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„Leck mich am Arsch“ - strafbar oder harmlos?

Überlingen / Lesedauer: 5 min

Zwei ehemalige Arbeitskollegen legen ihren Streit vor dem Amtsgericht Überlingen bei
Veröffentlicht:11.09.2018, 18:33

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„Leck mich am Arsch“: Ist das eine ganz gewöhnliche Floskel? Oder ist es strafbar, sich gegenüber anderen so auszudrücken? Und wie ist es in Baden? Könnte es dort, wie in Schwaben und in Bayern, sogar als eine gängige Formel gelten, um ein Gespräch zu beenden? Zu dieser Frage sollte das Amtsgericht Überlingen am Dienstag ein Urteil fällen, doch zu dieser Grundsatzentscheidung kam es überhaupt nicht. Stattdessen appellierte Richter Jürgen Kragler an beide Seiten, den Streit beizulegen und sich gegenseitig zu entschuldigen.

Vorausgegangen war ein Streit unter Arbeitskollegen in Überlingen, wie er eigentlich gewöhnlicher nicht sein könnte. Wie die Klägerin schilderte, hatte sie von ihrem Kollegen an einem Abend Ende April eine Nachricht über den Kurznachrichtendienst Whatsapp bekommen, in der er sie kritisierte. Weil sie die Nachricht in ihrer Freizeit erhielt, beschloss sie aber, die Angelegenheit am nächsten Morgen am Arbeitsplatz persönlich mit ihm zu klären.

Doch dazu sollte es nicht kommen. Denn der Kollege kam am nächsten Tag zu spät zur Arbeit. Als sie ihn auf seine Verspätung ansprach und fragte, warum er nicht Bescheid gesagt habe, habe er erwidert, es sei ohnehin niemand da. Er meinte seinen Chef und dessen Stellvertreter, sie aber fühlte sich angegriffen. Sie habe gefragt: „Bin ich niemand?“ Daraufhin sei er schnellen Schrittes und laut werdend zur Tür gegangen, habe dabei zu ihr „den Satz gesagt“, wie sie es formulierte, und die Tür im Rausgehen zugeschlagen. Die Folge: Die Frau zeigte ihren – inzwischen ehemaligen – Arbeitskollegen an und klagte auf Unterlassung.

Ich hätte genauso gut ‚Kruzifix‘ oder ‚Heilandzack‘ sagen können“

Der Mann schilderte den Vorfall ähnlich. Schon in dem Moment, in dem er reinkam, habe sie ihm etwas zugerufen. „Wenn sie keine Whatsapp-Nachricht möchte, kann ich es nochmal hier erklären“, sagte er. Doch dann habe sie angefangen, „rumzudiskutieren“. Irgendwann sei es zum Themenwechsel gekommen, darauf, dass er zu spät gekommen sei und niemanden benachrichtigt habe. „Sie ist etwas lauter geworden“, sagte er. Und: „Darf ich sagen: angepisst?“

Der Satz „Leck mich am Arsch“ sei definitiv gefallen. Er habe ihn aber nicht – wie sie es aufgefasst habe – zu ihr persönlich gesagt. Vielmehr habe er ihn beim Verlassen des Raums vor sich hin gesagt. „Ich hätte genauso gut ‚Kruzifix‘ oder ‚Heilandzack‘ sagen können“, sagte er. Bevor er noch weitere Beispiele nennen konnte, winkte Richter Jürgen Kragler ab. Der Mann gestand ein: „Die Stimmung war etwas aufgeheizt und ich habe die Tür nicht sanft zugemacht.“

Kragler wies zwar darauf hin, dass grundsätzlich alles vor Gericht verhandelt werden könne. Er würde ein Urteil schon fällen. „Die Frage ist aber, ob es nötig ist, so etwas vor Gericht zu klären“, sagte er. Dies sei genau so ein Fall, wo die Beteiligten nur miteinander reden müssten. „Im Normalfall braucht es dafür keine Juristen“, sagte er. Seiner Einschätzung nach trafen beide Beteiligten beim anderen jeweils einen wunden Punkt, sodass sie „aneinander hoch gegangen“ seien. „Wenn so etwas bei Unter-18-Jährigen passiert, erklärt man ihnen, wie man sich verhalten sollte. Wenn man über 18 ist, weiß man es eigentlich“, sagte der Richter.

Die Frage ist aber, ob es nötig ist, so etwas vor Gericht zu klären“

Pochten die beiden Kontrahenten nun auf ein Gerichtsurteil, täten sie sich seiner Ansicht nach keinen Gefallen. „Dann gibt es einen Gewinner und einen Verlierer, der gedemütigt aus der Situation geht“, sagte er. Abgeschlossen sei die Sache dann vermutlich noch nicht. Brächten aber beide Seiten ihr Bedauern zum Ausdruck, würden letztlich alle ihr Gesicht wahren und die Sache ein für alle Mal beenden.

Dass es aber gar nicht einfach ist, solch einen Streit hinter sich zu lassen, brachte der Mann zum Ausdruck. „Sie hat mich verklagt wegen so einem Furz“, sagte er leicht gereizt. Richter Jürgen Kragler konnte ihn dennoch überzeugen, den Streit beizulegen. Eine Entschuldigung von seiner ehemaligen Arbeitskollegin wollte sich der Mann aber nicht einmal anhören.

Rechtsanwalt Rafael Fischer, der ihn verteidigte, ist zwar zufrieden, dass der Streit für seinen Mandanten nun erledigt ist. Doch er bedauert, dass kein Urteil gesprochen wurde. „Ich hätte gerne die Frage geklärt, ob man im Badischen ‚Leck mich am Arsch‘ sagen darf oder nicht“, sagte er. Schließlich solle man so reden dürfen, wie einem der Schnabel gewachsen sei und im Süddeutschen gehe es eben oft etwas derber zu, was aber nicht unbedingt beleidigend gemeint sein müsse. „Das muss man aushalten“, sagt er. Dies in Form einer Unterlassung verbieten zu wollen, sei ein Maulkorb.

Ich hätte gerne die Frage geklärt, ob man im Badischen ‚Leck mich am Arsch‘ sagen darf oder nicht“

Kragler legte den Streitwert auf 500 Euro fest. Danach richten sich die Gerichts- und die Anwaltskosten. Die Gerichtskosten müssen die beiden ehemaligen Kollegen gemeinsam tragen. Sie dürften mit insgesamt 35 Euro jedoch noch zu den günstigeren Kostenpunkten zählen. Die Anwaltskosten muss jeder selbst tragen.