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Mädchenmannschaft

Mädchen-Fußball in der Krise

Tettnang / Lesedauer: 3 min

Zahl der Mädchen-Fußballmannschaften sinkt rapide – aber woran liegt das?
Veröffentlicht:24.10.2019, 19:08

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Die neueste Statistik des Deutschen Fußball-Bundes sorgt seit ein paar Wochen für Aufregung. Aus der Studie geht hervor, dass bundesweit, vor allem aber in Baden-Württemberg, die Mädchen-Fußballmannschaften in den letzten zehn Jahren um 45 Prozent geschrumpft sind. Diesen herben Rückgang bestätigt auch der Württembergische Fußball-Verband (WFV). Gab es vor zehn Jahren noch mehr als 900 Mädchenmannschaften, sind dieses Jahr nur noch halb so viele im Spielbetrieb. Aber woran liegt das?

Der WFV nennt nicht nur einen Grund, sondern bietet verschiedene Erklärungsansätze. Einer davon lautet: Weniger aktive Mädchenmannschaften bedeute auch, gerade in ländlicheren Regionen, längere Wege zu den Spielen und ein damit wesentlich höherer Aufwand für die Spielerinnen. Dies bestätigt auch Martina Zöllner, die für den Mädchenfußball beim SV Kressbronn zuständig ist: „Man spürt deutlich, dass wir weniger Gegner haben. Oft sind es Spielgemeinschaften, die sich aus zwei Vereinen zusammengetan haben. Oder Mädchen aus der C-Mannschaft werden in die B-Mannschaft rübergeholt. Viele Vereine haben inzwischen sogar keine Mädchenmannschaften mehr.“

Aber das allein sei noch nicht der Grund für diesen herben Rückgang. Viele leistungsstarke Mädchen würden mit den Jungs trainieren, lautet ein weiterer Erklärungsansatz des WFV. Dies erlauben die Statuten bis in den älteren Juniorinnen-Bereich. Prominentes Beispiel dafür ist die heutige Nationalspielerin Melanie Leupolz (25), die in Wangen im Allgäu geboren wurde und bis zu ihrem 14. Lebensjahr beim TSV Ratzenried mit den Jungs trainierte und spielte. Genauso Giulia Gwinn (20), ebenfalls Nationalspielerin und aktuell beim FC Bayern, trainierte in ihren jungen Jahren in Jungenmannschaften – unter anderem beim VfB Friedrichshafen. In Württemberg trifft das auf derzeit 700 Mädchen zu, die damit den reinen Mädchenmannschaften verloren gehen. „Dafür bleiben sie aber den späteren Frauenmannschaften erhalten,“ erklärt Angelika Fioranelli-Peterssohn, Vorsitzende des Ausschusses für Frauen- und Mädchensport beim WFV.

Derzeit ist der TSV Tettnang noch gut aufgestellt mit zwei Frauenmannschaften und je zwei C- und B-Mädchenmannschaften. „Dafür muss man viel tun. Von alleine gelingt das nicht“, sagt Karin Rasch-Boos, Frauen- und Mädchenbeauftragte beim TSV Tettnang. „Wir gehen in die Schulen oder inserieren in Zeitungen und bieten Schnupperkurse für Mädchen an. Wir veranstalten Kinder-Fußball-Camps, zu denen wir zum Beispiel Gulia Gwinn einladen. Sie ist ganz hype bei den Mädchen.“

Dass man mehr tun muss, um Mädchen in den Verein zu bekommen, hat auch der Abteilungsleiter Jochen Alfery vom SV Kressbronn gelernt: „Jungs gehen einfach mal in den Verein, weil sie Fußball spielen wollen. Sie kommen von selbst. Um die Mädchen muss man schon werben. Sie haben viel mehr Hobbys als die Jungs.“

Aber die Ursachenforschung ist damit noch nicht beendet. Sogenannte regionale Leuchtturm-Vereine, die durch ihre gute Arbeit – nicht nur im Fußball – viele Mädchen anziehen und damit ein Vakuum in den umliegenden Mädchenmannschaften entstehen lassen, werden als Grund für die schlechten Zahlen genannt. Ein weiteres württembergisches Problem sei die Abwanderung der prominenten und erfolgreichen Spielerinnen in die Bundesliga wie Melanie Leupolz, Giulia Gwinn oder Leonie Maier, die entweder zum FC Bayern oder wie im Fall Leonie Maier zum FC Arsenal gewechselt sind. „Das geht bei den Profi-Mädels gar nicht anders,“ erklärt Karin Rasch-Boos vom TSV Tettnang. „Die Spielerinnen müssen den Sport und eine Ausbildung unter einen Hut bekommen. Das ist in unserer Region kaum möglich.“

Aber damit fehle eben auch das leuchtende Vorbild für den Nachwuchs in der Region und der Ansporn aktiv zu werden. Aber eines ist auch klar: Gewinnt Fußball-Deutschland im Fernsehen, sorgt das – egal ob männlich oder weiblich – bei vielen bestimmt für mehr Interesse am Fußball.