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Hannes Jaenicke vor Besuch in Tettnang im Interview - Doku "Im Einsatz für den Wolf"

Tettnang / Lesedauer: 7 min

Schauspieler Hannes Jaenicke kommt am Sonntag ins KiTT – Im Interview spricht er über Umweltengagement, den Wolf und Zukunftsperspektiven
Veröffentlicht:24.09.2022, 10:00

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Hannes Jaenicke ist ein echtes Allroundtalent: Schauspieler, Buchautor, Umwelt- und Tierschutzaktivist und seit einigen Jahren auch passionierter Dokumentarfilmer. Am Sonntag, 25. September, ist er von 13 bis 14 Uhr zu Gast im Tettnanger KiTT. Bei freiem Eintritt zeigt der KiTT-Verein die ZDF-Dokumentation „Hannes Jaenicke: Im Einsatz für den Wolf“, die erstmals im jahr 2021 ausgestrahlt wurde. Nach dem Film wird der Schauspieler sich auf der Bühne den Fragen von Moderator Joerg Hermann und aus dem Publikum stellen. Im Interview mit Redakteurin Linda Egger erzählt der Schauspieler, warum ihm Komödien irgendwann nicht mehr ausreichten, wie er Klimaschutz privat lebt und was er bei den Dreharbeiten zu seiner Dokumentation über den Wolf erlebt hat.

Herr Jaenicke, früher haben Sie Spielfilme und Komödien gemacht, inzwischen machen Sie auch viele Dokumentationen zum Thema Natur- und Tierschutz. Wie kam es dazu? Gab es einen bestimmten Auslöser?

Ich war immer ein großer Doku-Fan. Nach 30 Jahren Schauspielerei habe ich mich schon gefragt, ob es das ist, was ich für den Rest meiner Tage machen möchte. Mir macht die Schauspielerei immer noch großen Spaß, aber eigentlich erst wieder so richtig, seitdem ich die Dokus mache. Als Schauspieler beschäftigt man sich weitestgehend mit sich selbst. Wir haben in Deutschland auch keine Filmindustrie, wo man sagen würde, wir drehen jeden Tag Filme, die die Welt verändern. Jetzt wechsle ich hin und her zwischen Schauspielerei und Dokus, das ist eine ziemlich perfekte Mischung.

Sehen Sie in Ihrer Reichweite auch eine gewisse Pflicht, aktiv zu werden und etwas zu bewegen? Sollten andere Schauspieler und Prominente das Ihrer Ansicht nach auch mehr tun?

Das machen ja ganz viele, gerade in den USA oder England gibt es kaum einen Prominenten, der sich nicht in irgendeiner Form engagiert. Was Leute wie George Clooney , Robert Redford oder Leonardo DiCaprio machen, finde ich extrem wichtig. Jetzt bin ich weder Clooney, noch Redford, noch DiCaprio, aber in meinem kleinen Wirkungsfeld in Deutschland kann ich auch etwas auf die Beine stellen, und das versuche ich eben. Das gibt meinem Leben auch einen gewissen Sinn. Nur Filmchen drehen, das würde mir ehrlich gesagt nicht mehr reichen.

Durch die aktuellen Geschehnisse auf der Welt ist der Druck hinsichtlich Klimaschutz nochmals größer geworden. Glauben Sie, dass wir Menschen immer erst dann handeln, wenn wir dazu gezwungen sind und es an den Geldbeutel geht?

Ja. Der Mensch braucht einen riesen Leidensdruck, um irgendetwas zu verändern. Es gibt ein kluges Zitat von Leo Tolstoi, der hat mal gesagt: „Lieber geht der Mensch zugrunde als seine Gewohnheiten zu ändern.“ Und das ist leider so. Deswegen glaube ich, so tragisch diese Katastrophen sind wie letztes Jahr die Fluten in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen – Dass der Klimawandel ernst zu nehmen ist, kapiert der Mensch nur durch solche Katastrophen. Vorher war der Klimawandel für viele weit weg, am anderen Ende der Welt. Wenn südpazifische Inseln absaufen oder die Subsahara kein Wasser mehr hat, das hat keinen Menschen interessiert. Aber wenn es vor der eigenen Haustüre knallt, dann entsteht Handlungsbedarf.

Durch Ihre Arbeit sind Sie sehr nah an solchen Geschehnissen dran. Wie verhindern Sie, dadurch in eine Art Weltschmerz zu verfallen?

Naja, ich denke, dazu trägt mein Kampfgeist bei. Man denkt immer, es ist woanders schlimmer. Aber ein Drittel der einheimischen deutschen Tierarten stirbt auch aus. Der deutsche Flächenfraß ist der höchste in Europa. Wenn ich es richtig im Kopf habe, versiegeln wir immer noch pro Tag Grünflächen im Ausmaß von rund 70 Fußballfeldern mit Beton. Es ist ja nicht so, dass nur der Amazonas untergeht, der deutsche Wald geht auch unter. Es gibt so viele Baustellen, wir können so viel Schönes retten. Das macht ja auch irgendwie Spaß. Leute, die sich in ihrer Freizeit für so etwas engagieren, sind, glaube ich, die zufriedeneren Menschen.

Um etwas zu verändern, muss jeder bei sich selbst anfangen. Wie umweltbewusst leben Sie selbst?

Was das berufliche Fliegen betrifft, bin ich eine Katastrophe, da ist meine CO2-Bilanz richtig schlecht. Aber wenn wir in Borneo drehen oder der Antarktis, da kommt man nunmal mit dem Fahrrad nicht hin, also fliegen wir natürlich. Und ansonsten lebe ich soweit es geht nachhaltig, kaufe alles wenn möglich gebraucht, habe keinen Wäschetrockner, fahre ein Elektroauto, habe eine extrem niedrige Stromrechnung, heize so wenig wie möglich.

In Ihren Dokus haben Sie sich schon für diverse Tierarten stark gemacht – unter anderem für den Wolf. Wie sollte der Umgang mit der Konfliktsituation Wildtier-Mensch Ihrer Ansicht nach aussehen? Gibt es da überhaupt eine Lösung?

Also den Wolf abzuschießen ist völliger Schwachsinn, das macht nur Deutschland. Gleichzeitig beschweren sich viele lauthals über eine Wildschweinplage oder Verbiss durch Rot- und Damwild. Aber warum haben wir denn zu viele Wildschweine oder zu viele Rehe? – Weil sie keinen natürlichen Feind haben. Wir zeigen im Film auch, wie etwa Rumänien oder Italien ihre Wölfe managen. Wir sind ein Volk von Angsthasen. Wir haben 2006 ein zweijähriges Bärenbaby namens Bruno erschossen, weil er ein paar Hühner und Ziegen gerissen hat. Wir haben einfach völlig verlernt, mit Natur umzugehen. Und man kann seine Nutztiere ja tatsächlich schützen – das sieht man in den Ländern, wo das völlig selbstverständlich ist, dass Mensch und Wolf koexistieren.

Was hat Sie bei den Dreharbeiten zu „Im Einsatz für den Wolf“ am meisten beeindruckt?

Das Tier ist so scheu, das ist für Filmemacher der größte Albtraum. Wir machen diese Filme seit vielen Jahren und es war leichter, Löwen, Geparden, Nashörner, Elefanten oder Haie vor die Kamera zu bekommen als den Wolf. Wir haben einen einzigen Wolf gesehen auf etwa 300 Meter Entfernung. Wer glaubt, der Wolf sucht menschliche Nähe, um den Menschen zu fressen, der ist einfach auf ein dummes Märchen hereingefallen.

Wie sehen Sie die Zukunft für uns Menschen? Gibt es noch eine Chance, das Ruder herumzureißen und die Erde als unseren Lebensraum zu retten?

In der Theorie ist das natürlich möglich. Aber wenn die Leute weiterhin so leben wie jetzt, ihre Kreuzfahrten buchen und weiter so viele SUVs kaufen, dann sehe ich da ehrlich gesagt schwarz. Der Mensch redet ja so, als wäre ihm das alles wichtig. Wenn man Umfragen macht, ob die Leute bereit wären, mehr Geld auszugeben für Bio-Fleisch oder ein Bio-T-Shirt, antworten die meisten mit Ja. Aber wenn sie dann an der Ladentheke stehen, kaufen sie doch das Billigste. Es gibt immer noch eine große Diskrepanz zwischen dem, was wir sagen, und dem, was wir tun. Trotzdem können wir viel tun, es gibt viele Umwelt-Erfolgsgeschichten. Der Rhein ist ein Musterbeispiel dafür: Der war vor einigen Jahrzehnten noch eine Chemie-Kloake, dass man nichtmal eine Hand ins Wasser stecken durfte. Jetzt kann man im Rhein wieder baden. Aber ich glaube, wir haben uns so an den Luxus, billige Energie und diesen Konsum gewöhnt, dass ich für den Menschen wenig Hoffnung habe. Aber die Natur wird sich erholen – mit oder ohne uns.