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Informationsabend

Bedenken sind da, überwiegen aber nicht

Bad Buchau / Lesedauer: 4 min

Infoabend zum Thema Flüchtlinge in Bad Buchau stößt auf großes Interesse und verläuft überwiegend sachlich
Veröffentlicht:14.01.2016, 09:44

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Auf großes, ja, auf enormes Interesse ist der Informationsabend zur Unterbringung der Flüchtlinge in Bad Buchau gestoßen. So enorm, dass der Saal im Haus der Musik den Andrang der Besucher nicht fassen konnte, die sich bis in den Eingangsbereich verteilten. Hermann Kienle , Leiter des Kreissozialamts, Ernst Grassl und Katharina Sämrow vom Landratsamt Biberach stellten sich den – überwiegend sachlichen – Fragen der Bürger.

140 weitere Flüchtlinge wird das Landratsamt Biberach innerhalb der nächsten Monate in Bad Buchau unterbringen. Insgesamt werden dann bis zu 240 Flüchtlinge in der Kurstadt leben. Zahlen, die in der Bevölkerung Fragen aufwerfen, zuweilen auch mit Befürchtungen verbunden sind – gerade nach den sexuellen Übergriffen in der Silvesternacht.

Die Ereignisse in Köln und anderswo waren denn auch beim Informationsabend des Landratsamts ständig präsent – ohne aber die zumeist sachliche Diskussion zu überlagern. „Angesichts dieser Vorfälle ist es nicht einfach, für die Willkommenskultur zu werben“, räumte Kreissozialamtsleiter Hermann Kienle gleich zu Beginn ein. Das Landratsamt vertrete hier eine klare Linie der „Null Toleranz“. Konkret bedeute das, kriminelles Verhalten anzuzeigen und damit strafrechtlich zu verfolgen, führte Kienle auf Nachfrage des Buchauer Stadtrats Stefan Feurle aus. Notwendig geworden sei dies bislang aber kaum.

Auch deshalb bat der Sozialamtsleiter darum, „Verallgemeinerungen zu vermeiden“. 70 Prozent der Asylbewerber im Kreis sind jünger als 30 Jahre, 40 Prozent alleinstehend (und damit in der Regel männlich). „Aber nicht jeder junge, alleinstehende Mann ist ein Sicherheitsrisiko“, betonte Kienle. „Die Allermeisten verhalten sich konform.“

Das bestätigte auch Ernst Grassl, der als Wohnheimleiter über eine jahrelange Erfahrung in diesem Bereich verfügt. Trotz dichter Belegung seien Konflikte der Flüchtlinge untereinander keinesfalls programmiert, wie ein Besucher in seiner Wortmeldung vermutet hatte. Auch wenn sich Spannungen freilich nicht immer vermeiden ließen. „Aber sperren S’ mi mal mit Preißen ein – des wär’ au schwierig“, warb der bayerischstämmige Grassl für Verständnis. Doch die soziale Kontrolle in den Unterkünften funktioniere, gerade weil das Landratsamt keine reine Männerwohnheime einrichte, sondern Familien und alleinstehende Männer mische. „Wenn Einzelne über die Stränge schlagen, werden sie diszipliniert von den Familienvätern.“

Diese Strategie soll auch beim „Mohren“ verfolgt werden, griff Grassl die Bedenken eines Anwohners auf. Überhaupt setze das Landratsamt auf den Kontakt mit der Nachbarschaft. „Wir haben bei unseren Wohnheimen tolle Nachbarn, die auch anfangs Bedenken hatten. Durch das Leben miteinander hat sich aber gezeigt, dass diese Ängste gar nicht nötig waren“, berichtete Grassl von seinen Erfahrungen. Eine hundertprozentige Sicherheitsgarantie könne es aber nicht geben, entgegnete Grassl einer weiteren Anwohnerin, die ebenfalls die Ereignisse in Köln angesprochen hatte. Sie habe Verständnis für die Flüchtlinge, so die Buchauerin, und ihr sei bewusst, dass es sich um Einzelfälle handle: „Aber ein Einzelfall wäre mir schon zu viel, wenn er in meinem Haus passiert.“ Grassls Rat: Nachbarn sollten direkten Kontakt zu ihren neuen Mitbewohnern pflegen. „Wichtig ist, dass man sich kennt. Damit holen Sie die Menschen auch ein Stück weit aus der Anonymität raus.“ Als ständige Ansprechpartnerin stehe Sozialarbeiterin Katharina Sämrow zur Verfügung, die auch mit dem bestehenden, sehr aktiven Helferkreis in Buchau zusammenarbeitet.

Neben dem Thema Sicherheit gab es viele Detailfragen zu den geplanten Unterkünften und zur Flüchtlingspolitik allgemein, die den Buchauern beim Infoabend unter den Nägeln brannten. Nicht alle konnte Sozialamtsleiter Kienle aus dem Stehgreif beantworten – und nicht immer stellten sich die Antworten so einfach dar, wie sie sich wohl Stadtrat Heinz Weiss bei seinen häufigen Wortmeldungen gewünscht hätte.

Bürgermeister Peter Diesch hatte zudem im Vorfeld an die Besucher appelliert, sich bei diesem Thema nicht zu sehr von Emotionen leiten zu lassen. Die Herausforderung sei groß, aber durchaus zu bewältigen: „Unsere Stadt hat bereits in der Vergangenheit – noch dazu in wirtschaftlich deutlich schlechteren Zeiten – unter Beweis gestellt, dass wir solche Situationen meistern können.“

Zahlen, Daten, Fakten

Flüchtlingszahlen: Bundesweit wurden 2015 rund eine Million Flüchtlinge aufgenommen, im Kreis Biberach 2000. Aktuell leben im Landkreis Biberach 2000 Flüchtlinge in Gemeinschaftsunterkünften und 500 in Anschlussunterbringung. Derzeit werden dem Landkreis wöchentlich 80 bis 100 Personen zugewiesen. Dennoch rechnet das Landratsamt für 2016 mit insgesamt 2000 Flüchtlingen.

Gemeinschaftsunterkünfte in Bad Buchau (mit Anzahl an Plätzen): Hauptstraße 28 (50 Plätze), Riedlinger Straße (7), ehemaliger Rewe Schussenrieder Straße 86 (80), Gasthof Mohren Kirchstraße 2 (50), Wohnungen (17); Gesamtanzahl an Plätzen: 204.

Die Stadt wird für weitere 35 Personen eine Anschlussunterbringung bereitstellen.

Sozialleistungen für Flüchtlinge: Alleinstehend/alleinerziehend: 330 Euro; Ehepaar/eheähnliche Gemeinschaft: 297 Euro; Haushaltsangehörige ab 18 Jahren: 263 Euro; Kinder von 14 bis 17 Jahren: 269 Euro; Kinder von sechs bis 13 Jahren: 240 Euro; Kinder bis zu fünf Jahren: 212 Euro.

Weitere Informationen:

www.biberach.dewww.asyl-bc.dewww.iff-bc.de