplättchen sind.

Relikt einer eiszeitlichen Tierwelt

Das nur sieben Millimeter winzige Tier ist ein Käfer mit Tradition: länger als die meisten anderen gepanzerten Genossen lebt diese Art bereits am Federsee. Sie ist ein Überbleibsel einer nacheiszeitlichen Tier- und Pflanzenwelt, ein so genanntes Eiszeitrelikt. Genau wie andere eiszeitliche Pflanzen und Tiere ist der Dünen-Blattkäfer auf eine offene Moorlandschaft mit kühlem Lokalklima angewiesen.

Da Moore überall in Mitteleuropa großflächig entwässert und zerstört wurden, sind die Uralameise, die Kriechweide oder das gelb blühende Karlszepter in ganz Mitteleuropa rückläufig und echte Raritäten. Im Land war der letzte Fund 1973 und „am Federsee wurde die Art letztmals 1937 gefunden“, weiß Käferexperte Daniel Masur, Mitarbeiter des Regierungspräsidiums Tübingen.

Um weiterhin als Schutzzone für bedrohte Tiere und Pflanzen dienen zu können, muss das Federseemoor seine Biotopfunktionen erfüllen können, schreibt der Nabu „Moore ,funktionieren‘ nur dann richtig, wenn sie feucht sind. Deshalb hat die EU bereits zweimal große Renaturierungen am Federsee unterstützt, indem auf landeseigenen Flächen der Wasserabfluss gestoppt wurde“, sagt Jost Einstein , Leiter des Nabu-Naturschutzzentrums Federsee. Die Entwässerung gefährde nicht nur die Biotopfunktion von Mooren. Dränierte Moorstandorte wüchsen innerhalb weniger Jahre zu. Nur durch regelmäßiges Mähen könnten sie offen gehalten werden, so Einstein.

Manuelle Pflege unerlässlich

Über sogenannte Landschaftspflegeverträge mähen beauftragte Landwirte jährlich fast 1000 Hektar. „Sensible Lebensraumtypen mit einer hoch spezialisierten Tier- und Pflanzenwelt müssen jedoch individueller bewirtschaftet werden. Seltene Pflanzen wie beispielsweise das in Baden-Württemberg nur am Federsee vorkommende Karlszepter müssen sehr vorsichtig behandelt werden“, gibt Einstein zu bedenken. Hier setzt die manuelle Landschaftspflege des Nabu an, dessen Mitarbeiter jedes Winterhalbjahr rund 100 Hektar von Hand mit Motorsensen pflegen.

„Das Mähen mit Freischneidern in unzugänglichen Riedbereichen ist kein Zuckerschlecken, aber unerlässlich. Die landesweit bedeutendsten oder sogar einzigen Vorkommen des Dünen-Blattkäfers, des Karlszepters, des Kurzflügelkäfers Thiasophila bercionis, der Sumpfglanzkraut-Orchidee und des Randring-Perlmutterfalters bestätigen die Bemühungen des Naturschutzes“.