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Mercedescup

„Ich will das nächste Level erreichen“

Stuttgart / Lesedauer: 5 min

Thomas Haas gibt den Kampf gegen die vier überragenden Tennisspieler der Welt nicht auf
Veröffentlicht:11.07.2013, 13:10

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Im Achtelfinale des MercedesCups trifft Turnier-Favorit Thomas Haas heute auf den Letten Ernests Gulbis. Im Interview mit Jürgen Schattmann äußert sich der 35-jährige gebürtige Hamburger, der sich nach einjähriger Pause und etlichen Verletzungen wieder auf Rang elf der Welt vorgearbeitet hat, über sein Spiel, seine Zukunftspläne und die Vorzüge des Lebens in den USA.

Herr Haas, der Hype um Sie ist enorm hier am Weißenhof. Kommen Sie eines Tages für immer zurück nach Deutschland?

Fulltime? Das wird schwer. Ich bin ein ziemlicher Wettermensch geworden, leb und trainier ja seit 1991 in Florida und nun auch in Los Angeles, ich brauche die Sonne. Aber ich kann mir vorstellen, mir hier für die Sommermonate eine Unterkunft zu besorgen, irgendwo in Bayern. Ich will, dass meine Familie und die Kinder meine Wurzeln und die Sprache hier kennenlernen, das ist mir wichtig. Momentan hab ich ja nur eine Tochter, aber ich hoffe, da kommt noch’n bisschen was nach.

Wie träumen und fluchen Sie? Englisch oder Deutsch?

Fluchen eher auf Englisch, da gibt’s so ein kurzes Wort, dass mir immer relativ flott über die Lippen kommt, aber wenn ich richtig meine Kontrolle verliere, kommt auch viel Deutsches raus. Träumen? Wenn ich wie jetzt seit drei Monaten in Europa bin, vermutlich auf Deutsch. Es ist komisch: Manchmal kommt es vor, ich stehe auf und weiß gar nicht mehr, in welchem Land ich bin. Das erschrickt mich selbst.

Eine einfache Übung: Wenn Sabine Lisicki und Marion Bartoli es in ein Grand-Slam-Finale schaffen, dann kann Tommy Haas…

(Haas schmunzelt.) Ich weiß es wirklich nicht. Man versucht, immer sein Bestes zu geben, man geht seit der Kindheit Träumen und Zielen nach. Ich kann nur sagen, dass ich es grandios finde, was Sabine Lisicki geschafft hat, sie hat einen Hype ausgelöst, fürs deutsche Tennis ist das sehr wichtig. Ein Finaleinzug ist ein Traum, ich bin leider oft im Halbfinale gescheitert.

Hat man es als Mann schwerer?

Möglich. Im Moment sind vier Spieler an der Spitze, die die Größten aller Zeiten werden können. Roger Federer hat 17 Grand Slams gewonnen, Rafael Nadal zwölf. Es ist Wahnsinn, wie die dominieren, dazu Andy Murray, der unfassbares Tennis spielt, dann noch ein Novak Djokovic, der seit zweieinhalb Jahren eigentlich der Beste und Konstanteste von allen ist. Tennis ist ein verdammt hartes Geschäft geworden. Um ein Grand Slam zu gewinnen, muss man sie alle schlagen, das ist extrem schwierig.

Würden Sie gegen den jungen Haas von 2002, der Nr. 2 der Welt war, gewinnen?

Ich denke schon, dass der Spieler von heute stärker ist. Tennis verbessert sich jedes Jahr, wird immer physischer, 18-, 19-Jährige gibt es kaum mehr unter den Top 200. Auch ich bin konstanter geworden, habe an Koordination, Fitness und Ausdauer zugelegt. Auch die Big Points spielt man mit mehr Erfahrung besser.

Nicht jeder scheint das gemerkt zu haben. Hat sich der DOSB mal im Laufe Ihrer Erfolgsmonate bei Ihnen entschuldigt für die Nichtnominierung bei Olympia ?

Nein, aber die, die das entscheiden, haben mit Sport wohl nicht viel zu tun, das ist letztlich Politik. Ich hätte Anwälte einschalten können wie Rainer Schüttler vor Peking. Aber wenn sie einen nicht nominieren, obwohl man für ein Land viel gespielt hat, wer weiß, was da die Hintergründe sind: Neid womöglich, oder die denken, der ist ja eh schon so lange in Amerika. Letztlich war ich stattdessen in Washington im Finale und im Nachhinein hab ich gehört, dass es vom Event her gar nicht so gut war bei Olympia in Wimbledon. Also hab ich wohl nicht so viel verpasst.

Dafür spielen Sie 2014 wieder Davis Cup für Deutschland. Warum?

Philipp Kohlschreiber ist eine starke Wand für die Mannschaft. Wenn wir uns nochmal zusammenraufen können und eine gute Auslosung haben, ist vieles möglich. Mit den Besten und in Deutschland sind wir eine verdammt gute Mannschaft.

Welche Impulse gibt Ihnen Ulf Fischer, den Sie im Februar als zweiten Coach neben Christian Groh ins Team geholt haben?

Das finden wir immer noch heraus. Christian war für mich sehr wichtig, er hat mich nach vorne gebracht. Jetzt war es Zeit, noch ein Augenpaar zu finden, das die kleinen Dinge entdeckt. Ulf ist schon ewig dabei, extrem erfahren, wir lernen uns gerade noch kennen, um zu spüren, was man tun muss, um das nächste Level zu erreichen.

Und das wäre, die Top 5 zu ärgern?

Letztes Jahr in Halle habe ich Roger auf Rasen besiegt, in Miami Djokovic. In Paris und London habe ich zwar verloren, aber: Das sind die Matches, für die man das alles noch macht, und die will man natürlich auch ab und zu gewinnen, um zu sehen, dass man seine Arbeit richtig macht. Deshalb auch nochmal die Hilfe von außen, von neuen Leuten: Was können die einem mitgeben, um das zu schaffen? Das bleibt das Ziel, die Aufgabe.

Man hört, Sie könnten sich vorstellen, nach Ihrer Karriere Jugendcoach zu werden?

Natürlich will ich im Tennisbereich bleiben. Aber dass ich mit einem 16-, 17-Jährigen um die Welt reise, glaube ich weniger. Wenn tatsächlich der Punkt kommt, an dem man aufhört, dann braucht man auch mal ein paar Jahre Auszeit, finde ich. Dann sollte man auch mal das normale Leben leben, denn das hat man als Tennisprofi definitiv nicht.