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Vortrag

„Das Alter ist weiblich“

Tettnang / Lesedauer: 3 min

Gerontologe Dr. Markus Leser spricht im Hotel Rad über die „Herausforderung Alter“
Veröffentlicht:18.10.2018, 17:51

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Zu einem Vortrag mit anschließender Diskussion über Möglichkeiten und Lösungen für ein selbstbestimmtes Leben im Alter, hat der Vorstand der Tettnanger Grünen, den Schweizer Gerontologen Dr. Markus Leser ins Hotel Rad eingeladen.

Sabine Leichs-Knapp von den Grünen begrüßte die zahlreichen Zuhörer, von denen der größte Teil weiblich war. „Das Alter ist weiblich, wie die Statistik beweist“, so Markus Leser zu Beginn. Er leitet seit 2003 beim Schweizer Verband Heime und Institutionen, Curaviva, den Fachbereich Alter und hat auch ein Buch über dieses Thema geschrieben. Alter und Sterben würden in der Gesellschaft nach wie vor tabuisiert und viele Menschen sähen es als Katastrophe an, wieder ein Jahr älter zu werden, doch eigentlich sei es besser, als kein Jahr älter zu werden, so Leser. Da es hauptsächlich um Kosten, Sparen und Umverteilen geht, gäbe es immer noch die veraltete Sichtweise, dass ältere Menschen, die nicht mehr arbeiten, der Gesellschaft auch nichts mehr bringen. Von diesem Gedanken müsse man sich lösen und alten Menschen in der Gesellschaft den Platz bieten, der ihnen zusteht. Zumal der Alterungsprozess sehr vielfältig sei und viele Ältere noch Einiges an Ressourcen zu bieten hätten. Laut Markus Leser existiere in der Schweiz außerdem eine Studie von Ökonomen, die ein kostengünstigeres Modell vorgestellt hätten, als es aktuell gibt.

Vier Tabuzonen gäbe es in der Gesellschaft, die es aufzubrechen gelte, da sie erschwerende Rahmenbedingungen seien, so Leser: Das wertlose Lebensalter, die Idealisierung des zu Hause Wohnens bis ans Lebensende, der Tod als Erzfeind und der Wahn der ewigen Tüchtigkeit. Ein Lebenslauf verliefe nicht gerade, sondern mit einem Paradigmenwechsel. Da sich die Bedürfnisse der alten Menschen gegenüber früher stark verändert hätten, müssten die Alters-Pflegeinstitutionen ihre Dienstleistungsangebote ebenfalls überdenken, zumal die sogenannte Baby-Boomer Generation jetzt in das entsprechende Alter käme.

Markus Leser skizzierte ein Wohn- und Pflegemodell für das Jahr 2030 mit einem Gesundheitszentrum, das es in jeder Stadt geben sollte. Das Gesundheitswesen verglich er mit einem gut aufeinander eingestimmten Orchester, das ohne Konkurrenzkämpfe unter den „Musikern“, sondern mit Beiträgen von jedem Einzelnen, harmonisch funktionieren soll. Dazu gehören die verschiedenen Fachkräfte, die freiwilligen Helfer, die Angehörigen, der Lebensraum und vieles mehr. Auch eine Zusammenarbeit der Schweiz mit Deutschland findet Leser trotz starken Unterschieden in den politischen Rahmenbedingungen sehr wichtig, um gesamtgesellschaftliche wie auch individuelle Lösungsvorschläge für ein Alter und ein Altern mit höchster Lebensqualität zu schaffen.

Bei der anschließenden Diskussion meinte eine Zuhörerin, dass es in Deutschland zu viele Pflegedienste mit eigenen Verwaltungen gäbe, was die Dienstleistung nur verteuern würde. Markus Leser meinte, es sei Aufgabe der Gemeinden, dieses zu modellieren und zusammenzubringen. Außerdem solle man selbst einen Anfang machen und nicht auf den Staat warten. Viele ältere Menschen möchten sich engagieren und man könnte gemeinsam aktiv werden, um etwas zu erreichen. Nach dem Motto „wir machen etwas miteinander und warten nicht, bis nichts mehr geht!“