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Ruhestand

Trauer um Pfarrpensionär Erhard Winter

Tettnang / Lesedauer: 3 min

Missionar, Förderer, Lebensverbesserer: Mato Grosso in Brasilien war dem 92-Jährigen eine Herzensangelegenheit
Veröffentlicht:26.12.2018, 11:23

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Viel bewegt hat Pfarrer Erhard Winter nicht nur in seiner aktiven Zeit, sondern auch noch im Ruhestand. Nun ist er am 21. Dezember im Alter von 92 Jahren in St. Johann verstorben. Schon zu Beginn seines Wirkens schuf er Dauerhaftes: Am 17. April 1955 im Franziskanerkloster Frauenberg in Fulda zum Priester geweiht, hat der junge Franziskanerpater drei Jahre als Kaplan in Rastatt gedient und dort für die Jugendlichen der Pfarrei einen Sportverein gegründet, den es heute noch gibt.

Seine Sehnsucht aber galt der Missionsarbeit der Franziskaner im Mato Grosso in Brasilien. Nur sieben Jahre von 1959 an konnte er in der dortigen Station Rosario Oeste (Rosenkranzstadt) und Umgebung wirken. Dort war er oft wochenlang mit seinem Pferd Bajo auch in die Siedlungen im Urwald unterwegs, um unter einfachsten Verhältnissen zu taufen, zur ersten Kommunion zu führen, zu firmen oder den Ehebund zu bestätigen. Sein missionarischer Dienst wurde 1966 bei seinem ersten Heimaturlaub jäh durchkreuzt, als sein Bruder und dessen Frau bei einem Autounfall ihr Leben verloren und er als Vormund für deren zwei unmündige Kinder sorgen musste.

Der Orden zeigte Verständnis für sein Entlassungsgesuch. Im Bistum Speyer übernahm der gebürtige Nusslocher und in Mannheim Aufgewachsene fast 25 Jahre lang in mehreren Gemeinden seelsorgerliche Aufgaben als Weltpriester. Gleichzeitig musste er der familiären Sorge für die beiden Waisen gerecht werden, später auch mit Hilfe seiner 2013 verstorbenen Pfarrhausfrau Odilia Moll.

Wenn Sehnsucht zum Segen wird

Doch die Sehnsucht nach seiner ehemaligen Missionsstation und den Menschen dort hat ihn nicht losgelassen. Von seinem Ruhestandort Tettnang aus machte er sich von 1992 bis 2009 trotz angegriffener Gesundheit zu 31 mehrwöchigen Reisen nach Brasilien auf, für ihn Erfüllung seiner franziskanischen Berufung. Zum Segen für die dort lebenden Menschen, vor allem für die Kinder und Jugendlichen, denn Frei Eraldo (Bruder Erhard) fühlte sich für deren Gesundheit, Bildung und religiöse Orientierung mitverantwortlich.

Mit eigenen Mitteln und vielen Spenden aus Tettnang und umliegenden Gemeinden, aus der Pfalz, von der Diözese Rottenburg-Stuttgart, hiesigen kirchlichen Gruppierungen, Sternsingern und anderen mehr konnte er eine Kinderspeisung einrichten und die Kinderseelsorge „Pastoral da Crianca“ unterstützen. Ein neues Gemeindezentrum entstand über ihn in Rosario , und in acht Filialgemeinden der Stadt wurden einfache Kapellen mit angrenzenden Räumen für Kinder- und Jugendkatechese sowie zur Betreuung von drogensüchtigen Jugendlichen gebaut.

Aus Dankbarkeit ist Pfarrer Winter als Brückenbauer der Freundschaft und Solidarität zwischen Menschen in Deutschland und Brasilien gewürdigt worden. Für seinen Einsatz hat ihm die Stadt Rosario Oeste und der brasilianische Bundesstaat Mato Grosso mit der Verleihung der Ehrenbürgerschaft gedankt. Inzwischen ist auch die Wiederaufnahme in den Orden erfolgt (Affiliation), bei der ihm sein Ordenshabit überreicht wurde. Bis vor wenigen Jahren hat er Kinder von Leprakranken in Rosario und in Campo Grande unterstützt.

Auch in Tettnang erinnern sich viele Mitglieder der Kirchengemeinde und Bewohner der Stadt an den leutseligen Pfarrpensionär, der seit 1992 in der Pfarrei ausgeholfen und vorwiegend in St. Anna, aber auch in Loreto, St. Georg und in der Pfarrkirche Gottesdienst gefeiert hat. Viele heute Erwachsene erinnern sich an Winters Ansprachen, auch insbesondere an die anwesenden Kinder.

Gesundheitlich stark beeinträchtigt, lebte er seit 2013 im Altenpflegeheim St. Johann, konzelebrierte dort manchmal noch bei den Eucharistiefeiern und spendete fast bis zuletzt den priesterlichen Segen.