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Heiligkreuztal

Ein künstlerischer Aufschrei

Altheim, bei Riedlingen / Lesedauer: 4 min

Ausstellung mit Werken von Hermann Weber im Bildungshaus Heiligkreuztal eröffnet
Veröffentlicht:22.10.2018, 18:56

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Im Bildungshaus Heiligkreuztal wurde die Ausstellung „Anthropozän – Das große Sterben“ des in Biberach geborenen Künstlers Hermann Weber eröffnet. Weber, ehemaliger Student an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe bei den Professoren Lüpertz, von Hancke und bei Antes, ist Professor an der Burg Giebichenstein Hochschule für Kunst und Design in Halle/Saale.

Im Rahmen der OEW-Ausstellungen in Heiligkreuztal konnte der Kurator des Bildungswerks Michael Kessler aus Tübingen, den in Biberach geborenen Künstler Weber und die Ausstellungsbesucher begrüßen. Dr. Wilfried Steuer, Alt-Landrat und ehemaliger Vorstandsvorsitzender der EVS und EnBW, Claus Wilhelm Hoffmann, ehemaliger Bürgermeister der Stadt Biberach, und Josef Weber, Bruder des Künstlers und Abgeordneter im Kreistag (Grüne) sowie einige Gäste versammelten sich um den Künstler und lauschten der Rede des Kurators Kessler. Kurz umriss er die Geschichte der OEW und erwähnte, dass mit Weber bereits 2011 die Serie der Ausstellungen im OEW-Saal begonnen wurde. Insgesamt 20 Ausstellungen folgten. Nachdem der OEW-Saal nun einen anderen Verwendungszweck erhielt, wurde die Ausstellung von Weber in den ersten Stock verlegt.

Die Werke Webers nehmen Bezug auf seine 2017 erschienene Katalogpublikation. Diese war anlassbezogen und ein zorniger Protest des Künstlers anlässlich eines gigantischen Planfeststellungsverfahrens für ein zunächst 46 Hektar, später 140 Hektar großes Industriegebiet im nördlichen Risstal. Als gebürtiger Mettenberger und Sohn einer Bauernfamile lagen ihm die Natur und der Naturschutz am Herzen und es entstanden Bilder, die aufrütteln und zum Nachdenken anregen sollen.

Da er den bekannten Biberacher Künstler Jakob Bräckle persönlich kennenlernen durfte, nahm er einige seiner Bilder als Vorlage und ergänzte sie durch Kollageteile. So zum Beispiel das Bild „Hütte im Schnee“, ein monochromes Bild mit einer schneebedeckten Hütte vor einem bleiernen Himmel; kein Anzeichen von Leben, mit einem Kreuz und einem Baustellenschild davor. Weber nennt es „Gott segne unsere Flure“. Die Hütte stand schon bei Bräckle als Symbol für die Sorge um das eigene Haus. Weber, der mit seinen Geschwistern schon frühzeitig lernte, mit und nicht gegen die Natur zu arbeiten, sah das Problem vom Risstal nicht nur regional, sondern weltweit.

Epochale Eingriffe

Der titelgebende Ausdruck „Anthropozän“ stammt vom niederländischen Chemiker und Atmosphärenforscher Paul Crutzen , der es im Jahr 2000 kreierte und das beim internationalen Geologischen Kongress in Kapstadt 2016 als Vorschlag einer neuen geochronologischen Epoche aufgenommen wurde. Die Wissenschaftler erkannten, dass der Einfluss des Menschen auf die Erde global nachweisbar und teils unumkehrbar sei. Anthropozän bedeutet ein neues geologisches Zeitalter, das vom Menschen bestimmt ist. Denn der Mensch greift seit Beginn der Industriellen Revolution vor rund 200 Jahren so massiv in die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde ein, dass die Auswirkungen noch in 100 000 bis 300 000 Jahren zu spüren sein werden. Denn mindestens so lange dauern die Epochen der Erdgeschichte.

Der Einfluss des Menschen auf den Planeten ist groß. „Die Menschheit schafft sich ab“, erkannte der bekannte Forscher Prof. Dr. Harald Lesch. Weber benennt eine seiner Collagen deshalb auch mit den Worten von Prof. Dr. Peter Berthold, Ornithologe und Verhaltensforscher von der Vogelwarte Radolfzell: „Erst sterben die Vögel, dann wir.“ Im Golgotha-Bild stellt er ein Kruzifix mit Gasmaske dar, vor einem Traktor, der gerade das Feld mit Glyphosat besprüht. Tote Vögel liegen im Vordergrund. Weber ergänzt das Bild mit dem Text: „Täglich sterben bis zu 150 Pflanzen- und Tierarten aus, weil sich eine Art auf diesem Planeten ungebremst, rücksichtslos und gnadenlos ausbreitet und allen anderen Lebewesen den Lebensraum wegnimmt und zerstört: der Mensch. Für die Natur, die Tiere und Pflanzen sind wir Menschen das Auschwitz des 21. Jahrhunderts.“

Weber erzählte in seiner Ansprache vom Aufwachsen in Mettenberg und dem Leben und der Arbeit in tiefer Verbundenheit mit der Natur und den Tieren. Auch seinem Bruder sei dies in der Kindheit von den Eltern mitgegeben worden. Dieser schlug nur einen anderen Weg ein, übernahm den elterlichen Bauernhof, betreibt erfolgreich einen Bioland-Hofladen und sitzt im Kreistag von Biberach für die Grünen. Beide sind bemüht, „Gottes Schöpfung zu bewahren“. Josef Weber fasste aus seiner Sicht das Ansinnen seines Bruders kurz in seiner Rede zusammen. Er erinnere sich noch gut an die Aussage seines Vaters : „Ich sehe keine Lerchen mehr. Das mit der Sprüherei kann nicht gut gehen.“