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Bad Saulgau / Lesedauer: 4 min

Schiedsrichter denken über Boykott nach – Verband will neue Programme auflegen
Veröffentlicht:29.11.2013, 17:15

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Der Fall des in Mengen bei einem B-Junioren-Spiel attackierten Schiedsrichters sorgt weiter für Gesprächsstoff. Alle überlegen, wie der Gewalt auf den Sportplätzen Einhalt zu gebieten ist. Jeder hat seine Sichtweise der Dinge, manche wagen den Blick über die Grenzen Deutschlands hinaus, andere ziehen einen Boykott ganzer Spieltage in Betracht, um die Vereine wachzurütteln. Der Verband will neue Programme auflegen. Außerdem treten immer weitere Fälle von Gewalt, tätlich wie verbal, ans Licht der Öffentlichkeit.

„Es war doch nur eine Frage der Zeit, bis wieder irgendwo irgendetwas passiert“, sagt Thomas Preuß , selbst Schiedsrichter und Staffelleiter der Liga, in dessen Wettbewerb sich der jüngste Fall von Gewalt auf dem Sportplatz ereignet hat.

Hintergrund: Am 17. November war ein 16 Jahre alter Schiedsrichter von einem Zuschauer mit einem Fußtritt in den Unterbauch angegangen worden, dass der Schiedsrichter eine Woche krankgeschrieben war und kurzzeitig sogar daran gedacht hatte, die Schiedsrichterei aufzugeben. Inzwischen denkt das Talent jedoch anders. „Ich möchte weitermachen“, sagte er bereits am Tag nach dem Vorfall gegenüber der Schwäbischen Zeitung .

Doch natürlich wirft der Fall weitere Fragen auf. Längst ist die oberschwäbische Provinz keine Insel der Glückseeligen mehr im Vergleich zu Brennpunkten wie Stuttgart . Die Vorfälle häufen sich auch hier. Immer mehr Fälle kommen ans Licht der Öffentlichkeit. „Wir haben immer wieder Phasen, in denen es ruhig ist, dann knallt’s wieder“, sagt Heiner Baumeister, Pressesprecher des Württembergischen Fußball-Verbandes (WFV).

Schiris müssen Fälle melden

„Ich kann die Schiedsrichter nur auffordern, Fälle zu melden, in denen sie bedroht wurden“, sagt auch Saulgaus Schiedsrichter Obmann Anton Guth . „Aber solche Fälle machen die Suche nach neuen Schiedsrichtern nicht einfacher. Eigentlich wollten wir im Sommer einen Neulingskurs machen, aber den sehe ich gefährdet“, sagt Guth.

Auch B-Juniorenstaffelleiter Thomas Preuß sagt: „Die Schiedsrichter dürfen sich nicht einschüchtern lassen, sie müssen Meldung machen. So wie der Schiedsrichter der Partie in Mengen. Der Fall muss nicht nur sportrechtlich, sondern auch zivilrechtlich verhandelt werden.“ Wird er. Der Schiedsrichter zeigte den mutmaßlichen Täter an. Preuß spricht sich für eine härtere Bestrafung der Übeltäter aus, pflegt seit Jahren engen Kontakt zur Schiedsrichtergruppe in Schaffhausen/Schweiz. Dort müssen selbst Amateurvereine für Verwarnungen gegen Spieler mindestens 40 Franken berappen. „In der Schweiz erhalten die Schiedsrichter auch mehr Geld für Spielleitungen, mindestens 80 Franken ab der C-Jugend aufwärts, darunter müssen die Vereine die Spiele selbst leiten“, hat Preuß in Erfahrung gebracht. (siehe Interview auf dieser Seite)

Schulungen verfehlen Zweck

Derweil arbeitet der WFV an einer neuen Strategie: „Wir wollen den Vereinen mehr Möglichkeiten an die Hand geben, beispielsweise Spieler, die auffällig geworden sind, leichter loszuwerden. Wir setzen in Zukunft auf einen Selbstreinigungsprozess der Vereine“, sagt Heiner Baumeister vom WFV. Derzeit berät eine Kommission an der Ausarbeitung, das Projekt soll zur Saison 2014/2015 starten.

Verband lehnt Boykott ab

Zu diesem Prozess würde ein Gedanke passen, den die Schiedsrichtergruppe Saulgau derzeit umtreibt. Man denke darüber nach, komplette Spieltage nicht zu besetzen, um so den Druck auf die Vereine, unter Umständen auch der vorbildlichen Vereine auf die „Unruhestifter“ zu erhöhen. Denn: „Zu Anti-Aggressionsschulungen und anderen Workshops kommen sowieso nur die Vereine, die sich sowieso schon tadellos verhalten“, hat man inzwischen auch beim WFV erkannt. Die Schweizer Lösung indes hält man in Stuttgart, bezogen auf Deutschland, für nicht praktikabel.

Im vorliegenden Fall des Schiedsrichters aus Bad Saulgau ist die Lage schwierig. Wie will man einem mutmaßlichen Täter habhaft werden, der nicht Mitglied im Verein ist, noch bislang aufgefallen ist? „Natürlich hat der Verein eine gewisse Sorgfaltspflicht und wir können dem Verein mit einer Geldstrafe oder Punktabzug drohen“, sagt Heiner Baumeister. Die Frage sei, ob der mutmaßliche Täter schon in der Vergangenheit auffällig geworden sei.

In jedem Falle stehen Schiedsrichtergruppe und Verband dem betroffenen Schiedsrichter bei. Ein eigens vom Verband bestellter Betreuer, selbst Schiedsrichter, und Obmann Anton Guth kümmern sich um den Schiedsrichter-Kameraden. Alleine das löst das Problem nicht, bekämpft nur die Auswirkungen und Folgen. Eine Problemlösung ist vorerst nicht in Sicht.