StartseiteRegionalBodenseeTettnangPersönliche Verhältnisse bleiben im Dunkeln

Asylbewerber

Persönliche Verhältnisse bleiben im Dunkeln

Tettnang / Lesedauer: 4 min

32-jähriger Asylbewerber muss sich in 26 Punkten vor dem Amtsgericht verantworten
Veröffentlicht:23.04.2018, 16:29

Von:
Artikel teilen:

„Ich kann mich nicht erinnern“ – zweifelsohne ist dies wohl der am häufigsten gehörte Satz am Montagmorgen vor dem Tettnanger Amtsgericht gewesen, vor dem sich – wie berichtet – seit einigen Wochen ein 32-jähriger Asylbewerber wegen insgesamt 26 Straftaten verantworten muss. Die Erinnerungslücken holten den Angeklagten besonders bei den Nachfragen zu seinen persönlichen Verhältnissen ein, sodass sein Leben bis zu seiner Flucht undurchsichtig blieb.

Fakt scheint – zumindest dem Pass nach – zu sein, dass der junge Mann seit zwei Jahren in Deutschland lebt, bislang fünf Mal vorbestraft ist und seit vergangenem September in Untersuchungshaft sitzt. Alle Vorfälle sollen sich im vergangenen Jahr zugetragen haben, wie beispielsweise der Hausfriedensbruch in einer Häfler Spielothek, die der Angeklagte trotz Hausverbots betreten haben soll. Immer wieder war der Asylbewerber beim Fahren ohne Führerschein erwischt worden, teilweise soll er zudem mit gefälschtem Kennzeichen im Bodenseekreis und in Ravensburg unterwegs gewesen sein. Ebenfalls in mehreren Fällen soll der junge Mann Marihuana bei sich gehabt haben, was der Angeklagte bereits einräumte.

Versuchte Brandstiftung im Wachtelweg

Am Montagvormittag ging es – neben diversen Taxifahrten, die der 32-Jährige nicht bezahlt haben soll – vor allem um eine versuchte Brandstiftung im Häfler Wachtelweg, die der Angeklagte in der Nacht vom 20. auf den 21. August im vergangenen Jahr verübt haben soll. Zwar lebt der Flüchtling nicht mehr in der Asylbewerberunterkunft, halte sich dort aber häufiger auf. Verschiedene Zeugen – vor allem Polizeibeamte, die sich mit dem Vorfall beschäftigt haben – sagten aus, dass der Angeklagte gegen 23 Uhr zwei 1,5 Liter Flaschen – eine voll, die andere halb voll gefüllt mit Benzin – in der Küche und dem Vorraum des Heims verschüttet haben soll. Zwei Bewohner hätten dies bemerkt und sogleich mit einem Lappen das Benzin aufgewischt. „Das hätte zur Entzündung gereicht – das wäre sonst abgefackelt worden“, berichtete einer der Polizeibeamten. Zu seinem Motiv soll der 32-Jährige den beiden Männern gegenüber gesagt haben, wenn sie „ugly“ (englisches Wort für hässlich) zu ihm seien, dann würde er sie „burnen“, also abbrennen. Eine der Flaschen soll später bei der Wohnungsauflösung des Angeklagten im Keller gefunden worden sein – allerdings war dieser öffentlich zugänglich.

Bereits kurz nach Beginn der Verhandlung versuchte Richter Martin Hussels , Licht in die persönlichen Verhältnisse des geflüchteten Mannes zu bringen, der 1986 in Aleppo geboren wurde und insgesamt fünf Geschwister hat. Doch schon bei dem Alter seiner Eltern musste der Angeklagte passen: „Ich kann mich nicht erinnern, wie alt meine Eltern sind“, ließ er über den Dolmetscher ausrichten. Auch, wann die Familie in den Libanon nach Beirut geflohen und wo er zur Schule gegangen sei, konnte der Richter trotz mehrmaligem Nachfragen nicht in Erfahrung bringen. Denn während der Angeklagte behauptete, mit Beginn des Syrienkrieges geflüchtet zu sein, wies der Staatsanwalt darauf hin, dass sein Führerschein bereits 2008 im Libanon ausgestellt worden sei. „Das kann doch alles überhaupt nicht sein, wenn der Krieg erst 2012 begonnen hat. Haben Sie überhaupt irgendeine Erinnerung an ihr Leben?“, entfuhr es Martin Hussels schließlich.

Deutlich wurde dagegen, dass neben Autos – nach der Schule soll der Asylbewerber eine Kfz-Ausbildung gemacht haben – auch Drogen eine größere Rolle in seinem Leben gespielt haben: „Alles“, lautete die Antwort auf die Frage des Richters, was er denn alles getrunken habe. Zudem habe er Amphetamine, Haschisch und Marihuana konsumiert, nachdem er nach Deutschland gekommen sei.

Dabei habe er eigentlich „mit deutschen Autos arbeiten“ wollen, wie der junge Mann Martin Hussels erläuterte. Doch hier habe er weder gearbeitet, noch einen richtigen Deutschkurs besucht. „Warum denn nicht, Sie sind doch schon fast drei Jahre in Deutschland“, hakte der Richter nach. Da er Analphabet sei, sei es schwierig, einen entsprechenden Sprachkurs zu finden. „Ich finde die Sprache sehr schwierig“, so der Angeklagte.