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Volksverhetzung

Ermittlungen wegen Holocaust-Leugnung: für AfD-Kreisverband Bodensee „kein Thema“

Friedrichshafen / Lesedauer: 3 min

Mitglieder einer AfD-Reisegruppe vom Bodensee sollen in einer KZ-Gedenkstätte den Holocaust geleugnet haben. Der Verdacht hat sich nun erhärtet. Wie der AfD-Kreisverband damit umgeht.
Veröffentlicht:21.11.2018, 15:08

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Der Verdacht der Volksverhetzung und Leugnung des Holocaust durch Teilnehmer einer AfD-Besuchergruppe aus der Bodenseeregion in der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen bei Berlin hat sich erhärtet. Dies hätten die noch nicht abgeschlossenen Ermittlungen bisher ergeben, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt der Behörde im brandenburgischen Neuruppin, Wilfried Lehmann, am Mittwoch. Zuvor hatte das ZDF-Journal „Frontal 21“ berichtet. Der Vorsitzende des AfD-Kreisverband Detlev Gallandt sagte gegenüber der „Schwäbischen Zeitung“, er selbst sei im Rahmen der Ermittlungen vernommen worden. Die Ermittlungen seien aber im Kreisverband „kein Thema“ – so wie der Holocaust allgemein.

Laut Staatsanwalt Lehmann sollen Teilnehmer der Gruppe bei ihrem Besuch in Sachsenhausen im Juli unter anderem die Existenz von Gaskammern in Abrede gestellt haben.

Gegenüber der „ Schwäbischen Zeitung “ sagte Lehmann, eine Äußerung würde aus seiner Sicht den Tatbestand der Volksverhetzung und der Störung der Totenruhe erfüllen. Bei einer Verurteilung wegen Volksverhetzung wären im konkreten Fall bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe möglich – ebenso bei Störung der Totenruhe. Sollte es zum Prozess kommen, hinge das Strafmaß aber von vielen Faktoren ab – etwa Vorstrafen des mutmaßlichen Täters.

Weitere angebliche Aussagen einzelner AfD-Besucher werden laut Lehmann noch überprüft. Inzwischen habe die Staatsanwaltschaft einen „Großteil“ der Besuchergruppe identifiziert. Man sei gerade dabei, die festgestellten Äußerungen auf ihren strafrechtlichen Gehalt zu prüfen – und diese Äußerungen den einzelnen Personen zuzuordnen. Mehrere Zeugen hätten den Besuch der AfD-Gruppe beobachtet. Bis Ende des Jahres dürften die Ermittlungen abgeschlossen sein, sagte Lehmann.

Die Besuchergruppe aus dem Wahlkreis Bodenseekreis – dem Wahlkreis der AfD-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Alice Weidel – war im Juli aus der Gedenkstätte verwiesen worden. Weidel selbst war bei dem Besuch nicht anwesend.

Das können Sie irgendwem in die Hände geben, der sich hobbymäßig mit dem Thema beschäftigt

Detlev Gallandt, Vorsitzender des Kreisverbands

Beim AfD-Kreisverband Bodensee spielen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen mutmaßlicher Holocaust-Leugnung keine Rolle. Zumindest sagt das Detlev Gallandt, der Vorsitzende des Kreisverbands. Gallandt – der selbst bei dem Besuch in Sachsenhausen dabei war – sagte der „Schwäbischen Zeitung“ am Mittwoch: „Wir orientieren uns nicht an der Vergangenheit, sondern versuchen, Antworten auf Fragen der Zukunft zu finden.“

Aus diesem Grund werde auch allgemein der Massenmord an den europäischen Juden im AfD-Kreisverband nicht thematisiert. „Die Vergangenheitsbewältigung – wenn man sie so nennen will – ist geschehen, da gibt es eine rechtliche Sicht zu dem Thema“, sagte Gallandt. Und: Das Thema könne man „irgendwem in die Hände geben, der sich hobbymäßig mit dem Thema beschäftigt.“

Zu den konkreten Vorfällen in Sachsenhausen erklärte Gallandt, er selbst sei im Rahmen der Ermittlungen von der Kriminalpolizei vernommen worden. Wann das geschehen sei, wollte er nicht sagen. Anfang September hatte der Sprecher des Kreisverbands Christoph Högel dem „Südkurier“ erklärt, man werde die Vorfälle intern überprüfen. Das Ergebnis dieser Überprüfung, laut Gallandt: Es habe in der KZ-Gedenkstätte eine „Diskussion bezüglich bestimmter Themen“ gegeben – aber es sei dem AfD-Kreisverband „nichts aufgefallen, das Holocaust-Leugnung sein könnte“.

Was die Teilnehmer vor Ort aus seiner Sicht genau gesagt hatten, wollte Gallandt nicht sagen. Auf die Auswahl der Teilnehmer am Berlin-Besuch bei Weidel, in deren Rahmen es zu dem Vorfall in der Gedenkstätte kam, habe der Kreisverband keinen Einfluss gehabt. „80 Prozent waren gar nicht Mitglied des Kreisverbands“, sagte Gallandt.

„Wir wünschen uns, dass das aufgeklärt wird“, sagte er mit Blick auf die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft.